<112> behauptet. Über Königen gibt's keinen Gerichtshof mehr, keine Obrigkeit hat über ihre Händel ein Urteil zu fällen, so muß denn das Schwert über ihre Rechte und die Stichhaltigkeit ihrer Beweismittel entscheiden. Das ist die Art, wie Fürsten ihren Rechtsstreit führen: mit den Waffen in der Hand; so zwingen sie, wenn's ihnen gelingt, ihre Neider, der Gerechtigkeit ihrer Sache die Bahn freizugeben. So dienen denn solche Kriege der Erhaltung des Rechtszustandes in der Welt und der Verhütung der Völkerknechtung: das heiligt ihre Anwendung, ja macht sie unerläßlich.

Auch Angriffskriege gibt's, die ihre Rechtfertigung in sich tragen, ebenso wie die eben besprochenen: es sind das die vorbeugenden Kriege, wie sie Fürsten wohlweislich dann unternehmen, wenn die Riesenmacht der größten europäischen Staaten alle Schranken zu durchbrechen und die Welt zu verschlingen droht. Man sieht ein Unwetter sich zusammenziehen, allein vermag man's nicht zu beschwören, da vereinigt man sich mit allen den Mächten, die gemeinsame Gefahr zu Schicksalsgefährten macht. Hätten sich gegen die Römermacht alle übrigen Völker zusammengetan, niemals hätte die so viele große Reiche zu stürzen vermocht; eine mit Weisheit entworfene Bundesgenossenschaft und ein Krieg, mit frischem Mut unternommen, hätten all jenen Plänen des Machthungers, deren Durchführung die Welt in Ketten schlug, vor der Zeit ein Ende bereitet.

Klugheit empfiehlt immer die Wahl des kleineren Übels und ein Handeln, solange man seines Handelns Herr ist. Besser also, zum Angriffskriege schreiten, solange man noch zwischen Ölzweig und Lorbeer zu wählen hat, als bis zu dem Zeitpunkt warten, wo alles so verzweifelt sieht, daß eine Kriegserklärung nur noch einen Aufschub der völligen Knechtung und des Unterganges um Augenblicke bedeutet. So quälend die Lage für einen Fürsien ist, ihm bleibt nichts Besseres, als seine Kräfte zu gebrauchen, bevor ihm die feindlichen Maßnahmen die Hände binden und ihm die Freiheit zu handeln nehmen.

Auch ein Bundesverhältnis kann Fürsien in die Kriege ihrer Verbündeten hineinziehen, wenn sie diesen die vertragsmäßig festgesetzten Hilfstruppen zuführen. Da Fürsten nun einmal nicht ohne Allianzen bestehen können, weU nur selten oder nie sich einer aus eigener Kraft zu halten vermag, so verpflichten sie sich zu gegenseitiger Hilfeleistung in der Not, zu wechselseitiger Stellung von Hilfstruppen in ganz bestimmter Zahl, eine Maßnahme, die der Erhaltung ihrer Stellung wie ihrer Sicherheit gleichermaßen dient. Erst der Gang der Ereignisse entscheidet darüber, wer von den Bundesgenossen die Vorteile ihres Verhältnisses genießt. Aber da die Gelegenheit, die heute dem einen Teilnehmer gewogen ist, morgen bei veränderter Sachlage dem hold sein kann, der die Hilfstruppen stellt, so ist es ein Gebot fürstlicher Weisheit, die Vertragspflicht heilig zu halten und sie mit peinlicher Sorgfalt zu erfüllen, um so mehr, als es im Interesse der Völker liegt, daß die Schutzmacht der Herrscher durch solche Bündnisse verstärkt und dadurch den Feinden furchtbarer gemacht wird.