<111> trüben, der ganzen Völkern ein Führer ist. Da heißt's, den Blick aufs Ganze richten und der Hauptsache ohne Zaudern Nebendinge zum Opfer bringen. Große Fürsten haben noch stets ihr eigenes Ich hinter dem einen Gedanken an das Staatswohl zurücktreten lassen; daß sie jeder Voreingenommenheit sich mit Gewissenhaftigkeit entledigt haben, um ihrer eigentlichen Aufgabe um so ungetellter zu gehören, versieht sich dabei von selbst. Die Abneigung der Nachfolger Alexanders, sich gegen die Römer zu verbünden, erinnert an den Widerwillen mancher Leute gegen den Aderlaß; dabei kann eine Versäumnis ein hitzig Fieber oder Blutspeien zur Folge haben, wo dann oft gar kein Mittel mehr hilft. So ist in Staatsfragen ein unparteiischer, von keinem Vorurteil beirrter Geist ebenso vonnöten wie in der Rechtsprechung: hier, um auf Schritt und Tritt dem Gebot der Weisheit treu zu bleiben, dort, um niemals wider das Gebot der Gerechtigkeit zu verstoßen.

Glücklich wäre die Welt daran, bedürfte es keiner anderen Mittel als der Verhandlungen, um dafür zu sorgen, daß Recht Recht bleibe, und um den Frieden unter den Völkern immer wieder herzustellen. Dann gäb's an Stelle der Waffen Gründe und Gegengründe, statt der Halsabschneidereien einen Austrag zwischen den Meinungen hüben und drüben. Es ist eine traurige Notwendigkeit, daß Fürsten sich einen letzten Weg offenhalten müssen, einen Weg, viel grausamer, verhängnisvoller und hassenswerter; es gibt Umstände, da muß Waffengewalt die Freiheit der Völker wider die Unterdrückung durch Unrecht schirmen, Fälle, da wir im guten nichts ausrichten und der Unbilligkeit abtrotzen müssen, was sie uns weigert, Fälle, da die Fürsien, die geborenen Schiedsrichter der Völkerzwisie, diese nicht anders zu schlichten wissen als im Messen ihrer Kräfte, indem sie ihre Sache dem Schlachtenlos anheimstellen. In solchen Fällen wird zur Wahrheit, was so gewagt klingt: ersi ein guter Krieg schafft und sichert einen guten Frieden.

Wir wollen uns nunmehr die Frage vorlegen, wann ein Herrscher einen Krieg verantworten kann, ohne sich Vorwürfe machen zu müssen über seiner Untertanen vergossenes Blut, wann es ohne zwingende Notwendigkeit und wann es aus Eitelkeit und Hoffahrt geschieht.

Von allen Kriegen die gerechtesten und unvermeidlichsten sind die Verteidigungskriege, sobald Feindseligkeiten ihrer Gegner die Fürsien zu wirksamen Gegenmaßregeln wider ihre Angriffe zwingen und sie Gewalt mit Gewall abwehren müssen. Dann liegt in der Stärke ihres Armes aller Schutz wider die nachbarliche Begehrlichkeit, und alle Bürgschaft für die Ruhe ihrer Untertanen in der Tapferkeit der Truppen: und genau wie der im Recht ist, der einen Dieb, den er just beim Einbruch ertappt, aus dem Hause jagt, so ist's eine Tat im Namen des Rechtes, wenn ein Großer oder ein König mit Waffengewalt einen Usurpator zwingt, aus seinen Staaten zu weichen.

Nicht weniger wohlbegründet als die genannten Kriege sind solche, mit denen ein Herrscher bestimmte Rechte oder bestimmte Ansprüche, die man ihm bestreiten will,