<91>Trotz alten Schäden und dem tragen Hang
Der Großen geht die Welt zwar ihren Gang,
Allein ein Teil der Schuld trifft doch den König,
Geschieht fürs Wohl des Staats so bitterwenig!

Genug des Spotts! Ich schone meinesgleichen.
Kann mich allein der Tadel nicht erreichen?
Bin ich denn immer voller Wachsamkeit?
Gibt Umsicht jeder Arbeit das Geleit?
Gibt's nicht auch Tage, wo der Geist erschlafft,
Unfähig ist und ohne Schaffenskraft,
Wo ich das Ganze nicht vor Augen habe
Und kaum der Dinge Oberfläche streife?
Du siehst, wie ich beschämt ans eigne Herz mir greife!
Leben ist Handeln; Ruhe ist im Grabe.
Hat uns die flücht'ge Zeit nicht offenbart,
Daß kurz das Leben uns bemessen ward,
Daß man kein Ding dem Morgen überlassen,
Nein, die Gelegenheit beim Schopfe fassen
Und jeden Tag mit Taten füllen soll?
Umsonst droht uns die Parze frühen Tod;
Lang wird das Leben, ist es tatenvoll.
Drum nutzen wir die Macht in unsren Händen,
Um unsren Nächsten Gutes zuzuwenden:
Das sei des Daseins oberstes Gebot!
Der Seele Fruchtbarkeit ist unbeschränkt:
Sieh den Orangenbaum, der allezeit
Von Bluten strotzt und voller Früchte hängt,
Ein steter Vorwurf unsrer Lässigkeit!

Doch wenn ich auch das Wort der Tatkraft rede,
So wähne nicht, ich ließe mich betören
Von Brauseköpfen, die den Frieden stören,
Die ihre Unrast treibt zu Krieg und Fehde!
Glaub' nicht, daß mich der Nordlandsfürst entzückte,
Der Mühsal, Fährnis, Tod zu finden brannte
Und keine Lust als Krieg und Schlachten kannte,
Den Herrscher zu entthronen tief beglückte,
Der herrenlos die eignen Lande ließ,