<73>Die Kettenlast der Tyrannei zersprengte,
Die Zwingherrn in dem eignen Blut ertränkte.
Doch Enkel, unwert solches Heldentums,
Entehrten feig das Erbteil alten Ruhms:
Schlaff waren die Soldaten, ohne Zucht;
Laveld und Fontenoy1 sahn ihre Flucht,
Und in dem Röhricht hinter ihren Dämmen
Verkrochen sich die angstverstörten Memmen.

So brandmarkt Feigheit uns wie Missetat,
Doch wahre Ehre geht den rechten Pfad,
Gleich fern der Schwäche wie dem Überschwang.
Herr ihrer selbst, vertraut sie sich allein
Und liebt die Tugend, nicht den falschen Schein.
Doch führt der Ehre mißverstandner Drang
Nur Zank und Streit und Mörderwut herbei,
Verkehrt zu frechem Dünkel sich die Tugend,
So bleicht ihr Glanz, sie sinkt zur Schurkerei.

An Übertreibung scheitert oft die Jugend;
Der zügellose Jähzorn reißt sie fort,
Sie meuchelt sich um jedes Zufallswort
Und wagt noch dreist mit Ehre sich zu brüsten.
In Tugendzier hüllt sie ihr Nachgelüsten,
Und wahnumnebelt überlegt sie nicht,
Ob sie den Freund, den Gegner niedersticht.
Und doch, sie ist nicht schlecht: im Blutvergießen
Wähnt sie, ihr müsse Ruhm daraus ersprießen.

Die erste Wallung müssen wir verzeihn:
Wer kann des wilden Zornes Meister sein?
Doch wenn ein blödes Vorurteil der Welt
Zwei Freunde grausam in die Schranken stellt,
Daß sie kaltblütig, ohne Haß und Grollen
Wie Feinde aufeinander schlagen sollen —
Muß man barbarisch nicht die Sitte schelten,
Der solche krausen Ehrbegriffe gelten?
Sind's Narren, find's Berserker, die so wild


1 Vgl. Bd. II, S.206f.; III, S. 16.