<50>Des Glaubens Kraft ward nicht durchs Schwert entschieden:
In Blut erst watete das Christentum
Und brachte sich für neue Dogmen um.
Da war's, wo man den ftommen Mordsiahl schliff
Für einen Glauben, den kein Mensch begriff.
In neuem Wahn suchte die Welt ihr Heil,
Dem alten fluchend — keinem zu Gewinn!
Aus Schwäche zweifelt so der blöde Sinn
Des Volkes oder glaubt aus Vorurteil!

Wohin führt all der eitele Verstand,
Der prahlend uns als Herrn der Tiere preist?
Hirnlose Blödheit find' ich allermeist,
Das Denken geht mit Schwärmen Hand in Hand.
Ein Wahn, der schmeichelt, kann uns leicht bestechen;
Die siärlsie Seele zeigt sich voller Schwächen,
Und leider ist die Scheidung niemals rein:
Nur Scharfsinn sieht die eignen Schranken ein.

Den Sinnen haben alles wir zu danken;
Sie sind's, die unfern schwachen Geist ernähren;
Sie geben Halt und Stütze den Gedanken;
Erfahrung reift, verknüpfst Du ihre Lehren.
Läßt alles sich nur durch Vergleich begreifen,
Muß ohne sie der Geist ins Leere schweifen ...
Du, ein Atom im unermeßnen Raum,
Wähnst, daß Unendlichkeit sich Dir erschließt?
Dein Dünkel übers Ziel ins Blaue schießt:
Ein Mensch von Los, bist Du ein Gott im Traum.

Indes der Aar zum Sitz des Donners strebt,
Die bange Schwalbe scheu am Boden klebt.
Sei Du nicht zag, doch auch nicht flatterhaft:
Dir ziemt die Mitte; Vorsicht leite Dich!
Drum tadl' ich nicht den Hang zur Wissenschaft;
Sie ist dem Menschengeist gar förderlich.
Der Weise sei gelehrt, doch Eigensinn
Sei fern von ihm, sein Zweifel stets lebendig.
Sein Denken zügelnd, lerne er beständig