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24. Kapitel

Warum die Fürsien Italiens ihre Herrschaft einbüßten.

Die Sage von Kadmus, der die Zähne des Drachen aussäte, den er erlegt hatte, woraus dann ein Volt von Kriegern aufsproßte, die sich gegenseitig hinmordeten, paßt ganz und gar zum Gegenstand dieses Kapitels. Diese sinnreiche Sage ist ein Sinnbild für der Menschen Ehrbegier, Grausamkeit und Tücke, die ihnen zuletzt stets zum Verderben werden. Derart war der schrankenlose Ehrgeiz der italienischen Fürsten und ihre Grausamkeit, die sie zum Schrecknis des Menschengeschlechts machten; derart waren die Treulosigkeiten und Verrätereien, die sie wechselseitig aneinander begingen, all ihrem Glücke zum Verderb. Man lese die Geschichte Italiens vom Ende des 14. bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts: da gibt's nichts als blutige Greuel, Aufstände, Gewalttaten, Bünde zu gegenseitiger Vernichtung, Thronraub, Meuchelmord, mit einemWorte, einen ungeheuren Knäuel von Untaten; schon die Vorstellung davon macht einen schaudern.

Wer sich, nach dem Vorgang Machiavells, unterfinge. Recht und Menschlichkeit über den Haufen zu rennen, der würde damit den Umsturz der ganzen Welt verschulden: keiner würde sich mehr an dem Seinen genügen lassen, jeder dem Nächsten sein Eigen neiden, und da nichts ihm Halt geböte, wären die abscheulichsten Mittel recht, seine Gier zu sättigen. Hätte der Eine des Nachbarn Besitz verschlungen, flugs käme der Zweite, ihn wieder hinauszuwerfen; keine Sicherheit gäb's für den einzelnen mehr, und das Recht des Stärkeren wäre allein Gesetz auf Erden, eine Sintflut von Verbrechen schüfe aus diesem Erdteil eine wüste und traurige Ode.

Einzig ihr Unrecht und ihre Barbarei brachten die italienischen Fürsten um ihre Staaten, genau wie die Mißlehre Machiavells unrettbar jeden verderben müßte, der töricht genug wäre, ihr zu folgen.

Daß ich nichts unterschlage: auch die Feigheit des einen oder anderen mag zu gleichem Teile mit ihrer Nichtswürdigkeit zu ihrem Untergang mitgeholfen haben; jedenfalls verderbte die Könige von Neapel ihre Schwäche. Aber, davon abgesehen, krame mir einer an Staatsweisheit aus, soviel er will, an Gründen, Systemen, Beispielen, allen sophistischen Spitzfindigkeiten, zuletzt kommt keiner darum herum, die