<71>war der Krieg zu Ende. Die Österreicher hätten ohne Schwertstreich triumphiert. Die gute preußische Infanterie wäre überflüssig und aus allen Vergrößerungsplänen des Königs nichts geworden.

Je näher die Eröffnung des Feldzuges rückte, desto ernster wurde die Lage. Die Spione berichteten einstimmig, daß der Gegner seine Posten verstärkte, daß neue Truppen zu ihm stießen, und daß er eine Überrumpelung der Preußen in ihren Quartieren vorhätte, entweder auf dem Wege über Glatz oder über Zuckmantel. Zur selben Zeit hatten sich 100 österreichische Dragoner und 300 Husaren nach Neiße geworfen. Das allein war schon genug, um einen Teil der feindlichen Absichten zu erkennen, und der König befahl deshalb, die Quartiere enger zu legen. Er hätte auf der Stelle alle Truppen zusammenziehen müssen. Aber es fehlte ihm damals noch an Erfahrung, denn dies war eigentlich sein erster Feldzug. Die Jahreszeit war noch nicht vorgeschritten genug, um die Einschließung von Glogau und Brieg in eine Belagerung zu verwandeln. Es lag indessen ein fertiger Plan vor, Glogau mit Sturm zu nehmen, und so erhielt Erbprinz Leopold von Anhalt Befehl, ihn ungesäumt auszuführen. Am 9. März wurde die Stadt an fünf Stellen zugleich angegriffen und binnen einer Stunde erobert. Selbst die Kavallerie konnte über die Wälle setzen: so verfallen waren die Festungswerke. Kein Haus wurde geplündert, kein Bürger gekränkt. Die preußische Mannszucht zeigte sich in höchstem Glanze. Wallis mit seiner ganzen Besatzung wurden zu Kriegsgefangenen gemacht. Ein neu errichtetes Regiment besetzte den Platz. Die Befestigungswerke wurden sogleich instand gebracht und verbessert, und Erbprinz Leopold stieß mit dem von ihm befehligten Korps bei Schweidnitz zum König.

Doch mit dieser Einnahme von Glogau war noch nicht alles getan. Die Truppen lagen noch zu verstreut, um sich im Notfall zu vereinigen. Besonders die Quartiere in Oberschlesien, in denen Feldmarschall Schwerin stand, erregten höchste Besorgnis. Der König wollte, daß der Feldmarschall sie aufhöbe und sich gegen die Neiße zurückzöge, wo er mit allen Truppen aus Niederschlesien zu ihm stoßen konnte. Schwerin war anderer Meinung. Er schrieb, wenn man ihn verstärken wollte, so verspreche er, seine Quartiere bis zum Frühjahr zu behaupten1. Für diesmal glaubte der König seinem Feldmarschall mehr als sich selbst. Seine Leichtgläubigkeit wäre ihm fast verderblich geworden, und als hätte er Fehler auf Fehler häufen müssen, setzte er sich selbst an die Spitze von acht Schwadronen und neun Bataillonen, um nach Jägerndorf zu marschieren. In Neustadt traf er den Feldmarschall. Des Königs erste Frage war: „Was haben Sie für Nachrichten vom Feinde?“—„Keine,“ war die Antwort, „außer daß die Österreicher längs der Grenze von Ungarn bis nach Braunau in Böhmen zerstreut stehen. Aber ich erwarte jeden Augenblick meinen Spion zurück.“


1 Weit schärfer sagt der König in der Fassung von 1746: „Statt mir zu gehorchen, bat Schwerin um eine Verstärkung, mit der er seine Quartiere bis zum Frühjahr zu behaupten versprach.“