<236> Kavallerielinie gesehen hätten und daß dies, soviel aus der großen Ausdehnung des Staubes zu schließen sei, die ganze feindliche Armee sein müßte. Gleich darauf brachten mehrere Offiziere Meldung, daß österreichische Truppen anfingen, sich der rechten Seite des Lagers gegenüber zu entwickeln. Auf die Nachrichten hin erhielten die Truppen unverzüglich Befehl, ins Gewehr zu treten. Der König ritt selbst zu den Feldwachen, um mit eignen Augen die Lage zu prüfen und seinen Entschluß zu fassen.

Zum besseren Verständnis der Schlacht bei Soor muß man sich das Gelände, auf dem sie stattfand, genau vorstellen. Vor der Schlacht lehnte sich die preußische Armee mit dem rechten Flügel an ein kleines Gehölz, das von einem Grenadierbataillon besetzt war. Das Dorf Burkersdorf lag in der rechten Flanke, auf dem Wege von Prausnitz nach Trautenau. Es war unbesetzt, da es in einem tiefen Grunde liegt und seine Häuser zerstreut stehen. Dieser Grund zog sich von der Front bis zum äußersten Ende des rechten preußischen Flügels und trennte das Lager von einer ziemlich bedeutenden Anhöhe, die sich vom Wege nach Burkersdorf bis nach Prausnitz erstreckt. Auf der Anhöhe waren die Husaren und die Feldwachen postiert. Die Front der Armee war durch das Dorf Staudenz gedeckt. Dahinter lagen Berge und Wälder, die zum Königreich Silva gehörten. Der linke Flügel des kleinen Heeres lehnte sich an eine unzugängliche Schlucht. Zwei Wege führten vom Lager nach Trautenau. Der eine, rechts vom Lager, ließ Burkersdorf links liegen, zog sich durch ein kleines Defilee und dann durch eine Ebene bis nach Trautenau. Der andre lief links vom Heere durch ein Tal voller Defileen und durch das Dorf Rudersdorf und schließlich mehr auf Fußwegen als auf gebahnter Straße nach Trautenau.

Als der König zu seinen Feldwachen kam, sah er, daß die Österreicher sich in Schlachtordnung aufzustellen begannen. Angesichts eines so nahen Feindes hielt er es für verwegener, sich durch die Defileen zurückzuziehen, als den Feind ungeachtet seiner bedeutenden Überlegenheit anzugreifen. Der Prinz von Lothringen hatte mit Bestimmtheit auf den Rückzug des Königs gerechnet und danach seine Dispositionen getroffen. Er wollte die preußische Arrieregarde in ein Gefecht verwickeln, und das wäre ihm sicher geglückt. Doch der König entschloß sich ohne Zaudern zum Angriff. Es war ruhmvoller, nach tapferer Gegenwehr vernichtet zu werden, als auf einem Rückzuge umzukommen, der sicher in schimpfliche Flucht ausgeartet wäre.

Es ist zwar sehr gefährlich, angesichts eines schon in Schlachtordnung stehenden Feindes zu manövrieren. Aber die Preußen kannten keine Bedenken. Sie machten eine Viertelschwenkung rechts, um sich der Front des Gegners parallel zu stellen1, eine mißliche Bewegung, die aber mit erstaunlicher Ordnung und Schnelligkeit ausgeführt wurde. Dazu kam, daß die Preußen den drei Treffen der Österreicher nur ein einziges entgegenzustellen hatten. Außerdem mußten sie unter dem Feuer von


1 Es handelt sich eigentlich um einen Rechtsabmarsch, durch den die preußische Front, die von den Österreichern überflügelt und in der rechten Flanke bedroht war, diesen gegenüber und parallel mit ihrer Schlachtlinie zu stehen kam.