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14. Kapitel

Die Revolution in Schottland nötigt den König von England, Hannover zu verlassen, und verzögert die Friedensverhandlungen. Entdeckung der Absichten der Österreicher und Sachsen gegen Brandenburg. Widerspruch der Ratgeber. Feldzugsplan. Der Fürst von Anhalt zieht sein Heer bei Halle zusammen. Des Königs Abreise nach Schlesien. Zug nach der Lausitz. Marsch des Fürsten von Anhalt auf Meißen. Schlacht bei Kesselsdorf. Einnahme von Dresden. Unterhandlungen und Friedensschluß.

Hätten die Preußen während des Jahres 1745 mit ihren Unterhandlungen soviel Glück gehabt wie mit ihren Waffen, so hätten sie sich wie ihren Feinden unnützes Blutvergießen ersparen können, und der Friede wäre eher zustande gekommen. Allein mehrere unerwartete Zwischenfälle vereitelten des Königs gute Absichten.

Kaum hatte der König von England fast widerwillig den Vertrag zu Hannover unterzeichnet, so brach eine Revolution in Schottland aus und zwang ihn zu schnellerer Rückkehr nach London, als er beabsichtigt hatte. Ein Jüngling, der Sohn des Prätendenten244-1, geht heimlich, nur von einigen Getreuen begleitet, nach Schottland. Er hält sich auf einer Insel an der Nordküste verborgen, damit seine Anhänger Zeit finden, ihre Bauern zu versammeln und zu bewaffnen, die schottischen Bergbewohner aufzuwiegeln und eine Miliz aufzubringen, die wenigstens der Schatten eines Heeres war. Durch diese Diversion entzündet Frankreich einen Bürgerkrieg in England, und ein in Schottland gelandeter Knabe ohne Truppen und Hilfsmittel zwingt König Georg, die englischen Truppen, die Flandern verteidigten, zum Schutze seines gefährdeten Thrones zurückzurufen. Frankreich bewies bei diesem Plane viel Klugheit. Seinem Gelingen dankte es alle Eroberungen, die es seitdem in Flandern und Brabant gemacht hat.

Anfangs verachteten der König von England und seine Minister den jungen Karl Eduard mit seinem schwachen Anhang und die aufkeimende Empörung. In London nannte man das Ganze den Einfall eines jakobitischen Priesters (womit man den Kardinal Tencin meinte) und einen Jugendstreich. Aber der junge Leichtfuß schlug und vertrieb den General Cope, den die Regierung ihm mit allen in der Hast zusammen<245>gerafften Truppen entgegengeworfen hatte (21. September). Diese Niederlage öffnete dem König die Augen und lehrte ihn, daß in einem Staate mit aristokratischer Verfassung ein Funke eine Feuersbrunst entzünden kann. Die schottischen Angelegenheiten lenkten nun die ganze Aufmerksamkeit seines Ministeriums auf sich. Die auswärtigen Unterhandlungen gerieten ins Stocken. Die Bundesgenossen hielten England für so gut wie verloren und achteten es nicht mehr wie früher. Das Mißlichste war, daß der Vertrag von Hannover ruchbar zu werden begann. Die Österreicher und Sachsen hatten geplaudert. Das konnte eine üble Wirkung bei den Franzosen haben, die noch die einzigen Bundesgenossen Preußens waren. Und so wurde denn die Diversion des jungen Karl Eduard in Schottland zu einer Diversion für die Königin von Ungarn. Sie bekam nun freie Hand, alle Kräfte gegen den König von Preußen einzusetzen. Der König von England widerriet ihr zwar dringend das Vorgehen gegen Preußen, aber seine Ratschläge wurden zu Wien jetzt verachtet.

Der König von Preußen, der in Berlin war, bot alles auf, um Geld zur Fortsetzung des Krieges zu bekommen245-1. Die schlesischen Einkünfte waren nicht so eingegangen wie in Friedenszeiten; zwei Drittel davon waren ausgeblieben. Er mußte andre Geldquellen suchen, und die waren schwer zu finden.

Die Verlegenheit war groß. Aber die Gefahr, die dem Staate von den Feinden drohte, war noch weit schrecklicher. Der König erfuhr auf folgende Weise davon. Seit der Vermählung des schwedischen Thronfolgers mit der Prinzessin Ulrike waren die Schweden den Interessen Preußens zum Teil gewogen. Rudenschöld und Wulfvenstierna, die schwedischen Gesandten in Berlin und Dresden, waren dem König auch persönlich zugetan. Der letztere ging im Hause des Grafen Brühl ein und aus; er gehörte zur Spielpartie des Ministers. In seiner Gegenwart war Brühl nicht so vorsichtig, wie es einem Premierminister, dem alle Geheimnisse seines Herrn anvertraut sind, geziemt. Wulfvenstierna kam ohne Mühe hinter den Plan des Wiener und des Dresdener Hofes, das Heer des Prinzen von Lothringen in Sachsen einrücken zu lassen, es mit den sächsischen Truppen zu vereinigen und dann während des Winters geradenwegs auf Berlin loszumarschieren. Er teilte seine Entdeckung Rudenschöld mit. Durch ihn erfuhr der König am 11. November davon, gerade an dem Tage, wo man die Trophäen von Hohenfriedberg und Soor in der Garnisonkirche aufhängte. Rudenschöld teilte des weiteren mit, das Projekt sei von Brühl entworfen, von Bartenstein verbessert, von Rutowski erweitert und durch Saul245-2 nach Frankfurt an die Königin von Ungarn geschickt worden. Brühl sei überzeugt, daß man Preußen durch diesen Schlag zermalmen würde. In der sicheren Hoffnung darauf habe der Wiener und Dresdener Hof es abgelehnt, den Friedensplänen des Königs von England beizutreten. Man hätte sich sogar schon in die Beute geteilt, und zwar sollte der König von Polen die Bistümer Mag<246>deburg und Halberstadt nebst Halle und dessen Gebiet erhalten, die Kaiserin aber Schlesien sich wiedernehmen. Schließlich entdeckte Rudenschöld dem König auch, weshalb Brühl solchen Haß gegen ihn hegte. Er war erbittert über ein vom König veröffentlichtes Manifest246-1, insbesondere über folgende Stelle:

„Während so viele Greuel in Schlesien verübt wurden und es dem Himmel, dem gerechten Vergelter aller Verbrechen, gefiel, sie so auffällig, augenscheinlich und streng zu strafen, behauptete man in Dresden kaltblütig, Sachsen stände nicht im Kriege mit Preußen und der Herzog von Weißenfels hätte mit seinen Truppen nicht die Erbländer des Königs angegriffen, sondern nur seine neuen Erwerbungen. Das Dresdener Ministerium gefiel sich in solchen Sophistereien, gleich als wären kleine scholastische Spitzfindigkeiten und kindische Wortklaubereien von Haarspaltern hinreichende Gründe zur Rechtfertigung seines illegitimen Vorgehens. Nichts ist leichter als die Widerlegung usw.“

Ebenso hatte sich Brühl über die folgende Stelle erbost: „Es scheint, daß die Geduld und Mäßigung des Königs nun ein Ende hatten. Aber Seine Majestät hatte Mitleid mit einem benachbarten Volke, das an den ihm zugefügten Kränkungen unschuldig war; und da er das Elend und die unvermeidlichen Verheerungen des Krieges kannte, so schob er die gerechte Vollstreckung seiner Vergeltung noch hinaus, um mit dem Dresdener Hofe neue Wege zum gütlichen Vergleich anzubahnen. Da er jedoch abermals eine völlige Zurückweisung erfuhr, so ist zu vermuten, daß das Vertrauen des Königs von Polen durch die schändliche Treulosigkeit seiner Minister gemißbraucht worden ist. Die beweglichsten Vorstellungen und die vorteilhaftesten Anerbietungen sind ganz umsonst verschwendet worden.“

Man muß zugeben, daß Brühl in diesen Stellen heftig angegriffen wurde. Ein Irrtum war ausgeschlossen; denn die Minister, die man im Plural nannte, waren mehr seine Untergebenen als Gleichgestellte.

Rudenschölds Bericht klang um so wahrscheinlicher, als der König den Charakter des Grafen Brühl und den hochfahrenden Sinn der Kaiserin-Königin kannte. War das sächsische Projekt aber gefahrvoll für Preußen, so war es für Sachsen nicht minder gewagt. Doch die Leidenschaften, und besonders die Rachsucht, machen die Menschen so blind, daß sie in der Hoffnung, sich Befriedigung zu verschaffen, alles aufs Spiel setzen.

Die heftige Krisis verlangte ein schleuniges Gegenmittel. Das Heer des Fürsten von Anhalt erhielt Befehl, sich unverzüglich bei Halle zusammenzuziehen. Da ein entscheidender Entschluß gefaßt werden mußte, so glaubte der König, seinem Ansehen nichts zu vergeben, wenn er Männer von Erfahrung zu Rate zog und das Klügste, was ihm vorgeschlagen wurde, befolgte. Wer für das Wohl eines Volkes zu sorgen hat, darf nichts verabsäumen, was dazu beitragen kann.

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Dem Fürsten von Anhalt eröffnete der König Brühls Plan zuerst. Der Fürst gehörte zu jenem selbstgefälligen Menschenschlag, der die eigne Ansicht stets eigensinnig verficht, aber voller Widerspruch gegen andre Meinungen ist. Er bemitleidete den König geradezu wegen seiner Leichtgläubigkeit. Er hielt es für unnatürlich, daß ein Minister des Königs von Polen, ein geborener Sachse, aus reinem Mutwillen vier Heere in das Land seines Herrn ziehen und es dem unausbleiblichen Untergang aussetzen könnte. Der König zeigte ihm einen Brief, aus dem hervorging, daß General Grünne binnen zwei Tagen mit seinem Heere in Gera eintreffen würde, um bei Leipzig zu den Sachsen zu stoßen. Er legte ihm verschiedene Briefe aus Schlesien vor, die sämtlich bestätigten, daß die Sachsen den Prinzen von Lothringen mit seinen Truppen binnen kurzem in der Lausitz erwarteten und daß sie große Magazine für ihn errichteten. Schließlich sagte der König dem Fürsten, daß er ihm den Oberbefehl über das bei Halle zusammengezogene Heer anvertraute. Der Fürst von Anhalt verharrte in seinem Unglauben, aber in seinen Zügen war doch Genugtuung darüber zu lesen, daß ihm Gelegenheit zur Verjüngung seines alten Ruhmes geboten werden sollte.

Graf Podewils trat einen Augenblick später ein. Er zeigte sich ebenso ungläubig wie der Fürst von Anhalt, aber bei ihm war es nicht Widerspruchsgeist, sondern Furchtsamkeit. Podewils hatte einiges Kapital zu Leipzig angelegt und fürchtete es zu verlieren. Obwohl unbestechlich, wollte er bloß aus Schwäche nichts von einem Bruch mit den Sachsen wissen. Der Gedanke war ihm unheimlich, und da er alle andern für ebenso furchtsam hielt wie sich selbst, so traute er Brühl keinen verwegenen Plan zu. Kurz, bei diesen schönen Beratungen stritt man sich über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Sachverhalts, aber niemand dachte daran, der heranziehenden Gefahr vorzubeugen. Der König mußte sein ganzes Ansehen aufbieten, damit der Fürst von Anhalt die erforderlichen Maßregeln zur Verpflegung des Heeres bei Halle traf, und damit Podewils die Gesandten im Ausland anwies, das Komplott der Sachsen und des Königs Entschluß, ihnen zuvorzukommen, den fremden Höfen mitzuteilen.

Doch es schien, als wäre die Lage noch nicht verworren genug gewesen. Neue Schwierigkeiten traten hinzu. Der russische Gesandte247-1 erklärte dem König im Namen der Kaiserin, sie hoffe, er werde von einem Angriff auf das Kurfürstentum Sachsen abstehen, da ein solcher Schritt sie verpflichten würde, dem König von Polen das Kontingent zu schicken, das sie ihm kraft ihres Bündnisses schuldete. Der König ließ ihr erwidern, Seine Majestät wünsche mit allen Nachbarn in Frieden zu leben. Wenn aber jemand gegen seine Staaten verderbliche Pläne ausbrütete, so sollte keine Macht in Europa ihn hindern, sich zu verteidigen und seine Feinde zu vernichten.

Inzwischen bestätigten alle Briefe aus Sachsen und Schlesien Rudenschölds Nachrichten. Um von den Bewegungen des Prinzen von Lothringen besser unterrichtet zu<248> sein, schickte der König den General Winterfeldt mit einem gemischten Korps, Kavallerie, Infanterie und Husaren, gegen Friedland an der böhmischen und Lausitzer Grenze, mit dem Auftrage, falls der Prinz von Lothringen in die Lausitz einrückte, ihn zu begleiten und am Queis entlang zu ziehen, der an der schlesischen Grenze fließt. Der König beabsichtigte, die Sachsen von zwei Seiten zugleich zu überfallen. Und zwar sollte der Fürst von Anhalt seinen Angriff auf Leipzig, Wurzen und Torgau richten; das Heer in Schlesien aber sollte gegen den Prinzen von Lothringen vorgehen, ihn wenn möglich in seinen Kantonnements in der Lausitz überraschen oder ihm eine Schlacht liefern und ihn nach Böhmen zurücktreiben.

Während ganz Berlin in Bestürzung war, trug der König den größtmöglichen Gleichmut zur Schau, um das Publikum zu beruhigen. Sein Entschluß stand fest. Die Erklärung der Russen beunruhigte ihn nicht, denn Rußland konnte erst in sechs Monaten ins Feld rücken, und das war mehr Zeit als nötig, um das Schicksal Preußens und Sachsens zu entscheiden. Die Lage war so verzweifelt, daß man siegen oder untergehen mußte. Der König fürchtete die Ungläubigkeil und die Langsamkeit des Fürsten von Anhalt. Auch besorgte er, das 7 000 Mann starke Grünnesche Korps möchte geradenwegs auf Berlin marschieren. Um nach Möglichkeit für die Sicherung der Hauptstadt zu sorgen, ließ der König General Hacke mit einer Besatzung von 5 000 Mann zurück. Da aber Berlin einen Umfang von zwei Meilen hat, so war eine Verteidigung unmöglich. Deshalb sollte Hacke dem Feinde entgegengehen und ihm eine Schlacht liefern, bevor er sich der Stadt näherte. Die Maßregel war allerdings unzureichend, doch es fehlten die Mittel zu etwas Besserem. Man traf für den Notfall Vorkehrungen, um die königliche Familie, die Archive, die Kanzleien und die obersten Behörden nach Stettin zu bringen. Dort konnten sie Zuflucht finden, wenn das Waffenglück die Preußen verließ. Der König schrieb noch einen eindringlichen Brief an den König von Frankreich, schilderte ihm seine Lage mit lebhaften Farben und bat ihn dringend um die vertragsmäßig ausbedungene Hilfe. Allerdings erwartete er von diesem Briefe nichts, er hatte ihn nur der Form halber geschrieben.

Es ist schwer zu erraten, warum der Fürst von Anhalt dem König abzuraten suchte, den Oberbefehl des schlesischen Heeres selbst zu übernehmen. Der Fürst trieb seine lästigen Vorstellungen so weit, daß der König ihm schließlich erklärte, er sei entschlossen, sich an die Spitze seiner Truppen zu stellen. Wenn der Fürst von Anhalt selbst eine Armee hielte, so möchte er den Oberbefehl geben, wem er wollte. Hierauf nötigte er ihn, nach Halle zu gehen. Der König reiste am 16. November nach Schlesien ab und hinterließ Berlin in Bestürzung, die Sachsen in Hoffnung und ganz Europa in Spannung über den Ausgang des Winterfeldzuges.

Am 17. traf der König in Liegnitz ein. Dort fand er den Erbprinzen Leopold und den General Goltz, der die Aufsicht über das Proviantwesen hatte. Aus Briefen von Winterfeldt, die zugleich eintrafen, ging hervor, daß 6 000 Sachsen als Avantgarde des Prinzen von Lothringen über Zittau in die Lausitz eingerückt waren und daß die<249> österreichischen Truppen im Begriff standen, ihnen zu folgen. Erbprinz Leopold stimmte dem Operationsplan des Königs vollkommen bei. Die Armee in Schlesien hatte eine Effektivstärke von 30 000 Mann, lauter alte, ausgesuchte, sieggewohnte Soldaten, jetzt durch vierwöchentliche Ruhe gestärkt und zu jeder Tat entschlossen. Indessen waren noch einige Vorsichtsmaßregeln zu treffen, bevor man aus Schlesien aufbrach. Man konnte das bisher noch unbefestigte Schweidnitz mit seinen Magazinen nicht ganz entblößt lassen. Deshalb sollte Nassau aus Oberschlesien nach Landeshut rücken, um dem Korps von Hohen-Ems entgegenzutreten, der von seinem Hofe Befehl zu einem Einfall nach Niederschlesien in die Gegend von Hirschberg hatte.

Des Königs Lage ähnelte der vor der Schlacht von Hohenfriedberg. Er brauchte die gleiche Kriegslist, um den Feind in die nämliche Falle zu locken. Er tat, als ob er die sächsische Grenze gewissenhaft respektierte und nur Krossen vor dem Prinzen von Lothringen erreichen wollte. Um das noch glaubhafter zu machen, ließ Winterfeldt einige Husaren, die in der Lausitz Ausschreitungen begangen hatten, bestrafen. Man stellte Wege nach Krossen her und errichtete an ihnen Magazine, sodaß die Bauern (die man immer zuerst täuschen muß) den Preußen keinerlei andre Absichten zutrauten. Winterfeldt besetzte Naumburg am Queis und sprengte aus, er stehe dort nur, um den Feind auf seinem Marsche längs des Flusses zu begleiten und ihm in Krossen zuvorzukommen.

Der Prinz von Lothringen glaubte fest, daß die Preußen sich in ihren Winterquartieren ausruhten, daß ihre Truppen mutlos seien und daß er nur ein Beobachtungskorps von 3 000 Mann zu fürchten habe. Dank dieser schmeichelhaften Meinung wiegte er sich in gefährlicher Sicherheit, und die nämliche Kriegslist gelang zum zweiten Male. Es ist eine alte Wahrheit: Mißtrauen ist die Mutter der Sicherheit249-1. Ein kluger Feldherr soll den Feind nie unterschätzen, sondern stets auf dessen Schritte achten und sie bei allen seinen Operationen zum Leitstern nehmen. Um den Österreichern die Bewegungen des preußischen Heeres nach Möglichkeit zu verbergen, ließ der König drei Flüsse, die vor ihm lagen, besetzen: den Queis durch Winterfeldt, die Lausitzer Neiße durch leichte Truppen und den Bober durch andre Detachements. Alles, was aus der Lausitz kam, hatte freien Eingang, aber niemand durfte über die drei Flüsse nach Sachsen, sodaß man selbst wohl Nachrichten bekam, sie dem Feind aber abschnitt.

Auf Grund der Nachrichten vom Feinde rückte die Armee bald darauf vor und kantonnierte am Queis. Der König nahm sein Hauptquartier zu Hohlstein (22. November), nur eine Meile von Naumburg entfernt. Er ließ vier Brücken über den Fluß schlagen, um ihn in vier Kolonnen rasch überschreiten zu können. Seine Absicht war, sich von den Kaiserlichen überholen zu lassen, ihnen dann in den Rücken zu fallen, ihre Zufuhr abzuschneiden und sie so zur Annahme einer Schlacht oder zu schimpflicher Flucht nach der böhmischen Grenze zu zwingen. Allerdings durfte man bei Ausführung<250> dieses Planes keine Streifkorps in die Lausitz schicken, konnte also nur durch Spione Nachrichten bekommen, und die sind nie so zuverlässig wie die von den Truppen gebrachten. Zudem war das Unternehmen so wichtig, daß man das Sichere dem Glänzenden vorziehen mußte.

Winterfeldt, der des Königs Projekt kannte, meldete ihm (22. November), daß die Österreicher heranrückten, sich aber in ihren Quartieren stark ausbreiteten, sodaß ihr linker Flügel bei Lauban und ihr rechter bei Görlitz stände. Am nächsten Tage würden sie nach Aussage seiner Spione weitermarschieren, deshalb hielte er den Augenblick zum Handeln für gekommen. Auf die Meldung hin brach das preußische Heer am 23. November in vier Kolonnen auf. Jede Kolonne wurde von einem Generalleutnant geführt. Als Vereinigungspunkt wurde Naumburg bestimmt. Dort erteilte der König die weiteren Dispositionen. An jenem Morgen erhob sich ein dichter Nebel, der dem Feinde jede Bewegung der Armee verbarg.

Bei Naumburg führt eine steinerne Brücke über den Queis. Daneben waren zwei Furten für die Kavallerie angelegt. Man schlug rasch noch eine Pontonbrücke für die zweite Infanteriekolonne. Nachdem alles fix und fertig war, kamen die Generale, die Führer der vier Kolonnen, in Naumburg zusammen. Sie empfingen Befehl, sofort über den Queis zu gehen. Alle Kolonnen erhielten Wegweiser nach Katholisch-Hennersdorf und den Auftrag, sich gegenseitig zu unterstützen, sobald eine von ihnen auf die Quartiere des Feindes stieße und zur Durchführung ihrer Operationen Kavallerie oder Infanterie brauchte. Denn es fehlte an genauen Nachrichten über die Standorte des Prinzen von Lothringen, sodaß bestimmte Anordnungen nicht getroffen werden konnten.

Sobald die Kolonnen über den Queis gingen, sank der Nebel. Die beiden Flügelkolonnen bestanden aus Kavallerie, die beiden mittleren aus Infanterie. Jeder Kolonne ritt ein Husarenregiment zur Aufklärung voraus, um den Generalen beizeiten zu melden, was sie vom Feinde vor sich hätten. Der König ritt an der Spitze der ersten Infanteriekolonne. Ihr Wegweiser war ein Müllerbursche, der sie in einen Sumpf führte. Im Sommer diente der Sumpf als Viehweide, aber im Spätherbst war er unpassierbar. Mit Mühe arbeitete man sich wieder heraus, und nach vielem Suchen fand man endlich einen Weg an einem Walde entlang, auf dem man weiterkam.

Während des Vormarsches ritten die Zietenhusaren auf Katholisch-Hennersdorf und brachten die Meldung, das Dorf sei von zwei Bataillonen und sechs Schwadronen Sachsen besetzt. Zieten ließ sagen, er werde den Feind so lange hinhalten, bis die Armee heran wäre. Sofort wurden zwei Kürassierregimenter aus der vierten, nächsten Kolonne vorgeschickt. Rochow führte die Regimenter Geßler und Bornstedt heran. Polentz wurde mit drei Grenadierbataillonen zu ihrer Unterstützung beordert. Der sogenannte Sumpf, den man für unpassierbar hielt, hatte die Sachsen getäuscht. Sie hatten auf dieser Seite keine Wachen ausgestellt, und so war es möglich, sie zu überfallen. Das Dorf Katholisch-Hennersdorf ist eine halbe Meile lang. Das Treffen<251> fing um 4 Uhr auf der Ostseite an und endete um 6 Uhr auf der Westseite. Polentz fiel den Sachsen in den Rücken, Rochow griff sie in der Front an und Winterfeldt in der Flanke. Die Regimenter Sachsen-Gotha, Dallwitz und der größte Teil des Regiments O'Byrn wurden gefangen genommen, mit ihnen General Buchner, Oberst O'Byrn und dreißig Offiziere. Insgesamt verloren die Sachsen 6 Kanonen, 1 100 Mann, 2 Paar Pauken, 2 Standarten und 3 Fahnen. Ihre Bagage fiel den Husaren zu, die die kleine Belohnung wohl verdient hatten.

Die Armee bezog ihr Lager bei Katholisch-Hennersdorf. Den Truppen wurde gesagt, wenn man sie in den nächsten Tagen etwas strapazieren müßte, so geschähe das nur, um ihnen Schlachten zu ersparen. Obgleich die Hälfte der Armee ohne Zelte war, ja mehrere Regimenter nur leinene Beinkleider hatten, so fügten sie sich doch in alles, was, wie sie einsahen, geschehen mußte. Ein so glücklicher Anfang verhieß den Preußen, daß der Prinz von Lothringen vor ihnen nicht standhalten würde. Die Bestürzung, die durch den Überfall auf die sächsischen Quartiere bei den Österreichern entstanden war, mußte aber sofort ausgenutzt werden. Damit sie gar nicht zur Besinnung kamen, beschloß man, ihnen scharf nachzusetzen.

Am folgenden Tage, dem 24., war das Wetter so trübe und der Nebel so dicht, daß man nur vorsichtig weiterrücken durfte. Die Preußen lagerten hinter dem Dorfe Leopoldshain. Zur größeren Sicherheit wurden 15 Bataillone in das Dorf gelegt. Die Späher meldeten, die Österreicher seien überall auf dem Rückzuge. Auf den Wegen sähe man nichts als ausgespannte Wagen, umgestürztes Gepäck, im Stich gelassene Pulverwagen. Kurz, alles bezeugte ihre Flucht. Die sehr zahlreichen Überläufer sagten aus, ihre Truppen seien in völliger Auflösung, da man ihnen in den beiden letzten Tagen zwanzig verschiedene widersprechende Befehle gegeben hätte.

Am 25. früh traf die Meldung ein, der Prinz von Lothringen hatte sein Heer bei Schönberg, eine Meile vom preußischen Lager, zusammengezogen. Der König schwankte keinen Augenblick. Der Tag war heiter. Die Armee setzte sich sofort in Marsch, um den Feind anzugreifen. Als sie sich Görlitz näherte, meldeten die Streifkorps, der Feind sei in aller Stille nach Zittau abgezogen. Die preußische Armee lagerte bei Görlitz, dessen Besatzung kapitulierte. 60 Offiziere und 250 Mann ergaben sich kriegsgefangen. Unter den Offizieren waren Kranke sowie Verwundete von Hennersdorf, die sich nach Görlitz gerettet hatten. In der Stadt fand man ein Magazin, eine erwünschte Beute, die das Unternehmen nicht wenig erleichterte.

Am 26. kam die Armee bis zum Kloster Radmeritz. Dort wurden Kantonnementsquartiere bezogen. Bonin und Winterfeldt erhielten den Auftrag, mit 70 Schwadronen und 10 Bataillonen an dem Flüßchen Neiße entlangzuziehen. Dadurch drohte man dem Feinde, ihn von Zittau abzuschneiden. Der Prinz von Lothringen sah sich gezwungen, sein Lager bei Ostritz zu verlassen, um Zittau vor den Preußen zu erreichen. Bei seinem hastigen Rückzuge machten die preußischen Husaren beträchtliche Beute in der österreichischen Bagage.

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Am 27. rückte der König nach Ostritz und schickte Winterfeldt nach Zittau. Die Nachhut des Prinzen von Lothringen zog gerade durch die Stadt. Winterfeldt griff sie an und machte 350 Gefangene. Der Feind verlor sämtliche Bagage und steckte die Wagen selbst in Brand, um sie nicht in die Hände seiner Verfolger fallen zu lassen.

Die ganze Unternehmung dauerte nur fünf Tage. Die Österreicher verloren dabei mehrere Magazine, ihre ganze Bagage und kehrten um 5 000 Mann schwächer nach Böhmen zurück.

Der König ließ 10 Bataillone und 20 Schwadronen in der Gegend von Zittau zur Deckung des wichtigen Postens. Winterfeldt kehrte mit 5 Bataillonen und 5 Schwadronen nach Schlesien zurück, um Hohen-Ems in die Flanke zu fallen, indes Nassau ihn in der Front angriff. Die Operation gelang so gut, daß in kaum 24 Stunden kein Österreicher mehr in Schlesien war. Die Philipert-Dragoner wurden von den Wartenberg-Husaren geschlagen252-1. Hohen-Ems gab dem Prinzen von Lothringen nichts nach, weder in der Hast seines Rückzuges, noch im Verlust seiner Bagage.

Die preußischen Truppen in der Lausitz bezogen Erholungsquartiere bei Görlitz, ausgenommen Lehwaldt, der mit 10 Bataillonen und 20 Schwadronen nach Bautzen detachiert wurde. Von da sollte er gegen die Elbe vorstoßen und durch einen Scheinangriff auf Dresden die Operationen des Fürsten von Anhalt unterstützen. Oberst Brandeis, der mit zwei Bataillonen in Krossen geblieben war, nahm Guben ein, wo er ein großes sächsisches Magazin fand.

Während des Zuges in die Lausitz blieben alle Nachrichten vom Fürsten von Anhalt aus. Dagegen sprengten die Sachsen das Gerücht aus, Grünne sei bei Torgau über die Elbe gegangen und rücke auf Berlin. Dieses Gerücht machte dem König schon Sorge, als ein Offizier aus Halle mit der Meldung anlangte, der Fürst von Anhalt habe am 30. November seinen Marsch angetreten, um die Sachsen in ihren Verschanzungen bei Leipzig anzugreifen, habe die Stellung aber verlassen gefunden. Leipzig habe sich ergeben, und die Sachsen seien nach Dresden geflohen. Der König schickte den Offizier umgehend zurück, um den Fürsten von Anhalt zum sofortigen Marsch auf Meißen zu drängen und ihn wissen zu lassen, daß das Lehwaldtsche Korps nur auf seine Ankunft warte, um zu ihm zu stoßen. Als man in Dresden erfuhr, wie schnell der Prinz von Lothringen abgefertigt war, entstand große Bestürzung. Das Grünnesche Korps erhielt augenblicklich Befehl zur Umkehr. Auch Graf Rutowski wurde mit seiner Armee zur Deckung der Hauptstadt zurückbeordert.

Während der Fürst von Anhalt auf Meißen vorrückte, blieb das Heer des Königs in abwartender Stellung. Der König benutzte die Frist zur Wiederanknüpfung der so oft abgebrochenen Verhandlungen mit Sachsen, deren Abschluß bei der jetzigen Lage entfernter denn je schien. In dieser Absicht schrieb der König einen Brief an Villiers, den englischen Gesandten am Dresdener Hofe, worin er erklärte, trotz der<253> offenen Erbitterung, die seine Feinde auch jetzt wieder gegen ihn zeigten, und trotz der Erfolge, die er eben erst über sie errungen hätte, bliebe er doch bei seinem einmal gefaßten Vorsatz und zöge Mäßigung der Anwendung von Gewalt vor. Deshalb böte er dem König von Polen den Frieden auf der Grundlage des Vertrages von Hannover an und wolle alles Vergangene vergessen.

Der König hatte seinen Schritt nach reiflicher Überlegung getan. Man kann in der Tat nur so lange Friedensvorschläge machen, als das Waffenglück mit Einem ist. Ist man selbst der Unterlegene, so findet man den Feind jeder Versöhnung abgeneigt. Kam der Friede zustande, so sparte man das Blut vieler tapferer Offiziere, die bereit waren, es für Preußens Sieg zu vergießen. Der König sagte sich, daß der Krieg in Sachsen trotz seines günstigen Verlaufes doch eine Feuersbrunst im Hause des Nachbars war, die auf das eigne überspringen konnte. Zudem mußte der Krieg sobald wie möglich beendet werden, damit sich Rußland nicht einmischen konnte. Von Frankreich war keine Hilfe zu erwarten. Setzte der König den Kriegswirren nicht im Laufe des Winters ein Ziel, so stand zu befürchten, daß die Königin von Ungarn ihre am Rhein überflüssig gewordenen Truppen im nächsten Frühjahr zurückberiefe und sie mit der böhmischen Armee vereinigte. Dadurch hätte sie ein großes Übergewicht erlangt. Schließlich war der Vorwand des Krieges seit dem Tode Karls VII. hinfällig geworden. Dazu kam noch, daß durch die schlechte Ernte des Jahres das Korn knapp und teuer und daß die Finanzen völlig erschöpft waren. Das einzige Mittel gegen all diese Mißstände war der Friede.

Man wundert sich vielleicht, daß der König so mäßige Friedensbedingungen stellte. Aber man muß bedenken, daß er sich in der Zwangslage befand, alles, was er tat, genau zu berechnen und keine leichtsinnigen Wagnisse zu unternehmen. Durch das Friedensangebot betätigte er die uneigennützigen Grundsätze, die er in den Manifesten von 1744 und 1745 aufgestellt hatte253-1. Nötigte er dem König von Polen jetzt aber ein Stück Landes ab, so verkettete er die sächsischen Interessen mit den österreichischen und stiftete einen Bund, den er nach den Regeln der Staatskunst zerstören mußte. Ferner war Europa schon eifersüchtig genug auf die Erwerbung Schlesiens. Die Erinnerung daran mußte also verwischt, aber nicht aufgefrischt werden. Schließlich war der einfachste Weg zum Frieden die Wiederherstellung des Besitzstandes vor dem letzten Kriege. Die vorgeschlagenen Bedingungen waren weder hart noch drückend. Sie konnten den Frieden um so dauerhafter machen, als kein Same von Erbitterung und Eifersucht zurückblieb.

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Das waren die Grundsätze, nach denen der König handelte. Wie man im folgenden sehen wird, ist er trotz seiner Waffenerfolge nie von ihnen abgewichen. Wer hätte aber gezweifelt, daß der König von Polen so billige Vorschläge aufs beste aufnehmen würde? Trotzdem geschah gerade das Gegenteil. Graf Brühl hatte nichts als seinen Plan im Kopfe. Aus dem Grunde hatte er den Prinzen von Lothringen nach Sachsen zurückkehren lassen, um die Sachsen unter Rutowski und das Grünnesche Korps mit dem österreichischen Heere zu vereinigen. Im Vollgefühl dieser Kriegsmacht beschloß er, das Schicksal seines Königs und die Wohlfahrt seines Landes auf das Glücksspiel einer Schlacht zu setzen. Derart opferte er alles, was der Mehrzahl der Menschen heilig ist, seiner Privatrache.

Villiers erschien am Dresdener Hofe mit der Miene eines Mannes, der eine gute Nachricht bringt. Er bat um Audienz, unterbreitete die ihm aufgetragenen Vorschläge und redete dem König August ins Gewissen, das ihm und seinem Lande drohende Unheil abzuwenden. Der König erwiderte ihm trocken, er werde sehen, was zu tun sei. Brühl sprach sich dem englischen Gesandten gegenüber deutlicher aus. Er prahlte mit der Hilfe, die er von den Russen erwartete, mit Sachsens großen Hilfsquellen und schloß mit den Worten, er werde Herrn Villiers aus Hochachtung für den König von England eine Denkschrift mit den Bedingungen zustellen lassen, unter denen sich der König von Polen zum Frieden verstehen könnte.

Am Tage darauf, dem 1. Dezember, reiste König August nach Prag und die beiden ältesten Prinzen254-1 nach Nürnberg. Welch ein Gemisch von Hochmut und Schwäche! Nach der Abreise des Hofes übergab einer der sächsischen Räte dem englischen Gesandten eine Denkschrift folgenden Inhalts. Der König von Polen wolle dem Vertrage von Hannover beitreten, wenn die Preußen sogleich alle Feindseligkeiten einstellten, keine Kontributionen mehr einforderten, die bereits erhobenen ersetzten, Sachsen unverzüglich räumten und allen angerichteten Schaden, auch den, der durch den Rückmarsch der Truppen noch entstehen würde, bezahlten. Villlers hegte keine Hoffnung auf das Zustandekommen eines Friedens, dessen Bedingungen die Sachsen so hochfahrend vorschrieben. Er sandte die Denkschrift an den König von Preußen mit der Versicherung der freundschaftlichen Gesinnung seines Herrn und mit dem Zusatz, daß er für die Erklärung der sächsischen Minister nicht die Garantie übernähme254-2. Damit war genug gesagt.

Zugleich erfuhr der König, daß der Prinz von Lothringen bei Leitmeritz über die Elbe gegangen sei und auf Dresden marschierte. Kombinierte man die Bewegung der österreichischen Armee mit der schnellen Flucht des Königs von Polen und seiner Söhne, so war es klar, daß Brühl den Frieden nicht wollte. Um die Pläne so er<255>bitterter Feinde besser vereiteln zu können, verlegte der König sein Hauptquartier nach Bautzen, und Lehwaldt ging nach Königsbrück, eine Meile von Meißen.

Unterdes antwortete der König Villiers, er habe den Grafen Podewils zu sich beschieden, um die Anbahnung des Friedens nach Möglichkeit zu erleichtern. Wie er hoffe, werde auch der König von Polen einen seiner Minister abschicken, um die letzte Hand an das Friedenswerk zu legen und durch Unterzeichnung der Präliminarien den Feindseligkeiten ein Ende zu machen. Was den Artikel der Vergütung für Fourage und Kontributionen beträfe, so könne der König für den Schaden, den die sächsischen Truppen in Schlesien angerichtet hätten, ebensogut Ersatz fordern. Das beste aber wäre wohl, den Artikel ganz zu streichen. Der König drückte schließlich die Hoffnung aus, daß Rußland und Holland die Garantie für den Frieden übernehmen würden. Die Abreise des Königs von Polen empfände er als Unfreundlichkeit, ja als Kränkung. Er sähe darin kein günstiges Vorzeichen für den Gang der Verhandlungen (5. Dezember). Brühl hatte seinen Herrn nach Prag gebracht, um ihn völlig in seiner Gewalt zu haben. Dort sah König August nichts von dem Elend des Krieges und hörte die Klagen seines Landes nicht. Vielmehr sollten ihn die Österreicher in kriegerischer Stimmung erhalten. Derart opferte Brühl alles und jedes den Interessen der Königin von Ungarn.

Der König von Preußen sah ein, daß die Unterhandlungen nur durch einen Sieg zum glücklichen Abschluß zu bringen waren. Es wurde höchste Zeit, die Operationen im Felde wieder aufzunehmen. Die Lausitz war erobert. Alles hing jetzt vom Vorgehen des Fürsten von Anhalt ab. Seit acht Tagen hatte der König keine Briefe von ihm erhalten. Die Ungewißheit war um so peinlicher, als kein Augenblick zu gemeinschaftlichem Handeln zu verlieren war. Die Brücke bei Meißen war von größter Bedeutung. Man mußte sich ihrer bemächtigen, bevor der Feind an ihre Zerstörung dachte. Aber Lehwaldt konnte die Stadt, die am linken Elbufer liegt, nur mit Unterstützung des Fürsten von Anhalt einnehmen. Da alle Nachrichten von ihm ausblieben, so berechnete der König die Marschtage des Fürsten und fand, daß er am 8. oder spätestens am 9. Dezember in Meißen einzutreffen vermöchte. Lehwaldt rückte am 8. nach Meißen, aber wer nicht kam, war der Fürst von Anhalt, und da der Fluß mit Eis ging, so konnte Lehwaldt keine Schiffsbrücke schlagen. Alle diese Zwischenfälle verzögerten den Gang der Operationen.

Inzwischen schickte Villiers aus Prag einen Kurier an den König mit der Nachricht, daß der König von Polen keinen Minister mit Vollmachten senden werde, sondern im Gegenteil zahlreiche Hilfstruppen von seinen Bundesgenossen erwarte. Die würden im Kurfürstentum Brandenburg die Verwüstungen vergelten, die die Preußen in Sachsen angeblich begangen hatten. Der König hätte Dresden verlassen müssen, weil er besorgt hätte, im offenen Kriege noch weniger geschont zu werden als in den Manifesten, die dem Kriege vorangingen. Wie man sieht, traf das letztere weit mehr auf Brühl zu als auf König August.

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Der König von Preußen antwortete Villiers, er bewundere den Stolz und die Unbeugsamkeit des Königs von Polen. Er hege gar keinen Haß gegen ihn, aber man könne ein Heer von 80 000 Mann unmöglich ernähren, ohne daß das Land darunter zu leiden hätte. Wäre seinen Feinden das Glück so günstig gewesen wie ihm selbst, so würden die Sachsen in Brandenburg nicht so viel Mäßigung gezeigt haben, wie der König in Sachsen. Vielmehr würden sie alles geplündert, verbrannt und zerstört haben, wie es Beispiele aus Schlesien bewiesen. Da der König von Polen aber durchaus Krieg haben wolle, so solle ihm kräftiger denn je damit gedient werden. Am 9. trafen endlich Nachrichten vom Fürsten von Anhalt aus Torgau ein. Der Fürst meldete, er habe in Torgau 200 Mann gefangen genommen. Die Langsamkeit seines Marsches schob er auf die Schwierigkeit, Proviant und Wagen herbeizuschaffen. Das war aber nur ein Vorwand zur Entschuldigung seiner Saumseligkeit. Er hatte neun Tage zu neun Meilen gebraucht. Sein Verhalten war um so weniger zu entschuldigen, als er in Halle über ein Magazin verfügte und in Leipzig ein feindliches Magazin weggenommen hatte. Außerdem hatte er keinen Feind vor sich, war also Herr der Fourage, der Lebensmittel, der Pferde und der Lieferungen des platten Landes. Nur sein Widerspruchsgeist und sein Alter waren an seiner Langsamkeit schuld. Der Fürst hätte es nicht ungern gesehen, wenn der Zug nach der Lausitz für einen gut abgelaufenen Jugendstreich gegolten hätte. In all seinem Tun und Lassen kehrte er stets den bedächtigen und weisheitsvollen Mann von gereifter Erfahrung heraus, und zwar in absichtlichem Kontrast gegen das Feuer, womit der König alles ausführte.

Der Fürst von Anhalt erntete für seine Langsamkeit keine Lobsprüche. Der König schrieb ihm, seine Saumseligkeit verstieße sehr gegen die Interessen des königlichen Dienstes; denn nun hätten die Österreicher Zeit, sich mit den Sachsen zu vereinigen und die Brücke bei Meißen zu zerstören, wodurch die Verbindung beider Heere so gut wie unmöglich geworden sei. Der König gab ihm strikten Befehl, unter Aufbietung aller Kräfte so schnell wie irgend möglich heranzurücken. In seiner Antwort versprach der Fürst, am 12. in Meißen zu sein. Hierauf wurden alle Quartiere enger gelegt. Der König ließ nur 4 Bataillone und einige Husaren in Zittau, ein Bataillon in Görlitz und 2 in Bautzen. Die Armee vereinigte sich am 13. bei Kamenz, mit Ausnahme von Lehwaldt, der schon Meißen gegenüberstand. Am 12. traf der Fürst von Anhalt in Meißen ein. Aber die sächsische Besatzung hatte sich durch eine Ausfallspforte gerettet und war wieder zur Hauptarmee gestoßen.

Während die Infanterie des Fürsten in Meißen einrückte, marschierte seine Kavallerie, Mann hinter Mann, durch einen Hohlweg. Die beiden letzten Regimenter, die Roëllschen und Holstein-Dragoner, saßen ab und warteten, bis die Reihe an sie kam. Das bemerkte Sybilski256-1, schlich sich mit den Sachsen in ein dichtes Gehölz und <257>überfiel von da aus die preußischen Dragoner. Die Schlappe kostete ihnen zwei Paar Pauken, drei Standarten und 180 Gefangene. Andre Schwadronen saßen auf und vertrieben den Feind, aber der Schimpf blieb sitzen und die Hilfe kam zu spät. Der erkrankte General Roëll, der der Kolonne im Wagen folgte, verlor dabei sein Leben. Es war an jenem Tage freilich bitter kalt, und die Kavallerie hatte 12 Stunden im Sattel gesessen. Trotzdem war es verkehrt, durch ein Gehölz zu reiten, ohne es vorher abzusuchen. Im Kriege rächen sich die geringsten Fehler, denn der Feind ist unerbittlich.

Den 12. verwandte man zur Ausbesserung der Elbbrücke, und am 13. vereinigte sich General Lehwaldt mit dem Fürsten von Anhalt. Wie erinnerlich, war die Meißener Brücke für den König ein Gegenstand der Besorgnis gewesen. Die Sachsen hätten sie zerstören müssen. Aber das sächsische Ministerium, das den Generalen ihr Tun und Lassen vorschrieb, begriff nicht, daß eine Brücke zum Verderben eines Landes beitragen könnte. Die Brücke bestand zum Teil aus Quadersteinen. Ihr Bau hatte 150 000 Taler gekostet. Das Ministerium wollte von ihrer Zerstörung nichts wissen. Der Geheime Rat war ein Gemisch von Pedanten und Emporkömmlingen. Hennicke, der an seiner Spitze stand, hatte es vom Lakaien bis zum Minister gebracht257-1. Er war ein gewiegter Finanzmann und verstand sich auf die Kunst, das Volk methodisch auszubeuten. Er beschaffte das Geld für den Aufwand des Königs und für die Verschwendung seines Günstlings. Auf diese Verdienste gestützt, regierte er Sachsen unter Brühls Leitung. Er erließ die Befehle an die Armee, leitete ihre Operationen, und seiner Unfähigkeit muß man die groben Verstöße der sächsischen Generale in dem Winterfeldzuge anrechnen.

Das Heer des Königs langte am 14. in Königsbrück an. Der Fürst von Anhalt rückte unter fortwährendem Drängen des Königs noch am selben Tage bis Naustadt, wo seine Truppen trotz der schneidenden Kälte im Felde kampieren mußten. Am 13. Dezember war der Prinz von Lothringen mit seinem Heere bei Dresden angelangt. Hennicke, der alle Anordnungen selbst traf, legte die Quartiere der Österreicher so weit auseinander, daß sie 24 Stunden gebraucht hätten, um sich zu versammeln. Der Prinz von Lothringen erhob Vorstellungen dagegen, aber Hennicke, der es gewohnt war, den Pächtern und Steuereinnehmern Gesetze vorzuschreiben, ging auf nichts ein. Der Prinz sah voraus, daß Graf Rutowski angegriffen werden würde. Er bat den Grafen, ihn beizeiten zu benachrichtigen, falls er seiner bedürfe, denn es werde viel Zeit kosten, seine verstreuten Truppen zu sammeln. Rutowski antwortete ihm, er brauche keine Hilfe und sei in seiner Stellung stark genug. Auch würden die Preußen nie so tollkühn sein, ihn anzugreifen. Seit der Schlacht bei Fontenoy, die der Marschall von Sachsen durch seine überlegene Artillerie gewonnen hatte, ahmten viele Generale seine Methode nach. Die Aufstellung der Österreicher<258> in der Schlacht bei Soor sollte eine Kopie der Schlacht von Fontenoy sein. Auch Rutowskis Stellung bei Kesselsdorf war der von Fontenoy nachgemacht. Nur bestand ein kleiner Unterschied zwischen dem Marschall von Sachsen und seinen Nachahmern, und daher waren auch die Erfolge verschieden.

Inzwischen setzten sich die beiden preußischen Heere in Bewegung. Die Armee des Fürsten von Anhalt marschierte auf den Feind zu, und die vom König geführten Truppen gingen bei Meißen über die Elbe. Der König ließ 14 Bataillone in Meißen einrücken. Die übrige Armee bezog Kantonnements am rechten Elbufer, sodaß der König seine Truppen jederzeit zusammenziehen und dem Fürsten von Anhalt im Notfalle zu Hilfe kommen konnte. Gingen aber die Österreicher bei Dresden über die Elbe, so konnte der König ihnen auf dieser Seite die Stirn bieten. Bei der Ankunft in Meißen erhielt der König einen Brief von Villiers. Darin schrieb der Gesandte, die verzweifelte Lage König Augusts III. und die Bedrängnis, in die er geraten sei, hätten ihn endlich bestimmt, die Hand zu einem Vergleich zu bieten. Saul, Brühls Merkur, solle mit Instruktionen und Vollmachten für die sächsischen Minister nach Dresden abgehen, damit sie mit den preußischen Ministern den Frieden vereinbaren könnten. Auch wolle die Königin von Ungarn dem Frieden beitreten, wenn die Konvention zu Hannover einige Milderungen erführe. Er, Villiers, würde sich sobald als möglich nach Dresden begeben, um im Notfalle zwischen den Parteien zu vermitteln und ihre Aussöhnung herbeizuführen.

Kaum hatte der König den Brief gelesen, so kam die Meldung, der ganze Himmel stände nach Dresden zu in Flammen, und man hörte das Getöse einer furchtbaren Kanonade. Der König vermutete mit Recht, daß der Fürst von Anhalt mit dem Feinde zusammengestoßen sei. Er ließ die Kavallerie sofort satteln, die Infanterie ins Gewehr treten und eilte selbst mit hundert Husaren auf die Straße nach Dresden. Nach allen Seiten wurden Patrouillen ausgeschickt. Eine Patrouille brachte sechs Flüchtlinge vom Sybilskischen Korps ein. Sie versicherten, daß die Sachsen geschlagen wären. Ihre Aussage fand um so mehr Glauben, als man keinen Preußen ankommen sah, was doch geschehen wäre, hätte die Schlacht einen für die Preußen ungünstigen Ausgang genommen. Aber die einbrechende Nacht nötigte den König zur Rückkehr nach Meißen; denn er durfte sich keinem Unfall aussetzen und mußte sich damit zufrieden geben, daß die Preußen aller Wahrscheinlichkeit nach gesiegt hatten. Wäre die Schlacht für den Fürsten von Anhalt unglücklich gewesen, so wollte der König seine Truppen auf den Anhöhen bei Meißen zusammenziehen, den Geschlagenen entgegenrücken, sie ins zweite Treffen nehmen, mit seinen eignen Truppen das erste Treffen bilden und den Feind von neuem angreifen, um ihn um jeden Preis zu schlagen. Aber der Fürst von Anhalt ersparte ihm alles Weitere. Schon am Abend traf ein Offizier vom Heere des Fürsten ein und erstattete dem König Bericht von den näheren Umständen der glorreichen Schlacht bei Kesselsdorf.

<259>

Der Fürst von Anhalt war am 15. frühmorgens aus seinem Lager aufgebrochen und über Wilsdruff geradenwegs auf Dresden marschiert. Hinter Wilsdruff stießen seine Husaren auf eine starke Ulanenabteilung und trieben sie bis Kesselsdorf vor sich her. Dort erblickten sie die ganze sächsische Armee in Schlachtordnung und machten dem Fürsten von Anhalt sofort Meldung davon. Eine tiefe Schlucht mit hier und da sumpfigem Grunde deckte die feindliche Front. Am tiefsten ist sie an der Elbseite; nach Kesselsdorf zu flacht sie sich ab und verliert sich jenseits des Dorfes gegen den Tharandter Wald völlig. Die Sachsen hatten ihren linken Flügel an Kesselsdorf gelehnt. Dort war das Gelände, wie gesagt, ganz eben. Das Dorf selbst wurde von den sächsischen Grenadieren und vom Regiment Rutowski verteidigt. Eine Batterie von 24 schweren Geschützen drohte den Angreifern Tod und Verderben. Am rechten Flügel stand das Grünnesche Korps. Es lehnte sich an Pennrich unweit der Elbe. Die Stelle war wegen der unersteiglichen Felsen und Abgründe unangreifbar. Vor der Schlacht stand die sächsische Reiterei links von Kesselsdorf in Schlachtordnung neben der übrigen Armee mit dem linken Flügel nach Tharandt. Graf Rutowski änderte ihre Stellung ohne ersichtlichen Grund und postierte sie als drittes Treffen hinter der Infanterie.

Als der Fürst von Anhalt mit der Spitze seines Heeres an Ort und Stelle ankam, erkannte er gleich, daß der Ausgang der Schlacht vom Besitz des Dorfes Kesselsdorf abhinge. Dementsprechend traf er seine Maßnahmen. Er begann, seine Truppen dem Feinde gegenüber aufzustellen, die Infanterie, die das Dorf angreifen sollte, in drei Treffen, die Bonin-Dragoner im vierten. Sobald der Aufmarsch vollendet war, griffen drei Grenadierbataillone und die drei Bataillone des Regiments Anhalt das Dorf in der Front an, während Lehwaldt es von der Seite faßte. Aber 24 mit Kartätschen geladene Kanonen, die sächsischen Grenadiere und das Regiment Rutowski trieben die Stürmenden zurück. Der zweite Angriff war nicht glücklicher. Das Feuer war zu heftig. Nun aber brach das Regiment Rutowski zur Verfolgung der Preußen aus dem Dorfe hervor. Dadurch kam es vor seine eigenen Batterien und verhinderte sie am Schießen. Den Moment nahm der Fürst von Anhalt wahr. Er befahl dem Obersten Lüderitz, mit seinen Dragonern zu attackieren. Lüderitz stürzte sich in voller Karriere auf die Sachsen. Alles, was Widerstand leistete, wurde niedergehauen, der Rest wurde gefangen. Zugleich drang die Infanterie von allen Seiten in Kesselsdorf ein, eroberte den Ort und die Batterie, die die sächsische Stellung so furchtbar gemacht hatte. General Lehwaldt vollendete den Sieg. Er zwang alle Truppen, die das Dorf verteidigt hatten, sich zu ergeben.

Der Fürst von Anhalt benutzte als geschickter Feldherr den ersten Erfolg. Er drang unverzüglich in die linke Flanke des Feindes. Die Kavallerie seines rechten Flügels warf die sächsische beim ersten Angriff zurück und zerstreute sie vollständig, sodaß sie sich nicht wieder sammeln konnte. Die ganze sächsische Armee wandte sich schleunigst zur Flucht und entrann nur dadurch den Preußen, weil diese gewohnt waren, Ord<260>nung zu halten und nicht auseinanderzulaufen. Der linke preußische Flügel unter Prinz Moritz260-1 hatte sich derweilen mit dem Feinde herumkanoniert, bis Kesselsdorf erstürmt war. Nun aber wollte er am Ruhme des Tages auch seinen Teil haben. Er rückte, allen Hindernissen zum Trotze, gegen die Sachsen vor. Schwierigkeiten, die das Gelände bot, Schnee, der den Boden schlüpfrig machte, Felsen, die erklettert werden mußten, und ein Feind, der für den heimischen Herd focht — nichts konnte den Ansturm der Sieger hemmen. Die Sachsen und Österreicher wurden von den steilen Felsen bei Pennrich vertrieben. Die Preußen konnten weder ihre Bataillone noch selbst ihre Rotten in Reih und Glied halten, so schroff waren die Höhen, die sie erstiegen. Als sie so aufgelöst vorgingen, griff die feindliche Kavallerie sie an. Bei einiger Tapferkeit hätten die Sachsen die preußische Infanterie zusammenhauen müssen. Aber der Angriff war so lahm und wurde so schlecht unterstützt, daß die<261> sächsische Kavallerie nach einigen Salven der Preußen verschwand und das Schlachtfeld den Siegern überließ. Die Kavallerie des linken preußischen Flügels hatte sich während der ganzen Schlacht nicht betätigen können, da sie durch unüberschreitbare Abgründe vom Feinde getrennt war. Der Fürst von Anhalt schickte sie nun zur Verfolgung der Flüchtlinge vor, und Geßler brachte noch eine große Anzahl von Gefangenen ein.

Der Fürst von Anhalt gab bei Kesselsdorf glänzende Beweise seiner Erfahrung und Geschicklichkeit. Generale, Offiziere und Soldaten, alles zeichnete sich aus. Der Erfolg rechtfertigte ihre Kühnheit. Die Sachsen ließen 3 000 Tote auf dem Schlachtfelde. 215 Offiziere und 6 500 Soldaten wurden gefangen genommen. Außerdem verloren die Sachsen 5 Fahnen, 3 Standarten, 1 Paar Pauken und 48 Kanonen. Die Preußen hatten an Toten 41 Offiziere und 1 621 Mann und doppelt soviel an Verwundeten.

Untersuchen wir die auf beiden Seiten begangenen Fehler, so finden wir zunächst, daß Graf Rutowski nur an die Sicherung seines linken Flügels gedacht hatte. Der rechte schwebte in der Luft, und das Dorf Kesselsdorf konnte umgangen werden. Hätten die Preußen sich mehr nach rechts gehalten, so hätte der Fürst von Anhalt den Ort ganz umgehen und ihn mit geringeren Opfern einnehmen können. Aber er langte eben erst an und hatte keine Zeit gehabt, das Gelände zu rekognoszieren. Das reicht zu seiner Entschuldigung aus. Der Hauptfehler der Sachsen war unstreitig, daß sie aus dem Dorfe hervorbrachen. Dadurch hinderten sie ihre eigne Artillerie am Beschießen der Preußen, und die Artillerie war doch gerade ihre beste Verteidigung! Ebenso schwer war der Fehler, daß ihre zwischen Kesselsdorf und Pennrich postierte Infanterie nicht auf dem Höhenkamm stand, sondern mehr als hundert Schritt dahinter. Dadurch erstreckte sich ihr Schußfeld nicht über die Abhänge hinaus. Sie ließ es ruhig zu, daß die Höhen erstiegen wurden, und feuerte erst auf den Feind, als er die größte Schwierigkeit schon überwunden hatte. Aber dergleichen Beobachtungen lassen sich bei den meisten menschlichen Handlungen machen. Wir alle begehen Fehler, denn keiner ist vollkommen. Wenn wir die bei Kesselsdorf gemachten Fehler trotzdem rügen, so geschieht es nur, damit die Nachwelt aus ihnen lernt und sich nicht so schwere Verstöße zuschulden kommen läßt wie die Sachsen.

Graf Rutowski langte mit seiner ganzen Armee in wilder Flucht in Dresden an. Dort fand er den Prinzen von Lothringen mit Zusammenziehung seiner zerstreuten Truppen beschäftigt. Der Prinz schlug Rutowski vor, die Preußen am nächsten Tage mit vereinten Kräften anzugreifen, aber der Sachse hatte genug. Er entschuldigte sich damit, daß seine Infanterie fast vernichtet sei, daß er 10 000 Mann verloren habe, daß es ihm an Waffen und Munition fehle und daß seine Truppen sich noch nicht von ihrem Schrecken erholt hätten. Er machte geltend, daß der König sich soeben mit dem Fürsten von Anhalt vereinigt habe, daß in Dresden keine Vorräte an Lebensmitteln und kein Kriegsbedarf mehr vorhanden sei, und hielt es für das beste, sich<262> mit den Trümmern des Heeres nach Zehista am Fuße der böhmischen Gebirge zu retten. Dieser Plan wurde ausgeführt. Die Sachsen räumten Dresden und ließen nur Milizen zurück. Am 16. lagerten sie bei Königstein und schicken ihre Kavallerie nach Böhmen voraus, da sie sie auf sächsischem Boden nicht länger unterhalten konnten. Das Heer des Königs rückte am 16. bis Wilsdruff. Am 17. stellte es sich ins erste Treffen und ging über den Plauenschen Bach.

Der Sieg bei Kesselsdorf machte die Langsamkeit wett, die der Fürst von Anhalt zu Anfang an den Tag gelegt hatte. Die Schlacht hatte einen schönen Schleier darüber gebreitet. Der König beglückwünschte ihn aufs schmeichelhafteste zu dem Ruhme, den er sich erworben, und sagte ihm vieles, was seiner Eigenliebe wohltun mußte. Der Fürst beritt mit dem König das Schlachtfeld. Man staunte, welch große Schwierigkeiten die Truppen überwunden hatten, und wunderte sich über die bedeutende Zahl der Gefangenen, noch mehr aber darüber, daß das ganze Feld von Dresdener Bürgern wimmelte, die den Preußen seelenvergnügt entgegenkamen.

Als der König 1744 durch Sachsen marschiert war, hatte der Herzog von Weißenfels 10 Bataillone nach Dresden geworfen. Man hatte Batterien errichtet, die Straßen verbarrikadiert und überall, wo nur ein Pfahl eingeschlagen werden konnte, Palisaden aufgeführt. Kein Preuße hätte die Hauptstadt zu betreten gewagt. Jetzt, im Jahre 1745, wo der König mit 80 000 Mann in Sachsen stand, wo die sächsischen Truppen völlig geschlagen waren, blieben die Tore von Dresden geöffnet, und die jüngeren Mitglieder des Königshauses, die Minister, die obersten Behörden, alles ergab sich auf Gnade und Ungnade. Solcher Widersprüche ist der menschliche Geist fähig, wenn er nicht systematisch handelt und die Regierenden keine gesunde Logik besitzen. Wahrscheinlich war die Stadt ohne Lebensmittel, und die wirren Beratungen, die Bestürzung unter den sächsischen Ministern führten eine restlose Ergebung herbei. Die Prinzen konnten sich retten, die Minister gleichfalls: es waren ja nur vier Meilen bis zur böhmischen Grenze. Nicht minder erstaunlich ist es, daß die Sachsen 6 000 Mann Milizen in Dresden zurückließen, das sie doch preisgeben wollten. Sie hätten diese Truppen zur Ergänzung ihrer Armee besser brauchen können.

Sogleich ließ der König die Vorstadt von Dresden besetzen. Der Kommandant wurde zur Übergabe aufgefordert. Er antwortete, Dresden sei kein fester Platz. Die Minister übersandten an Stelle einer Kapitulation eine Denkschrift. Der König setzte die Bedingungen nach seinem Gutdünken fest. Am 18. zogen die Preußen in Dresden ein. Die Miliz wurde entwaffnet und zur Ergänzung des preußischen Heeres benutzt. Man fand in Dresden 415 Offiziere und 1 500 Verwundete von der Schlacht bei Kesselsdorf. Der König schlug sein Hauptquartier in Dresden auf. Auch der Generalstab beider Heere wurde in der Stadt untergebracht. Über die Absichten des Königs auf die sächsische Hauptstadt waren die schmählichsten Gerüchte in Umlauf. Es hieß, der Fürst von Anhalt habe um Erlaubnis zur Plünderung Dresdens gebeten. Das hätte er seinen Truppen versprochen, um sie in der Schlacht anzufeuern. Nur<263> der menschliche Hang zur Leichtgläubigkeit konnte solchen Verleumdungen Glauben verschaffen. Nie hätte der Fürst von Anhalt es gewagt, dem König einen so barbarischen Wunsch zu äußern. Zudem kann man solche Versprechungen nur zuchtlosen Horden machen, nicht aber preußischen Soldaten, die nur für Ruhm und Ehre kämpften. Wenn die Preußen gesiegt hatten, so lag das einzig und allein am Ehrgefühl der Offiziere und am Gehorsam der Soldaten.

Kaum war der König in Dresden, als er auch schon den Kindern König Augusts seinen Besuch abstattete, um ihre Furcht zu beschwichtigen und sie völlig zu beruhigen. Er suchte ihr Unglück zu lindern, ließ ihnen alle gebührenden Ehrenbezeigungen erweisen und stellte sogar die Schloßwache unter ihren Befehl. Hierauf schrieb er an Villiers, er habe sich sehr gewundert, gerade an einem Schlachttage Friedensvorschläge zu erhalten. Um aber die Verhandlungen abzukürzen, sei er selbst nach Dresden gekommen. Das Glück sei mit ihm gewesen und erlaube ihm, Vergeltung für die schlimmen Praktiken, die Falschheit und Treulosigkeit des Grafen Brühl zu üben. Er sei aber von einer so niedrigen Gesinnung weit entfernt und biete dem König von Polen seine Freundschaft, jedoch zum letzten Male, an. Er erwarte, daß die Herren von Rex und von Bülow Vollmachten erhalten hätten, damit er mit ihnen den Frieden unverzüglich abschließen könnte. Übrigens würde er nicht um Haaresbreite von den Verpflichtungen abweichen, die er durch die Konvention von Hannover dem König von England gegenüber eingegangen wäre. Unverblendet von seinem Glück, werde er seine Forderungen weder erhöhen noch erniedrigen. Die Königin von Ungarn dürfe also nicht hoffen, ihn von seinem Entschluß abzubringen. Schließlich empfahl der König Villiers, ihm das letzte Wort des Königs von Polen genau zu berichten, damit der Herstellung des Friedens in Deutschland und im Norden keine<264> neuen Hindernisse erwüchsen. Hierauf ließ er alle sächsischen Minister zu sich entbieten, rekapitulierte alles, was geschehen war, legte ihnen offen und ehrlich seine Ansichten dar und teilte ihnen die maßvollen Friedensbedingungen mit, die er seinen Feinden machte. Es gelang ihm, sie davon zu überzeugen, daß sie selbst keine vorteilhafteren Bedingungen sich wünschen oder stellen und daß ihr König nichts Besseres tun könnte, als sie zu unterzeichnen.

Zugleich wurde Vorsorge für die Aufrechterhaltung der strengsten Ordnung getroffen. Der König ließ in allem die größte Milde walten, um dem unglücklichen Nachbarlande die Last eines Krieges, für den das Volk nichts konnte, möglichst zu erleichtern. Wie üblich, wurde in den Kirchen ein Tedeum gesungen, und die städtische Artillerie schoß dreimal Salut. Am Abend wurde in der Oper „Arminius“264-1 gespielt. Diese Kleinigkeiten werden hier nur wegen der damit verknüpften bezeichnenden Züge erwähnt. Alles, auch die Oper, war in Brühls Händen ein Werkzeug zur Beherrschung seines Königs. Nach dem Sturze des Grafen Sulkowski264-2 wurde in der Oper die „Güte des Titus“ gegeben, um die Nachsicht des Königs gegen die angeblichen Verbrechen jenes Günstlings zu preisen. Während des letzten Krieges kam „Arminius“ zur Aufführung. Die Geschichte des Arminius sollte eine symbolische Verherrlichung des Beistandes sein, den August III. der Königin von Ungarn gegen die Franzosen und Preußen leistete, denen man vorwarf, die ganze Welt unterjochen zu wollen. Die schmeichelnden Lobsprüche der italienischen Dichtkunst, erhöht durch den Zauber der Töne und von den geschmeidigen Kehlen der Kastraten gesungen, brachten dem König von Polen die Überzeugung bei, daß er das Muster eines Fürsten und ein Vorbild der Menschheit sei. Die Sänger unterdrückten in Gegenwart der Preußen einen Chor, den sie unter den jetzigen Umständen nicht vorzutragen wagten. Konnten die Worte doch ebensogut auch auf die jüngsten Ereignisse in Sachsen bezogen werden. Sie lauteten:

Sulle rovine altrui alzar non pensi il soglio,
Colui che al sol' orgoglio riduce ogni virtù264-3.

Die Opernchöre waren für August III. dasselbe, was die Vorspiele zu den Opern für Ludwig XIV.

Während in Dresden Tedeums und Opern gesungen wurden, kam aus Prag der mit Ungeduld erwartete Villiers mit Vollmachten und allen zum Friedensschluß nötigen Ermächtigungen für die sächsischen Minister. Ihm folgte Graf Friedrich Harrach im Auftrage der Kaiserin-Königin.

<265>

Indes man zu Dresden eifrig an der Wiederherstellung des Friedens arbeitete, erhielt der König folgende Antwort von Ludwig XV. auf den beweglichen Brief aus Berlin, worin er um Frankreichs Beistand gebeten hatte. Die Antwort war von den französischen Ministem entworfen. Der König hatte sie nur abgeschrieben. Sie lautete:



Mein Herr Bruder!

Ew. Majestät bestätigen mir in Ihrem Schreiben vom 15. November, was ich über die Konvention zu Hannover vom 26. August schon wußte. Ich mußte erstaunt sein über einen Vertrag, der mit einem mir feindlich gesinnten Fürsten verhandelt, geschlossen, unterzeichnet und ratifiziert wurde, ohne daß ich das geringste davon erfuhr. Ich wundere mich gar nicht, daß Ew. Majestät die Anwendung gewaltsamer Mittel und eine offene, förmliche Verbindung gegen mich ausgeschlagen haben. Meine Feinde mußten Ew. Majestät kennen! Es ist eine neue Beleidigung, daß sie Ihnen Vorschläge zu machen wagten, die Ihrer unwürdig sind. Ich rechnete auf Ihre Diversion. Ich habe zwei große Diversionen in Flandern und in Italien gemacht. Ich hielt am Rheine die größte Armee der Königin von Ungarn in Schach. Meine Geldopfer und meine Anstrengungen haben glänzende Resultate gezeitigt. Aber Ew. Majestät haben diese Erfolge durch den ohne mein Vorwissen geschlossenen Vertrag stark beeinträchtigt. Wäre die Königin von Ungarn dem Vertrag beigetreten, so hätte ihre ganze böhmische Armee sich schleunigst gegen mich gewandt. Das sind gewiß keine Mittel, die zum Frieden führen. Nichtsdestoweniger nehme ich Anteil an der furchtbaren, Ihnen drohenden Gefahr und erwarte mit größter Ungeduld die Nachricht, daß Sie ihr entronnen sind. Ihre Ruhe wird auch die meine sein. Ew. Majestät sind jetzt stark und der Schrecken unserer Feinde, über die Sie große und rühmliche Siege errungen haben. Überdies setzt die kalte Jahreszeit den militärischen Operationen ein Ziel. Das genügt, um Sie zu schützen. Wer vermöchte Ew. Majestät wohl besser zu raten als Sie selbst? Sie brauchen nur zu tun, was Ihr Geist, Ihre Erfahrung und vor allem Ihre Ehre Ihnen diktieren. Meinen Beistand, der allein in Subsidien und in Diversionen bestehen kann, habe ich auf jede mir mögliche Weise geleistet und werde darin mit allen erfolgversprechenden Mitteln fortfahren. Ich vermehre meine Truppen. Ich vernachlässige nichts. Ich beschleunige alles, um den nächsten Feldzug mit dem größten Nachdruck zu führen. Haben Ew. Majestät Pläne, die meine Unternehmungen fördern können, so bitte ich sie mir mitzuteilen, denn es wird mir stets eine große Freude sein, Verabredungen mit Ihnen zu treffen usw.

Der Brief schien auf den ersten Blick entgegenkommend und höflich. Berücksichtigt man aber die verzweifelte Lage des Königs von Preußen und die verschiedenen vorangegangenen Verhandlungen mit Frankreich, so findet man darin eine ironische Ton<266>art angeschlagen, die um so weniger angebracht war, als man den Versailler Vertrag nicht geschlossen hatte, um die gegenseitigen Verpflichtungen nur mit schönen Redensarten zu erfüllen. Entkleidet man den Brief all seines Wortschwalls, so sagt er tatsächlich nur folgendes: „Ich bin Ihnen sehr böse, daß Sie den Vertrag zu Hannover geschlossen haben, ohne mich zu benachrichtigen; denn der Prinz von Lothringen würde ins Elsaß zurückkehren, wenn die Königin von Ungarn dem Vertrag beiträte. Sehen Sie denn nicht, daß der Krieg, den ich in Italien und in Flandern führe, eine Diversion zu Ihren Gunsten ist? Mir liegt doch gar nichts an der Eroberung Flanderns, und ob mein Schwiegersohn Don Philipp266-1 in Italien eine Krone bekommt, ist mir ganz gleichgültig. Conti hält die Hauptmacht der Königin von Ungarn in Deutschland ganz vorzüglich in Schach. Er ist über den Rhein zurückgegangen, sodaß jeder beliebige Prätendent zum Kaiser erwählt werden konnte. Traun konnte den General Grünne getrost nach Sachsen detachieren und wird ihm vielleicht mit seinen übrigen Truppen nachfolgen, wenn die Königin von Ungarn es für gut findet, ihn gegen Sie ins Feld zu stellen. Ich habe in diesem Feldzuge Großes vollbracht, aber auch von Ihnen hat man gesprochen. Ich bedaure die gefährliche Lage, in die Sie sich aus Liebe zu mir gebracht haben. Man erwirbt sich aber nur dann Ruhm, wenn man sich für Frankreich aufopfert. Bleiben Sie also standhaft und dulden Sie nur weiter. Folgen Sie dem Beispiel meiner übrigen Verbündeten, die ich zwar, ehrlich gesagt, verlassen habe, denen ich aber Almosen gab, als man ihnen alle ihre Besitzungen genommen hatte. Ihr eigener Geist mag Sie beraten und Ihr Dünkel, der Sie bisweilen trieb, mir Ratschläge zu erteilen. Sie besitzen zweifellos Geschick genug, sich aus der Klemme zu ziehen. Zudem wird die Winterkälte Ihre Feinde zu Eis erstarren lassen, und sie werden Ihnen nichts antun. Sollte Ihnen aber ein Unglück zustoßen, so verspreche ich Ihnen eine Leichenrede in der französischen Akademie, sobald Ihre Feinde Ihren Staat zerstört haben werden. Ihr Name soll in die Märtyrerliste aufgenommen werden, in der die Namen aller Schwärmer stehen, die sich für Frankreichs Wohl zugrunde gerichtet haben, sowie die Namen aller Bundesgenossen, die Frankreich im Stiche zu lassen geruht hat. Sie sehen, daß ich Diversionen gemacht habe, und an Subsidien habe ich Ihnen bis zu einer Million Livres geboten. Hoffen Sie nur tapfer auf den schönen Feldzug, den ich im nächsten Sommer unternehmen werde und für den ich schon jetzt gewaltig rüste. Seien Sie versichert, daß ich mich in allen Fällen mit Ihnen ins Einvernehmen setzen werde, wo Sie meinem Willen blindlings folgen und allem beipflichten, was meinem Vorteil entspricht.“

Sobald die Friedensverhandlungen dem Abschluß nahe waren, sandte der König an Ludwig XV. folgende Antwort266-2. Wir führen sie dem Inhalt nach an, weil der Gegenstand ebenso bedeutsam wie heikel ist.

<267>

Mein Herr Bruder!

Auf meinen Brief vom 15. November hin mußte ich auf wirklichen Beistand von Ew. Majestät rechnen. Ich will hier nicht untersuchen, aus welchen Gründen Sie Ihre Verbündeten den Launen des Schicksals preisgeben. Für diesmal hat mich allein die Tapferkeit meiner Truppen aus meiner schlimmen Lage befreit. Hätten mich meine Feinde durch ihre Zahl überwältigt, so hätten Ew. Majestät mich zwar beklagt, ich aber wäre verloren gewesen. Wie kann ein Bündnis Bestand haben, wenn beide Teile nicht mit gleichem Eifer zu ihrer gegenseitigen Erhaltung beitragen? Ew. Majestät sagen mir, ich sollte mir selbst raten. Ich tue es, da Sie es für gut finden. Die Vernunft gebietet mir die rasche Beendigung eines Krieges, der gegenstandslos geworden ist, seit die österreichischen Truppen nicht mehr im Elsaß stehen und der Kaiser gestorben ist. Die Schlachten, die man noch liefern würde, wären nur unnützes Blutvergießen. Die Vernunft rät mir, an meine eigene Sicherheit zu denken. Sie sagt mir, daß die großen Rüstungen der Russen meinen Staat von Kurland her bedrohen, daß die Armee des Herrn von Traun, die am Rhein steht, leicht nach Sachsen marschieren könnte, daß das Glück unbeständig ist, und daß ich in meiner Lage von keinem meiner Verbündeten Hilfe erwarten kann. Die Österreicher und Sachsen haben Bevollmächtigte zu Friedensverhandlungen hergesandt. Ich weiß mir also keinen andern Rat, als den Frieden zu unterzeichnen. Nach Erfüllung dieser meiner Pflicht gegen meinen Staat und mein Haus wird mir nichts mehr am Herzen liegen, als den Interessen Ew. Majestät nützen zu können. Möchte ich doch das Glück haben, zum Werkzeug eines allgemeinen Friedens zu werden! Ew. Majestät können Ihre Pläne Keinem anvertrauen, der Ihnen ergebener ist als ich, und der eifriger an der Wiederherstellung der Eintracht und des guten Einvernehmens unter den Mächten arbeitet, die dieser lange Zwist miteinander verfeindet hat. Ich bitte Sie, mir stets Ihre schätzbare Freundschaft zu bewahren. Gestatten Sie die Versicherung usw.

Das hieß sich mit Anstand trennen und so triftige Gründe ins Feld führen, daß die Franzosen dagegen nichts einwenden konnten.

Indessen standen die Österreicher und Sachsen noch in der Gegend von Pirna. Man mußte sie weiter vertreiben, um mit größerer Ruhe über den Frieden verhandeln zu können. Deshalb wurde Oberst Retzow mit 5 Bataillonen und Kavallerie nach Freiberg detachiert. Die Besorgnis, die sein Erscheinen erregte, beschleunigte den Rückzug der Verbündeten nach Böhmen. Die sächsische Armee war kaum 15 000 Mann stark. Der König von Polen war seiner Einkünfte beraubt und hatte kein Geld mehr zur Bezahlung des Soldes. Bis zum Frühjahr und zum Aufbruch der Russen konnte er nicht warten. Er sah die Wertlosigkeit dieser Hilfe wohl ein. Kurz, seine augenblickliche Bedrängnis zwang ihn, in den Frieden zu willigen.

<268>

Mittlerweile kam Graf Harrach in Dresden an. Er glaubte, der König werde jetzt von seinen Erfolgen aufgeblasen sein und nach österreichischem Muster seine Forderungen unmäßig heraufschrauben. Bald aber erkannte Harrach seinen Irrtum, ja er dankte dem König für das Entgegenkommen, das er bei der Verhandlung bewies. Der König antwortete ihm, die Veranlassung zum Kriege sei mit dem Tod Karls VII. geschwunden. Seitdem hege er selbst unveränderlich die gleiche Gesinnung, wie er sie jetzt an den Tag lege. Harrach machte noch Vorschläge für eine Zusammenkunft des Königs mit der Königin von Ungarn. Der König aber wich aus, indem er an einigen Beispielen die Zwecklosigkeit und die üblen Folgen solcher Monarchenbegegnungen darlegte. Indes flocht er in seine Ablehnung geschickt einige Komplimente für die Kaiserin ein. Graf Harrach begnügte sich damit und ließ seinen Vorschlag fallen.

Der Friede ward am 25. Dezember 1745 unterzeichnet. Der Beitritt der Königin von Ungarn zur hannöverschen Konvention war nichts weiter als eine Erneuerung des Breslauer Friedens. Die Sachsen versprachen, den Feinden des Königs den Durchmarsch durch ihr Land nie zu gestatten, unter welchem Vorwand es auch sei. Der Fürstenberger Zoll wurde gegen Gebiete von gleichem Werte ausgetauscht268-1. Sachsen verpflichtete sich zur Zahlung einer Million Taler Kriegskosten, für die der König von Polen die Bürgschaft übernahm. In demselben Artikel verzichtete er auf jede Kriegsentschädigung. Dafür versprach der König von Preußen, vom Tage der Unterzeichnung an alle Kontributionen einzustellen und Sachsen unverzüglich zu räumen, mit Ausnahme von Meißen, wo das preußische Feldlazarett war. Die Stadt sollte erst nach der Genesung der Verwundeten geräumt werden.

So endigte der Zweite Schlesische Krieg, der im ganzen sechzehn Monate gewährt hatte. Er war von beiden Seiten mit äußerster Leidenschaft und Erbitterung geführt worden. Die Sachsen hatten dabei ihren ganzen Haß gegen Preußen und ihren Neid über die Vergrößerung des Nachbarstaates offen gezeigt. Die Österreicher fochten um die Kaiserkrone und um ihr Übergewicht im Reiche. Die Russen wollten sich einmischen, um Einfluß auf die deutschen Angelegenheiten zu erlangen. Frankreich sollte sich an dem Kriege beteiligen, tat es aber nicht. Preußen sah sich drohenden Gefahren ausgesetzt und bestand sie durch die Mannszucht und den Heldenmut seiner Truppen.

Der Krieg führte keine der großen Umwälzungen herbei, die das Antlitz Europas verändern. Er verhinderte sie vielmehr, indem er den Prinzen von Lothringen zwang, das Elsaß zu verlassen. Der Tod Karls VII. gehörte zu den nicht vorauszusehenden Ereignissen. Dadurch scheiterte der Plan, die Kaiserwürde dem neuen Hause Österreich für immer zu entreißen. Schätzt man die Dinge nach ihrem wirklichen Wert ein, so ist zuzugeben, daß der Krieg ein in mancher Hinsicht sehr unnützes Blutvergießen<269> war, und daß Preußen durch eine Kette von Siegen weiter nichts erreichte als die Bestätigung des Besitzes von Schlesien.

Betrachten wir den Krieg aber nur im Hinblick auf Gewinn und Verlust der kriegführenden Mächte, so finden wir, daß er den Preußen acht Millionen Taler kostete. Bei der Unterzeichnung des Friedens waren nur 15 000 Taler zur Fortsetzung des Krieges vorhanden. Die Preußen nahmen ihren Feinden in beiden Feldzügen 45 664 Gefangene ab, und zwar 12 000 Mann in Prag, 1 750 durch Streifkorps, 250 in den Gefechten bei Plomnitz und Reinerz durch General Lehwaldt, 7 136 in der Schlacht bei Hohenfriedberg, 3 000 bei der Einnahme von Kosel und 5 000 bei verschiedenen Gelegenheiten durch den General Nassau, 250 durch die Zietenschen Husaren, 2 030 in der Schlacht bei Soor, 400 durch die Truppen des Markgrafen Karl in Oberschlesien, 427 durch Streifzüge der Glatzer Besatzung, 1 342 durch General Winterfeldt, 271 durch Major Warnery, 1 392 bei Katholisch-Hennersdorf, 6 658 in der Schlacht bei Kesselsdorf und 3 758 bei der Einnahme von Dresden.

Die Österreicher machten folgende Gefangene: das Regiment Kreytzen bei Budweis (1 400 Mann), ein Pionierbataillon bei Tabor (700 Mann), sowie 400 Kranke, 300 Mann beim Ausmarsch aus Prag, 300 in Kosel und 1 340 bei verschiedenen kleinen Gefechten, insgesamt 4 440, noch nicht ein Zehntel von dem, was sie selbst verloren hatten. Oberschlesien und einige an Böhmen grenzende Teile von Niederschlesien hatten am meisten unter dem Kriege zu leiden, so der Hirschberger, Striegauer und Landeshuter Kreis. Aber das waren Schäden, die sich durch gute Verwaltung leicht ersetzen ließen. Böhmen und Sachsen litten gleichfalls unter der Besetzung durch große Heere; doch war das Land nicht gänzlich zugrunde gerichtet. Die Königin von Ungarn mußte ihren ganzen Kredit aufbieten, um sich Mittel zur Fortsetzung des Krieges zu verschaffen. Die Engländer zahlten ihr zwar Subsidien, aber das war kein hinreichender Ersatz für das, was die Operationen ihrer Heere in Flandern, am Rhein, in Italien, in Böhmen und in Sachsen verschlangen. Dem König von Polen kostete der Krieg über fünf Millionen Taler. Er bezahlte seine Schulden in Papiergeld und machte noch neue dazu; denn Brühl verstand sich auf die Kunst, seinen Herrn methodisch bankrott zu machen.

Der König von Preußen wandte seine ganze Sorgfalt auf die Wiederherstellung seiner Armee und ergänzte sie größtenteils aus österreichischen und sächsischen Gefangenen, unter denen er die Auswahl hatte. Derart wurden seine Truppen auf Kosten des Auslandes wieder komplettiert. Das Land selbst trug zum Ersatz der Verluste in so vielen blutigen Schlachten nur 7 000 Mann bei.

Seit die Kriegskunst in Europa sich vervollkommnet hat und die Politik ein gewisses Gleichgewicht unter den Mächten zu schaffen versteht, haben die größten Unternehmungen nur selten den erwarteten Erfolg. Bei gleichen Kräften auf beiden Seiten und bei wechselnden Verlusten und Erfolgen stehen sich die Gegner auch am Ende des erbittertsten Krieges fast in gleichem Machtverhältnis gegenüber wie vor<270>her. Die Erschöpfung der Finanzen führt endlich den Frieden herbei, der das Werk der Menschenliebe und nicht der Notwendigkeit sein sollte.

Kurz, wenn Ansehen und Ruhm der Heere so großer Anstrengungen und Opfer wert sind, so hat Preußen das erreicht und ist für den Zweiten Schlesischen Krieg belohnt worden. Aber das war auch alles, und selbst dieser ideelle Gewinn erweckte noch Neid.


244-1 Karl Eduard Stuart (vgl. S. 165).

245-1 Der Staatsschatz enthielt am 28. Oktober 1745 nur 2 298 Taler; im Dezember, zur Nachtzeit, wurde der silberne Chor und alles Silbergerät des Weißen Saales aus dem Berliner Schlosse in die Münze geschafft.

245-2 Vgl. S. 197.

246-1 Das „Manifest Sr. Königl. Majestät in Preußen gegen den Chur-Sächsischen Hof“ war am 25. August 1745 in Berlin publiziert worden.

247-1 Graf Peter Tschernyschew.

249-1 Ein Wort Lafontaines (Buch III, Fabel 18).

252-1 Gefecht von Schwarzwaldau, 6. Dezember 1745.

253-1 Das Manifest vom August 1744 (vgl. S. 173) bezeichnete als Ziel der preußischen Schilderhebung, „dem Deutschen Reiche die Freiheit, dem Kaiser sein Ansehen und Europa die Ruhe wieder zu verschaffen“. Es schloß mit den Worten: „Der König fordert nichts, es handelt sich nicht um seine persönlichen Interessen.“ Das gegen Sachsen gerichtete Manifest vom August 1745 (vgl. S. 226. 246) schloß mit der Erklärung: „In dem der König von Preußen auf der einen Seite Festigkeit und Tatkraft beweist, ist er nicht minder bereit, bei allen Gelegenheiten Beweise seiner Seelengröße und Mäßigung zu geben.“

254-1 Kurprinz Friedrich Christian und Prinz Xaver.

254-2 Die Darstellung ist nicht genau. Am 1. Dezember 1745 hatte der König verlangt, Villlers solle im Namen Georgs ll. die Bürgschaft für die Erklärung des sächsischen Hofes, daß er dem Vertrage von Hannover beitreten wolle, übernehmen. In seiner obigen Antwort vom 4. erklärte der Gesandte, dazu nicht förmlich ermächtigt zu sein.

256-1 Chef eines Regiments Chevaulegers.

257-1 Vgl. S. 37.

260-1 Der jüngste Sohn des Fürsten von Anhalt.

264-1 Diese Oper ist ebenso wie die weiter unten genannte „La Clemenza di Tito“ von Hasse komponiert; der Text stammt von Metastasio.

264-2 Vgl. S. 37.

264-3 Auf andrer Umsturz baue der nicht seinen Thron, Der bloß in kecken Übermut all seine Tugend setzt.

266-1 Don Philipp war mit Prinzessin Luise Elisabeth, der Tochter Ludwigs XV., vermählt. Durch den Aachener Frieden (1748) wurde er Herzog von Parma, Placenza und Guastalla.

266-2 Am 25. Dezember 1745.

268-1 Damit wurde der letzte fremdherrliche Binnenzoll an den Ufern der Oder beseitigt.