<217> von Lothringen war über Landeshut in Schlesien eingedrungen. Von dort hatte er seinen Marsch über Reichenau und Hohen-Helmsdorf fortgesetzt. Von seinem Lager konnte er auf vier Wegen in die Ebene herabsteigen: über Freyburg, Hohenfriedberg, Schweinhaus und Kauder. Der König rekognoszierte das ganze Gebiet, um über das Gelände für die Aufstellung seiner Armee im voraus Bescheid zu wissen. Drei Tage lang wurden die Wege ausgebessert. Kein Hindernis sollte die Preußen aufhalten, dem Feinde entgegenzueilen, sobald er in die Ebene herabkam. Damit benahm man dem Zufall alles, was Voraussicht ihm zu entreißen vermag.

Am 2. Juni hielten die österreichischen und sächsischen Generale Kriegsrat auf dem Galgenberg1 bei Hohenfriedberg. Sie konnten von dort zwar die ganze Ebene überschauen, erblickten aber nur kleine Abteilungen des preußischen Heeres; denn die Hauptmacht war durch den Nonnenbusch und durch Schluchten verdeckt, hinter denen sie absichtlich aufgestellt war, um den Feind in Unkenntnis über die Zahl der Preußen zu halten und ihn in dem Glauben zu bestärken, daß er in ein unverteidigtes Land käme. Der Prinz von Lothringen lagerte am folgenden Tage bei dem Dorfe Ölse und gab Wenzel Wallis Befehl, mit seinem Vortrab das Magazin zu Schweidnitz fortzunehmen. Von da sollte er die Preußen bis nach Breslau verfolgen. Der Herzog von Weißenfels erhielt den Auftrag, mit seinen Sachsen Striegau zu nehmen und dann Glogau zu belagern. Der Prinz von Lothringen hatte bei seinem Plane nur vergessen, daß er ein Heer von 70 000 Mann vor sich hatte, das fest entschlossen war, jeden Fußbreit Landes bis aufs Äußerste zu verteidigen. Derart kreuzten sich die Pläne der Österreicher und der Preußen wie entgegenstehende Winde, die Wolken zusammentreiben, deren Zusammenprall Blitz und Donner erzeugt.

Der König besichtigte täglich seine Vorposten. Am 3. war er auf einer Höhe2 vor Du Moulins Lager. Von dort konnte er das ganze Blachfeld, die Anhöhen von Fürstenstein und sogar einen Teil des österreichischen Lagers bei Reichenau überschauen. Er hatte sich ziemlich lange auf der Anhöhe aufgehalten, als er in den Bergen eine aufsteigende Staubwolke erblickte, die in die Ebene vorrückte und sich von Kauder nach Rohnstock hinschlängelte. Dann sank der Staub, und man sah deutlich das österreichische Heer, das in acht großen Kolonnen aus dem Gebirge herausgetreten war. Der rechte Flügel lehnte sich an das Striegauer Wasser und zog sich von dort gegen Rohnstock und Hausdorf. Am linken Flügel standen die Sachsen bis Pilgramshain hin. Sofort erhielt Du Moulin Befehl, das Lager um 8 Uhr abends abzubrechen, über das Striegauer Wasser zu gehen und sich auf einem vor der Stadt liegenden Felsen zu postieren. Dort befindet sich ein Topasbruch, der dem Berge den Namen gegeben hat3. Die Armee setzte sich um 8 Uhr abends in Bewegung und marschierte unter größter Stille nach rechts in zwei Treffen ab. Selbst das Rauchen war


1 Heute Siegeshöhe genannt; auf ihr steht der zum Andenken an die Schlacht errichtete Tempel.

2 Die Ritterberge südlich vom Dorfe Gräben bei Striegau.

3 Richtiger: der Breite Berg.