<48> in den Glücksgütern finden können, die wir im wechselnden Spiele des Lebens bald gewinnen, bald verlieren, so müssen wir es in uns selbst suchen. Es gibt aber — ich wiederhole es — kein andres als Seelenruhe. Deshalb muß unser eigner Vorteil uns antreiben, nach einem so kostbaren Gute zu streben und die Leidenschaften zu zügeln, wenn sie es stören.

Wie ein Staat nicht glücklich sein kann, der von Bürgerkriegen zerrüttet wird, so kann auch der Mensch kein Glück genießen, wenn seine empörten Leidenschaften der Vernunft die Herrschaft streitig machen. Alle Leidenschaften ziehen eine Züchtigung nach sich, die mit ihnen verknüpft zu sein scheint. Davon sind selbst die unsren Sinnen am meisten schmeichelnden nicht ausgenommen. Die einen zerrütten die Gesundheit, die andern bescheren uns ewig wiederkehrende Sorge und Unruhe. Bald bringen sie den Verdruß über das Mißlingen gewaltiger Pläne, die wir entworfen haben, bald den Kummer, nicht die Achtung zu erringen, die wir zu verdienen glauben. Der eine schäumt vor Wut, sich an seinen Beleidigern nicht rächen zu können; ein zweiter empfindet Gewissensbisse über zu barbarische Vergeltung oder fürchtet, nach hundert Betrügereien entlarvt zu werden.

Den Geizigen zum Beispiel quält unaufhörlich der Durst nach Reichtümern. Alle Mittel sind ihm recht, wenn er diesen nur stillt! Aber die Angst, das mit so vieler Mühe Zusammengeraffte wieder zu verlieren, raubt ihm den Genuß seines Besitzes. Der Ehrsüchtige verliert die Gegenwart aus den Augen, um sich blindlings in die Zukunft zu stürzen. Er gebiert unaufhörlich neue Pläne und tritt alles, auch das Heiligste, herrisch mit Füßen, um sein Ziel zu erreichen. Die Hindernisse, die sich ihm in den Weg stellen, reizen und erbittern ihn. Ewig schwankend zwischen Furcht und Hoffen, ist er in der Tat unglücklich, und selbst der Besitz dessen, was er begehrt, ist mit Überdruß und Ekel gepaart. Dieser unerquickliche Zustand läßt ihn neue Glücksplane schmieden, aber das Glück, das er sucht, findet er nie. Soll man in einem so kurzen Leben so weitschauende Pläne entwerfen? Der Verschwender, der doppelt so viel verschleudert, als er zusammenrafft, ist wie das Faß der Danaiden, das niemals voll wurde. Stets sinnt er auf Mittel zur Befriedigung seiner zahlreichen Begierden. Die aber vermehren seine Bedürfnisse immerfort, und so arten seine Lasier schließlich in Verbrechen aus. Der Liebestolle wird zum Spielball der Weiber, die ihn betrügen. Der flatterhaft Liebende verführt sie nur dadurch, daß er wortbrüchig ist. Der Ausschweifende zerstört seine Gesundheit und verkürzt sein Leben.

Aber welche Vorwürfe hat sich nicht erst der Hartherzige, Ungerechte, Undankbare zu machen! Der Hartherzige hört auf, ein Mensch zu sein, well er die Vorrechte seiner Gattung nicht ehrt und in seinesgleichen seine Brüder verkennt. Er hat kein Herz im Busen, und da er selbst kein Mitleid empfindet, so verwirkt er auch das Mitleid der andren. Der Ungerechte bricht den Gesellschaftsvertrag. Er zerstört, soviel er vermag, die Gesetze, unter deren Schutze er lebt. Er würde sich gegen jede Bedrückung auflehnen, maßt sich selbst aber das ausschließliche Vorrecht an, Schwächere zu unterdrücken.