<184>furcht. Ja, dies Muster eines Bürgers erfüllte alle Pflichten. Im Jahre 1742 ehelichte er Anna Maria Gerie, eine Witwe, obwohl unverheiratet. Dich rufe ich zum Zeugen an, keusche und schamhafte Gattin, in welcher Sanftmut, welchem Frieden, welchem Glück Du die Tage Deiner Ehe verbracht hast! Nie störte ein Gewitter die Heiterkeit Eures Himmels, nie loderte die Fackel der Zwietracht in die keusche Glut Eurer Liebe hinein. Eure Herzen waren einig. Ihr wart ein Muster der Eintracht und des Segens, den der Höchste seinen Getreuen verleiht. Der Gatte griff der Gattin in allem vor, und die Gattin kam den Wünschen ihres Gemahls entgegen. O allzu seltenes Glück, segensreicher Bund, der an die ersten beglückten Zeiten der Welt gemahnt, da noch die Unschuld auf Erden wohnte, jenes goldne Zeitalter, das die Dichter so preisen und das zur Beschämung der Welt leider nur in der glänzenden Einbildungskraft der Söhne Apollos besteht! Warum lassen sich solch schöne Beispiele nicht öfter finden? Woher kommt es, daß die Ehe bei denen, die der weltlichen Verderbtheit huldigen, nur ein langes Ärgernis ist? Das macht, meine Lieben, weil das Herz — ich wiederhole es — weil das Herz keinen Anteil daran hat.

In dem leichtfertigen, zerstreuungssüchtigen Leben der Vornehmen ist die Ehe nur ein Bund der Interessen. Man heiratet nicht für sich, sondern für den VorteU seiner Familie. Die Ehegatten leben, wie Paulus sagt, gleich als ob sie nicht verheiratet wären1. Der Geist der Leichtfertigkeit und des Unbestandes, ja oft eine Laune, genügt zum Zerreißen der Bande, die ewig sein sollten. Man trachtet nach dem Ruf eines Mannes, der bei Frauen Erfolg hat, trübt das häusliche Glück seines Nachbars, stiftet Hader in einer andren Familie, während man in sein eignes Haus Unftieden trägt. Die Frau, der man Treue schuldet, will die Krankung, die man ihr antut, nicht umsonst ertragen; sie findet unheilvolle Genugtuung in der Rache. Fortan ist der Friede aus dem Hause verbannt. Argwohn, Eifersucht, Jähzorn, Wut, unversöhnlicher Haß erfüllen die Herzen, in denen allein Liebe und Einigkeit wohnen sollten. Dahin ist alle Zärtlichkeit und Sanftmut. Keine Rückkehr, keine Verzeihung ist zu erhoffen, und das Haus solcher Eheleute, das ein irdisches Paradies sein sollte, wird zur Hölle auf Erden. So, meine Lieben, so vergiftet das Lasier, das sich unter den schmeichelndsten Formen einstellt, das Leben der Menschen, die seinen Lockungen nachgeben.

Nun vergleicht das Glück, das Mathias Reinhart genoß, mit der Zwietracht, die ich Euch eben geschildert habe! Hier seht Ihr Glück, dort Verzweiflung, hier eine ruhige Seele, dort ein bedrängtes Gewissen. Der eine findet bei der Heimkehr eine Freundin, der er sein Herz ausschütten kann, der andre eine Furie mit Schlangenhaaren, bereit, ihn ins Verderben zu stürzen. O unselige Verirrung, die uns in diesem wie in jenem Leben zugrunde richtet! Sie raubt uns ein Glück, das uns zustand, indem sie in uns die Glut zügelloser Begierden entfacht, die uns den Untergang bringen.


1 1. Korinther VII, Vers 29.