<167> Zwieback1 wirksame Kraft; wir geben ihn für das, was er ist2. O treffliches Allheilmittel! O, welche Wunderkuren hat er schon vollbracht! Wir lassen Wesen existieren, ohne daß sie sich an einem Orte befinden. Damit aber all diese Mittel den gewünschten Erfolg haben, müssen die Kranken ihre Seele erheben und ihr ganzes Vertrauen in unsre Arzneien setzen.“

Da unterbrach ihn sein Hanswurst, der ihm über die Schulter blickte. „Glaubt nicht alles, was er sagt, Ihr Herren“, sprach er. „Traut Ihr auch nur der Hälfte seiner Reden, so könnt Ihr Euch immer noch den Magen verderben und Euch an Abgeschmacktheiten übernehmen.“ Bei diesen Worten drehte sich der Quacksalber wütend um und schlug ihn gewaltig. „Seht Ihr,“ sprach der Possenreißer, „er hat unrecht; denn er wird böse. Lieber Meister,“ fuhr er fort, „ehrt Socinchen3 (so hieß er selbst), oder er wird sich eines Tages Eurer Bühne bemächtigen und Euch davonjagen.“ Großes Gelächter erscholl ob dieser Hanswurstiade.

Ich verließ jene Schar und ging zu einem Burschen, der auf seiner Bühne Fratzen schnitt, bei denen sich eine Schwangere entsetzen konnte. Er zitterte. Auch zitterten alle, die um ihn standen4. Darob erstaunte ich und fragte einen aus dem Volke, warum sie alle zitterten und warum sie nach Herzenslust so seltsame Faxen trieben. „Das geschieht,“ sagte jener, „um den Körper geschmeidiger zu machen. Ihr wißt zweifellos, daß im neuen sächsischen Exerzierreglement ein ähnlicher Brauch eingeführt ist5. Sie schlagen Rad mit den Armen und wiegen sich abwechselnd auf einem Beine. Das erhält den Körper beweglich und die Glieder behende; nichts ist so gesund.“ Alsbald begann der Quacksalber zu schnauben. Dann gab er uns teils näselnd, teils mit Kehllauten unverständliches Zeug zum besten. Die Zuhörer vergingen vor Wonne, klatschten in die Hände und riefen Bravo. Ich aber hatte genug davon und verließ den Begeisterten.

Dann trat ich an eine andre Bühne, aber ich gewann bei dem Wechsel nichts. Der Mann salbaderte über das fleckenlose Lamm, das sich ebenso selten fände wie der Apisstier6. Wer je von diesem Lamm koste, so sprach er, der werde geheilt vom Reichtum, der die wahre Quelle aller Krankheiten sei. Und barmherzig nahm er seinen Begeisterten alles ab und eignete es sich selbst an. „Denn“, so sprach er, „ich ziehe Eure Gesundheit der eignen vor, ich opfre mich als Sündenbock für das Heil meiner verehrten Zuhörer.“ Ich, der diesen Taschenspielerkunststücken mit ruhigem Blick zusah, merkte wohl, wie der Schelm mit seinem fleckenlosen Lamm den Reichtum all der Dummköpfe gewann, die den Betrug in ihrer Unwissenheit garnicht merkten.


1 Die Hostie.

2 Der Calvinismus nimmt im Abendmahl nur geistigen Genuß von Christi leib und Blut an: „das bedeutet meinen Leib“, im Gegensatz zum Katholizismus und Luthertum: „das ist mein leib“.

3 Anspielung auf Socinus (vgl. S 163).

4 Vermutlich eine Satire auf die seit der Mitte des 17. Jahrhunderts bestehende Sekte der Quäker („Zitterer“) oder die seit 1747 von ihnen abgezweigten Shakers, die Musik und Tanz beim Gottesdienst haben.

5 Freiübungen.

6 Satire aus die Pietisten.