<166> Erbauung hervor, trotzdem war jedermann zufrieden. Sein Hanswurst mit Namen Ezechiel war nackt und bloß wie ein Affe und hatte einen Buckel wie ein Packsattel. Alles Volk lachte, da er eine Brotschnitte aß, deren Gestank die ganze Versammlung verpestete1. Wie der Hanswurst behauptete, stärkte diese Nahrung die Augen und gab ihnen die Kraft, in die Zukunft zu blicken. Doch es wollte niemand an seinem Frühstück teilnehmen.

Sein Nachbar war ein Quacksalber von andrem Schlage. Er schrie aus Leibeskräften: „Flieht jenen Kurpfuscher, der Euch betrügt. Verlaßt ihn und kommt zu mir. Ich allein bin unfehlbar. Meine Heilmittel haben genügende Kraft und Wirkung. Die Substanzen verschwinden beim Schall meiner Stimme, wiewohl die Akzidenzien bleiben2. Nach meiner Rechnung ist drei gleich eins, das ist offenbar. Wenn mein Nachbar Euch zwickt und schneidet, ich besprenge Euch nur mit Wasser und zapfe Eure Börsen an. Nichts ist ungesunder, nichts verderblicher als eine volle Börse. Bei mir könnt Ihr Heilmittel gegen die gefährlichsten Krankheiten kaufen, zum Beispiel gegen das Leiden des Fegefeuers. Ich habe Säcklein voller Knochen gegen den panischen Schrecken und Ablaßelixiere gegen die Heftigsien und schrecklichsten Übel.“

Sein Spaßmacher war ein Tölpel, der sich zur KurzweU des Volkes starke Stockschläge auf die Brust geben ließ. Er hieß Augustin, umtanzte humpelnd ein Grab und trieb allerlei Mummenschanz, der dem Volke wohlgefiel, mir aber höchst gemein dünkte. Gleichwohl bemerkte ich mit Erstaunen, wie vor jener Bühne die Börsen der Zuschauer sich leerten und die des Quacksalbers sich zum Platzen füllte. Diese Leute lebten nur in der Einbildung, in künftigen Zeiten, und brüsieten sich im voraus mit der Gesundheit, deren sie sich nach Jahrhunderten erfreuen würden.

Meine Neugier zog mich sogleich zu einer andren Bude, deren Quacksalber, ein Bursch mit finstrer, mürrischer Miene, unbarmherzig über seinen Nachbar Herzog. „Glaubt nicht, was der verfluchte Gaukler Euch weismacht!“ schrie er. „Hütet Euch, diesem Schurken zu nahen. Er verdirbt und zerstört die alte Heiltunsi. Ich besitze sie noch; nicht sub una, sondern sub utraque3. Wir haben eine prächtige Arznei, die aus sub, in und cum besteht, eine andre aus sechs Gran Fatalismus und zwei Gran Freiheit, die wir von dem großen Alchimisten Calvin haben4. Gleichwohl besitzt der“


1 Hesekiel, Kap. I V, Vers 12.

2 Satirische Anwendung der scholastischen, von Aristoteles entlehnten Unterscheidung zwischen Substanz (Wesenheit) und Akzidenzien (Eigenschaften), insbesondere bei der Lehre von der Messe, in welcher durch den Priester die Substanz von Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt wird, während die Akzidenzien unverändert bleiben.

3 Anspielung auf die gemäßigte Partei der Hussiten, die sogenannten Utraquisten, die das Abendmahl in beiderlei Gestalt (sub, utraque specie) forderten. Auch das folgende Wortspiel von sub, in und cum (unter, in und mit) bezieht sich auf die Abendmahlslehre.

4 Verspottung der von Calvin wiederaufgenommenen Augustinischen Prädestinationslehre, wonach Gott durch „Gnadenwahl“, d. h. durch völlig freien Ratschluß, die Seligkeit der Auserwählten und die Verdammung der Verstoßenen bestimmt. Vgl. den Brief Pauli an die Römer, Kap. IX.