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Am andren Ende des Platzes tauchte ein Mann mit einem großen Turban auf. Er war ein Quacksalber wie die andren und heilte seine Kranken durch das Mittel des „schmalen Steges“1, durch häufige Bäder und durch Fasten, die er ihnen verschrieb. Den barmherzigen Seelen, die Hunde und Katzen fütterten, versprach er schöne Houris2. Der Fatalismus spielte bei all seinen Heilmitteln eine Rolle, und seine Zuhörer waren in einem Zustande der Erschlaffung, als hätten sie eine zu große Dosis Opium genommen. Sein Hanswurst nannte sich Derwisch. Seine ganze Darbietung bestand darin, daß er sich unaufhörlich auf demselben Fleck im Kreise drehte, bis er schließlich ganz von Sinnen und leblos umfiel3, und jedermann klatschte ihm Beifall. Dies Schauspiel stieß mich durch seine Wildheit ab. Ich verließ die Bühne und näherte mich einer andren.

Dort stand ein Wesen, das nichts Menschlichem glich. Es hatte kleine Schlitzaugen, einen Katzenbart am Kinn und eine wie mit Absicht plattgedrückte Nase. Ich dachte bei mir, man solle gegen kein Gesicht Vorurteile hegen, und in diesem Kopfe könne gesunder Menschenverstand wohnen, so gut wie in einem andren. Aber mein Mann enttäuschte mich sehr bald. Er verteilte Nägel an das Volk, um sie sich in den Hintern zu stoßen4. Er behauptete, das zöge die Krankheit in diesen KörperteU und entlastete die andren. Ja, er versicherte mit beispielloser Unverfrorenheit: wer nach seinem Tode nicht ein Truthahn noch ein Postpferd werden wolle, der müsse Kopf, Arme und Füße in eine Art von Marterholz stecken, das alle Glieder des Patienten zusammenschnürte. Das Volk gehorchte ihm stumpf. Ich sah an die fünfzig vernagelte Hintere und eine Unmenge von Zuhörern, die spannten ihre Leiber in das Joch, das der Quacksalber ihnen auflegte. Ein unflätiger Spaßmacher, der bei ihm stand, ließ sich von den Weibern ein Glied küssen, das sonst zu andren Dingen gebraucht wird, und der blöde Pöbel klatschte bei all diesen abstoßenden Gemeinheiten stumpfsinnig Beifall.

Ich fände kein Ende, wollte ich die Zahl der Schelme und Verbrecher beschreiben, die sich ihr Brot durch Mißbrauch der Leichtgläubigkeit des Volkes verdienten. Genug, daß sie alle darin einig waren, sich untereinander zu hassen und zu beschimpfen und Abgeschmacktheiten zum besten zu geben, die hinter den plumpsten Ammenmärchen nicht zurückblieben.

Unter diesem großen Schwarm der Betrogenen fand ich ein paar denkende Köpfe, die nur dabei waren, um festzustellen, wie weit die Torheit der Menschen gehen kann. Ich sprach sie an und fragte sie, was sie von alledem hielten. „Ach!“ sagte einer von ihnen, „es erbarmt uns der armen Menschheit! Der gemeine Verstand ist bei ihr nicht so allgemein, wie man annehmen sollte. Die große Menge der Dummen bringt Betrüger hervor. Wir begnügen uns damit, weder zu diesen noch zu jenen zu gehören und nie etwas zu glauben, was unser Verstand verwirft.“


1 Vgl. S. 129.

2 Die Dienerinnen des mohammedanischen Paradieses.

3 Anspielung auf die tanzenden Derwische der Mohammedaner.

4 Verspottung der buddhistischen Askese.