<88>bergische Prinzeß1 — sie war recht jung — und drei Töchter des Landgrafen von Hessen-Darmstadt, deren älteste Schwester den Prinzen von Preußen geheiratet hatte. Es war also höchst vorteilhaft, wenn eine darunter Großfürstin wurde; dann hätten die verwandtschaftlichen Bande das politische Bündnis noch gefestigt und Preußen enger denn je mit Rußland verknüpft. Der König setzte alle Hebel in Bewegung, um es dahin zu bringen, und das gelang ihm auch völlig. Die Darmstädtischen Prinzessinnen reisten über Berlin nach Petersburg; die zweite Tochter des Landgrafen trug den Apfel davon, und die Hochzeit wurde feierlich begangen (1773)2.

Die neue Großfürstin betrug sich nicht so, wie man von einer Prinzessin ihres Geblüts erwarten durfte. Sie war in einer Zeit der Ränke und Kabalen nach Petersburg gekommen, wo der ganze Hof durch die Umtriebe der fremden Gesandten aufgewühlt war. Der spanische und französische Vertreter3 setzten alles daran, um Hader zwischen Rußland, Österreich und Preußen zu stiften. Fürchteten sie doch, daß ein allzu festes Bündnis zwischen diesen drei Mächten zustandekommen könnte. Um ihr Ziel zu erreichen, glaubten sie sich eine Partei bilden zu müssen, die ihnen zu Gebote stände. So kamen sie auf den Einfall, wenn sie die Großfürstin auf ihre Seite brächten, werde ihnen das übrige nicht schwer fallen. Zu dem Zweck gewannen sie einen Fürsten Rasumowski, der im persönlichen Dienste des Großfürsten war. Als Werkzeug der Gesandten ging Nasumowski in seiner Dreistigkeit so weit, daß er zum Liebhaber der Großfürstin wurde, bei der er dank der Gunst ihres Gatten freien Zutritt hatte. Sie machte sich die Ansichten ihres Geliebten zu eigen und geriet völlig in seinen Bann. Auf diese Weise kam sie ganz in das Fahrwasser des spanischen Botschafters. Anderthalb Jahre nach der Hochzeit ward sie guter Hoffnung, aber wie man sich allgemein zuraunte, nicht von ihrem Gemahl. Der Berliner Hof bekam Wind von all diesen Umtrieben und gefährlichen Machenschaften.

Ferner waren damals neue Reibereien in Warschau wegen der polnischen Gebiete entstanden, die die Teilungsmächte besetzt hatten. Die Sarmaten erhoben lautes Gezeter und beschuldigten Österreich und Preußen, ihre Grenzen weit über das vertragsmäßig Ausbedungene erweitert zu haben4. Diese Klagen hatten Eindruck auf die Zarin gemacht; denn es schmeichelte ihrer Eigenliebe, an große Monarchen Provinzen verschenkt, und mehr noch ihrem Stolze, die Grenzen bestimmt zu haben.

Um den etwaigen schlimmen Folgen der Verstimmung der Zarin vorzubeugen und sie schleunigst.zu beschwichtigen, beschloß der König, Prinz Heinrich nach Petersburg zu schicken, angeblich um ihr einen Besuch abzustatten, zu dem sie ihn eingeladen hatte5. Hinzugefügt muß werden, daß der König sich mit dem Wiener Hofe ins Ein-


1 Prinzessin Dorothea, Tochter des Prinzen Friedrich Eugen von Württemberg, eine Großnichte König Friedrichs.

2 Vgl. S. 44.

3 Graf Lacy und Durand.

4 Vgl. S. 50.

5 Nachdem die Zarin bereits Anfang 1774 einen zweiten Besuch des Prinzen Heinrich angeregt und ihn dann zur Teilnahme an den Festlichkeiten zur Feier des Friedens mit den Türken eingeladen hatte, wurde der Besuch auf das Frühjahr 1776 verschoben. Am 13. April 1776 traf Heinrich in Petersburg ein.