<87> Krieges. Hatten doch im Kriege von 1756 Niedersachsen und Westfalen allein ein Heer gestellt, das alle Invasionspläne der Franzosen zum Stocken gebracht und vereitelt hatte. Aus diesem Grunde machte er Schwierigkeiten beim Durchmarsch der Truppen, die an England verkauft waren, soweit ihr Weg durch das Magdeburgische, das Mindener Land und die niederrheinischen Provinzen führte. Das war nur eine schwache Vergeltung für die schlimmen Praktiken, die der Londoner Hof wegen der Stadt Danzig und ihres Hafens1 gegen ihn geübt hatte. Immerhin wollte der König die Dinge nicht auf die Spitze treiben. Lange Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß man schon Feinde genug auf Erden hat, auch wenn man sich nicht die Mühe gibt, sich leichtfertig neue auf den Hals zu laden.

Soviel von England während der kurzen Zeitspanne, deren Begebenheiten wir hier skizzieren wollen. Wir ziehen nun die Summe des Denkwürdigen, das sich zur selben Zeit in Rußland zutrug.

Die Kaiserin von Rußland hatte eben den Türkenkrieg beendet2. Ihre Truppen hatten ihr großen Ruhm erstritten, aber der Staat war an Menschen und Geld fast erschöpft und der Friede so wenig gesichert, daß der Großwesir selbst dem russischen Gesandten bei der Pforte, Fürst Repnin, erklärte: wenn der Krim-Khan nicht unter die türkische Herrschaft zurückkehrte und die Zarin Kertsch und Ienikala nicht zurückgäbe, so würde der der Türkei abgepreßte Friede nicht von langer Dauer sein. Auf Grund dieser Erklärung besetzten die russischen Truppen Perekop, und alsbald brachen die Feindseligkeiten in der Krim wieder aus. Es war kein förmlicher Krieg, bei dem zwei große Heere sich gegenüberstanden, sondern es kam nur zu Einfällen, zu Landungen türkischer Truppen an verschiedenen Küstenpunkten, die zu kleinen Kämpftn führten. Die Russen gingen zwar stets als Sieger daraus hervor, aber dieser Ungewisse Zustand beunruhigte die Zarin. Mußte sie doch ihr Heer an der Grenze der Tartarei versammeln und ein starkes Korps in Kiew halten, um im Notfall einer Truppenmacht von 40 000 Türken entgegenzutreten, die bei Bender lagerten und von da leicht einen Vorstoß quer durch Polen gegen die russischen Provinzen jenseits des Dnjestr machen konnten. So herrschte weder Krieg noch Friede; die Ausgaben der Zarin waren aber ebenso groß wie bei einem erklärten Kriege zwischen beiden Mächten.

Andere Vorgänge, die nicht minder zur Zeitgeschichte gehören, spielten sich am Petersburger Hofe selbst ab. Als ihr Sohn, der Thronfolger, ins heiratsfähige Alter kam, wollte die Zarin ihm eine Gattin auswählen. Es sollte eine deutsche Prinzeß sein, deren Alter und Person ihrem Sohne zusagte. Die Wahl war für den Berliner Hof nicht gleichgültig, da diese Eheschließung seinen Interessen günstig oder nachteilig werden konnte. Deutschland war damals arm an Prinzessinnen. Nur drei oder vier kamen in Frage; die meisten waren zu alt oder zu jung. Unter denen, die zur Wahl standen, war eine Schwester des Kurfürsten von Sachsen3, eine württem-


1 Vgl. S. 32. 42.

2 Vgl. S. 49.

3 Es liegt ein Irrtum vor. Eine sächsische Prinzeß kam nicht in Frage.