April.

A.

April 1779

Der König in Breslau. Während seines Aufenthalts in dieser Stadt war seine Erholung von den Arbeiten der Staatsgeschäfte, die Unterhaltung über wissenschaftliche Gegenstände mit einigen dasigen Gelehrten, als: dem Professor Garve<198> und dem Rector Arletius vom Elisabethanischen Gymnasium.

Garve hat seine Unterredungen nicht bekannt gemacht, erwähnt ihrer aber in der Vorrede zu seinem Buche : "Fragmente zur Schilderung des Geistes etc. Friedrich's des Zweiten etc." Seite III-VII. Unter andern sprach der König mit ihm über Cicero, und foderte ihn auf, dessen Schrift : "von den Pflichten," zu übersetzen, und gab zugleich die Art der Anmerkungen an, die er hinzufügen sollte. (Briefe von Garve an Weiße, I. 149). Anfangs Novbr. 1783 hatte Garve das Werk beendigt und dem König überschickt, der ihm unter dem 25sten desselben Monats in einem Schreiben seinen Beifall darüber zu erkennen gab. Von des Arletius, eines Gelehrten von altem Schlage und großen Sonderlings, Unterredungen mit dem König sind nur Einzelnheiten bekannt. Einmal nannte er dem König einige Namen aus der alten dunkeln Slavischen und Böhmischen Geschichte, und als der König diese unbekannt fand, sagte er: "Das wundert mich, Ew. Majestät haben ja die Mémoires de Brandenbourg geschrieben." Ein ander Mal behauptete er, es sei ein Fehler, das D. G. (Dei gratia) auf den Münzen wegzulassen 198-+, wie seit Sr. Majestät Regierung geschehen, und als der König dagegen bemerkte, daß sich das D. G. auch nicht auf den Münzen der alten Kaiser befände, erwiederte er: "Ja, das waren auch Heiden." Der König schenkte ihm, da er ihn irrig für arm hielt, weil er nur ein sehr mäßiges Gehalt hatte, 20 Stück Friedrichsd'or, und wiederholte dies Geschenk jedes Mal, wenn er nach Breslau zur Revue kam. Von diesem Golde hat Arletius kurz vor seinem Tode eine Medaille prägen lassen, wovon sich ein Exemplar bei der Münzsammlung der Bibliothek des gedachten Gymnasiums, deren Vorsteher er war, befindet. Dem Stempelschneider

<199> hatte er ausdrücklich befohlen, daß er ja das Dei gratia vor dem Titel des Königs nicht vergessen solle. Er ist im Januar 1784 gestorben und hat sein ganzes nicht unbedeutendes Vermögen - etwas über 10000 Thlr. - der Elisabethschule vermacht, um von den Zinsen die Gehalte der Lehrer zu verbessern und ihre Wittwen und armen Töchter zu unterstützen. Auch ein Stipendium hat er gestiftet, und etwas zur jährlichen Vermehrung der Rhedigerischen Bibliothek, die auch viele Bücher erhielt, ausgesetzt.

Mit dem Minister von Herzberg unterhielt sich der König mehrmals über wissenschaftliche Gegenstände, und äußerte einmal, wie er zweifle, daß Tacitus im Deutschen so kurz wie im Französischen übersetzt werden könne, ferner, daß die alten Gothen aus Schweden gekommen wären, und daß die Arsakischen Könige der Parther in der alten Geschichte eine sehr große Rolle und fast mehr wie die Deutschen gespielt hätten. Der Minister von Herzberg nahm davon Gelegenheit, dem König eine Französische und Deutsche Übersetzung des XXXVII. und des XLIV. Kapitels aus Tacitus Buch : "Von dem alten Deutschland" zu übersenden, wobei das Lateinische Original der Übersetzung zur Seite beigefügt war. Er schrieb zugleich Folgendes an den König: "Ich nehme mir die Freiheit, Ew. Majestät ein Kapitel aus Tacitus Germanien vorzulegen, das ich ins Deutsche und Französische übersetzt habe. Wie mich dünkt, giebt die Deutsche Uebersetzung der Französischen weder in der Präcision noch in der Reinheit etwas nach. Dies Kapitel beweist zugleich, wie sehr Tacitus die Deutschen den Parthern und den Arsakiden vorzog; auch läßt sich daraus zeigen, daß die Gothen, die Suewen oder Vandalen, die Longobarden, die Angeln, die Rugier, die Heruler und andere Völker, welche in der Folge das Römische Reich umstürzten, zwischen der Elbe und der Weichsel, also gerade in den Gegenden gewohnt haben, die jetzt Ew. Majestät Herrschaft unterworfen sind.

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Ich hoffe, Dieselben werden mir verzeihen, daß ich so dreist bin, Ihnen diesen kleinen Versuch vorzulegen.

Breslau, den 29. April 1779.
Herzberg."

Schon nach einer halben Stunde schickte der König diesen Brief an den Minister zurück, und hatte folgende Marginal-Antwort eigenhändig beigefügt: "Ich habe den Versuch einer Uebersetznng des Tacitus, die Sie mir zuschicken, gelesen; dagegen läßt sich gar nichts sagen; aber er enthält nur eine Beschreibung von den Sitten der Deutschen; und so etwas ist nicht schwer zu übersetzen, wohl aber sein lehrreicher (sentenieux) und kräftiger Styl, mit welchem er in wenig Worten die Charaktere und Laster der Römischen Kaiser zeichnet. An dem Leben des Tiberius, des Claudius, mögen die Uebersetzer sich versuchen. Die lakonische und zugleich malerische Schreibart darin, durch die er mit wenig Worten so Viel sagt - die verdient von unsern Schriftstellern nachgeahmt zu werden. Wenige Worte und viel Sinn! das sollten sie sich bei ihren Arbeiten zum unverbrüchlichen Gesetz machen. Quot verba tot pondera. Ich bitte Sie um Verzeihung, daß meine Ignoranz so dreist ist, vor Ihrer Sapienz Latein anzuführen. Doch ich hoffe, Sie werden mir meine Anmaßung vergeben.
Friedrich."

(Huit Dissertations que le Comte de Herzberg etc. a lues dans les assemblées pupliques de l'Academie Royale etc. de Berlin etc. p. 39).


198-+ Es findet sich noch auf Münzen von 1749.