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Hirtenbrief Sr. Hochwurden des Bischofs von Aix, worin die gottlosen Werke des p. p. Marquis d'Argens verdammt werden und auf seine Verbannung aus dem Königreiche erkannt wird (1766)1

Johann Baptist Antonius de Brancas, durch Gottes Barmherzigkeit und die Gnade des Heiligen Stuhles Bischof von Aix, entbietet Heil und Segen allen Gläubigen unsrer Diözese.

Christus, liebe Brüder, hat gesagt: „Es werden sich unter Euch erheben falsche Christi und Propheten; denen sollt Ihr nicht glauben.“2 Der große Apostel der Heiden sagt an andrer Stelle: „In den letzten Zeiten wird Gott kräftige Irrtümer senden, die die Gemeinde verführen.“3 Dünkt es Euch nicht, liebe Brüder, daß wir in dem Jahrhundert leben, das die Heilige Schrift so deutlich bezeichnet? Geht diese unselige Weissagung in unsren Tagen nicht offenbar in Erfüllung? Ich brauche Euch nicht erst zu erklären, welchen Sinn erleuchtete Schriftsteller den Worten falsche Propheten, falsche Christi, kräftige Irrtümer zuschreiben. Es sind jene reißen, den Wölfe, die mit blutdürstigen Zähnen in den Schafstall des Herrn einbrechen wollen. Es sind jene verderbten Seelen, jene Geister der Finsternis, die ihren traurigen Trost darin finden, sich Genossen bei den unaussprechlichen Qualen zu werben, die sie selbst leiden. Sie zeigen sich unter verschiedenen Namen und Bezeichnungen: strenge Mathematiker, die mit ihrem Zirkel die Welt ausgemessen haben wollen und unsre heiligen Lehren ihren eitlen Formeln und Wahrscheinlichkeitsrechnungen unterwerfen möchten, dreiste Enzyklopädisten, die alle Tiefe des Geistes verloren haben,


1 Nach dem Vorbild von Voltaires „Mandement du révérendissime père en Dieu, Alexis, archevêque de Novogorod la Grande“ verfaßte König Friedrich im Frühjahr 1766 den obigen „Hirtenbrief“, um seinen Freund Jean Baptist de Boyer, Marquis d'Argens (1704—1771), der im September 1764 in seine Heimatstadt Air in der Provence gereist war, zur Rücklehr nach Potsdam zu bestimmen. Daher sieht auch in der Überschrift statt Erzbischof Bischof von Aix, um anzudeuten, daß es sich nur um ein fingiertes Schriftstück handelt.

2 Nach Markus XIII, Vers 21 f., Lukas XXI, Vers 8.

3 Nach II. Thessalonicher II, Vers II.