<115>

Bericht des Phihihu, Sendboten des Kaisers von China in Europa (1760)1

Aus dem Chinesischen.

1. Brief.

Erhabner Kaiser, Stern des Lichtes, Wunder unsrer Tage, Trost Deiner Sklaven, 0 Du, dessen Fußschemel zu küssen ich nicht wert bin! Deinem Gebot gemäß habe ich die große Reise unternommen, die Du mir auftrugest. Ich kam mit Pater Berteau in Konstantinopel an, ohne daß uns unterwegs irgend ein Leids geschehen wäre. Konstantinopel ist zwar eine sehr große Stadt, aber sie reicht doch nicht an Peking heran. Hier herrscht ein neuer Türkenkaiser2, der vor kurzem seinem Oheim auf dem Throne gefolgt ist. Mit Erstaunen erblickte ich bei diesem Volke große Augen und Bärte, die Wäldern gleichen. Alle Europäer sollen ebenso sein; ich zweifle aber, ob sie besser sehen als wir. Die Barte tragen sie, wie man mir sagte, um sich ein weises Ansehen zu geben. Bei einem Spaziergang in Pera sah ich ein Tier mit Hörnern, das nach seinem Barte zu urteilen weiser sein mußte als alle jene Leute. Ich fragte, ob es in großem Ansehen stünde. Da hätte man mich fast gesteinigt, und ich rettete mich mit meinem Jesuiten in das Haus eines Gesandten, der zwar keinen Bart hatte, mir aber ebenso menschlich erschien, wie meine Steiniger mir wild dünkten. Nach diesem Abenteuer hielt ich ein längeres Verweilen in einem Lande, wo man fremde Frager so übel aufnimmt, nicht für geraten.

Wir fanden ein Schiff, das nach Italien segelte. Pater Berteau und ich bestiegen es. Unterwegs sah ich nichts Bemerkenswertes als die Kanonen der Darda-


1 Nach dem Vorbild der „Lettres persanes“ von Montesquieu gibt König Friedrich in der obigen, im Frühjahr 1760 verfaßten Flugschrift eine Kritil des Systems der römischen Kurie. Sie bedeutet nach seinen Worten „einen Tatzenhieb gegen den Papst, der die Degen unsrer Feinde segnet und Königs, Mördern in der Kutte eine Freistatt gewährt“, „einen Schrei der empörten Vernunft gegen das schmähliche Gebaren dieses Baal-Papstes“. Für die Verleihung des geweihten Hutes und Degens durch Klemens XIII. an Feldmarschall Dann und für die Aufnahme der nach dem Attentat des Paters Malagrida auf König Joseph I. aus Portugal vertriebenen Jesuiten im Kirchenstaate vgl. Bd. III, S. 153 f.

2 Mustapha III. war am 28. Oktober 1757 seinem Vetter Osman III. auf dem Throne gefolgt.