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Ich gebe zu, keine Ordnung im Heerlager ohne Strenge; wie will man sonst lieber, liches Gesindel, Wüstlinge, Verbrecher, Feiglinge, Abenteurer, ungeschlachte und seelenlose Kerle zur Pflichterfüllung anhalten, wenn nicht die Furcht vor Strafen sie in Schranken hält? Was ich hier von Machiavell verlange, ist allein vernünftige Einschränkung. Er muß sich doch sagen, daß der rechte Mann, wenn auch seine GutHerzigkeit ihn zur Milde bestimmt, nichtsdestoweniger, wenn's die Klugheit gebietet, auch mal hart dreinfassen kann; doch mit den strengen Maßnahmen wird er's halten wie der kundige Seemann: erst wenn die letzte Gefahr in Sturmesnöten ihn zwingt, kappt er Mast und Taue seines Fahrzeugs.

Doch Machiavell ist noch nicht am Rande mit seiner Weisheit; ich komme zum verfänglichsten, spitzfindigsten und blendendsten seiner Sätze: ein Fürst tut besser daran, wenn er dafür sorgt, daß man ihn fürchte, als dafür, daß man ihn liebe; die Menschen neigen in ihrer Mehrheit zur Undankbarkeit, zur Veränderung, Verstellung, Feigheit und Habgier; da ist denn, bei der Bosheit und Niedrigkeit der Menschen, art, die Liebe ein gar zu schwächlich Band, das so leicht keinen verpflichtet, wieviel stärker bindet da die Furcht vor Strafe die Leute an ihre Pflicht. Ob einer einem seine Neigung schenken will, das hängt von ihm ab, nicht aber, ob er vor jemand Angst habe; gescheiter also, ein Fürst ist nicht auf den guten Willen anderer ange, wiesen, sondern sieht auf sich allein.

Was ich dagegen zu sagen habe, ist dies: daß es undankbare und daß es heuchlerische Menschen gibt, leugne ich nicht, ebensowenig, daß zu Zeiten mit der Furcht sich sehr viel erreichen läßt. Doch das möchte ich betonen, daß ein König, dessen ganze Staatstunsi nur darauf hinausläuft, daß man ihn fürchte, ein Herr über Sklaven sein wird; großer Leistungen darf er sich von seinen Untertanen nicht versehen, denn was in Furcht und Zagen geschieht, das sah noch immer danach aus. Ein Fürst hingegen, dem es gegeben ward, Liebe zu erwerben, wird wirklich Herr über die Herzen sein, denn seine Untertanen finden sich nur wohlgeborgen unter seiner Herrschaft, und wie reich ist da die Geschichte an Beispielen großartiger, herrlicher Taten, Taten der Liebe und der treuen Anhänglichkeit. Ich füge hinzu, daß es mit der Mode der Aufstände und Revolutionen in unseren Tagen völlig vorbei zu sein scheint; kein Königreich, außer England, wo der König noch den geringsten Anlaß hätte, von seinen Völkern etwas zu fürchten — auch in England nur dann, wenn er selber den Sturm heraufbeschwört.

Ich schließe also damit, daß ein grausamer Herrscher viel eher mit Verrat rechnen muß denn ein milder. Grausamkeit ist unerträglich, und bald wird der Mensch es müde, immer in Angst zu leben; Güte aber ist allezeit liebenswert, und des Liebens wird niemand müde. Zum Heile der Welt wär's darum wünschenswert, die Fürsten wären gut; allzu nachsichtig brauchten sie darum nicht zu sein, damit die Güte stets eine Tugend an ihnen sei und nie eine Schwäche.