9. Kapitel Verschiedene Lager23-2

Der Heerführer muß sich sein Lager selbst wählen; denn von der Wahl des Ortes hängt der Erfolg seiner Unternehmungen ab. Das Lager wird bisweilen sein Schlachtfeld, und da in diesem Teile der Kriegskunst viel zu bedenken ist, so werde ich ziemlich ins Detail gehen müssen. In bezug darauf, wie die Truppen kampieren<24> müssen, berufe ich mich auf mein Reglement24-1 und rede hier nur von den großen Gesichtspunkten und von dem, was den Heerführer selbst betrifft.

Alle Lager, die man bezieht, dienen im großen und ganzen entweder zur Defensive oder zur Offensive.

I. Versammlungslager

Die Lager, in denen eine Armee sich zusammenzieht, gehören zur ersten Art. Bei ihnen richtet man sein Augenmerk nur auf die Bequemlichkeit der Truppen. Sie kampieren korpsweise, nicht weit von den Magazinen, doch so, daß die Armee sich in kurzer Zeit in Schlachtordnung aufstellen kann. Da solche Lager vom Feind entfernt sind, so hat man nichts zu befürchten. Der König von England lagerte sich in dieser Weise sehr unvorsichtig den Franzosen gegenüber am Mainufer und wäre bei Dettingen fast geschlagen worden24-2. Als Haupttegel bei der Wahl aller Lagerplätze gilt, daß die Truppen Holz und Waffer in der Nähe haben müssen. Die Preußen verschanzen sich in ihrem Lager, wie einst die Römer, sowohl zum Schutz gegen etwaige nächtliche Angriffe der leichten Truppen, die der Feind in großer Zahl hält, als auch, um die Desertion zu verhindern. Denn ich habe stets gefunden, daß wir weniger Deserteure hatten, wenn wir unser Lager mit einer zusammenhängenden Befestigung umgaben, als wenn wir diese Vorsichtsmaßregel unterließen.

II. Standlager

Stand oder Ruhelager bezieht man entweder, um zu warten, bis das Gras zum Schnitt heran ist oder bis die Absichten des Feindes deutlich hervortreten, um danach seine Maßregeln zu treffen. Da man in solchen Lagern nur Ruhe sucht, wählt man sie so, daß sie entweder durch einen Fluß oder durch einen Morast gedeckt sind, kurz, daß ihre Front unzugänglich ist. Solcherart war das Lager von Strehlen24-3. Sind die vor dem Lager fließenden Bäche zu klein, so staut man sie auf, um durch Überschwemmungen seinen Zweck zu erreichen.

Der Heerführer darf in solch einem Lager, wo er vom Feinde wenig zu besorgen hat, keineswegs müßig sein, sondern er wird sein ganzes Augenmerk auf seine Armee richten. Die Ruhe erlaubt ihm, die Zügel der Mannszucht straff anzuziehen und auf strenge Handhabung des Dienstes zu halten, wie es in meinem Reglement vorgeschrieben ist. Er muß darauf sehen, ob die Offiziere auf den Wachen aufpassen, ob sie alles wissen, was sie auf ihrem Posten zu tun haben, ob alle Kavallerie- und Infanteriewachen nach den von mir gegebenen Regeln ausgesetzt sind. Die Infanterie<25> muß wöchentlich dreimal exerzieren, die Rekruten täglich. Zuweilen müssen ganze Korps zusammen manövrieren. Auch die Kavallerie muß exerzieren, wenn sie nicht auf Fouragierung ist. Der Heerführer muß darauf halten, daß die jungen Pferde und die neuen Reiter gut dressiert werden. Er muß die Kriegsstärke eines jeden Korps prüfen, die Pferde mustern, die Offiziere belobigen, die für ihre Pferde gut gesorgt haben, und die streng tadeln, die sie vernachlässigt haben. Denn man muß nicht glauben, eine große Armee käme von selber in Zug. Überall sind nachlässige und faule Leute in großer Zahl darunter. Es ist Sache des Heerführers, sie beständig anzutreiben und zu ihrer Pflicht anzuhalten.

Dergestalt sind die Standlager, wenn sie in der angegebenen Weise benutzt werden, von unendlichem Nutzen, und die Ordnung und Gleichmäßigkeit im Dienste, die man in ihnen erneuert, hält für den ganzen Feldzug vor.

III. Lager zum Fouragieren

Die Lager zum Fouragieren werden zuweilen nahe, zuweilen weit vom Feinde bezogen. Ich will hier nur von den ersteren reden. Man wählt sie in den fruchtbarsten Gegenden und in einem Gelände, das entweder von Natur stark oder durch Aufwerfen einiger Verschanzungen befestigt wird. Die Lager zum Fouragieren müssen fest sein, wenn sie in der Nähe des Feindes sind; denn Fouragierungen sind immer als Absendung eines Detachements anzusehen. Oft ist ein Sechsiel, ja zuweilen sogar die Hälfte der ganzen Armee dabei. Das gibt dem Feind eine schöne Gelegenheit, Euch zu Eurem Nachteil anzugreifen, wenn die Festigkeit Eures Lagers ihn nicht davon abhält. Aber auch wenn Eure Stellung vorzüglich ist, wenn Ihr auch anscheinend nichts zu befürchten habt, so sind doch noch andre Vorsichtsmaßregeln zu treffen. Man muß die Tage und Orte, an denen man fouragieren will, geheim halten und dem General, der die Fouragierung leiten soll, die Disposition erst spät am Abend vorher geben. Überdies muß man so viel Patrouillen wie möglich ausschicken, um über die Bewegungen des Feindes Bescheid zu wissen, und womöglich am gleichen Tage fouragieren wie er; denn alsdann hat man weniger zu besorgen25-1.

Das Lager des Prinzen von Lothringen hinter Königgrätz war von Natur unangreifbar und zum Fouragieren sehr geeignet. Unser Lager bei Chlum war durch seine Befestigung stark, nämlich durch den Verhau, den ich auf dem rechten Flügel anlegen, und durch die Schanzen, die ich aufwerfen ließ, um die Front der Infanterie zu decken25-2.

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IV. Verschanzte Lager

Man verschanzt sein Lager, wenn man eine Stadt belagern oder ein schwieriges Defilee verteidigen will, wo man der Natur mit Befestigungswerken zu Hilfe kommen muß, um vor feindlichen Angriffen geschützt zu sein. Folgende Regeln sind bei allen Verschanzungen durchgehends zu beobachten: gute Wahl des Geländes, Benutzung aller Moräste, Flüsse, Überschwemmungen und Verhaue, wodurch sich der Umfang der Verschanzungen verringern läßt. Es ist besser, sie zu eng als zu weitläufig zu machen; denn nicht die Verschanzung hält den Feind auf, sondern die Truppen, die man ihm entgegenstellt. Ich würde also nie eine Verschanzung anlegen, wenn ich sie nicht mit einer zusammenhängenden Linie von Bataillonen besetzen und außerdem noch eine Infanteriereserve bereithalten könnte, um sie nach Bedarf zu verwenden. Auch Verhaue sind nur insofern gut, als sie von Infanterie verteidigt werden. Vor allem muß man darauf sehen, daß die Verschanzungen rund um die belagerte Stadt gut angelehnt sind. Sie stoßen gewöhnlich an einen Fluß. Dann muß der Verschanzungsgraben so tief in den Fluß hineingehen, daß man leinen Grund mehr erreicht und ihn nicht durchwaten kann. Läßt man diese Vorsicht außer acht, so läuft man Gefahr, umgangen zu werden. Ich füge noch hinzu, wenn man sich um eine Stadt, die man belagern will, verschanzt, so muß man sich vor allem im voraus mit Lebensmitteln versorgen. Auch müssen die Verschanzungen gut flankiert sein, damit der Feind auf jedem Angriffspunkt vier bis fünf Kreuzfeuer auszuhallen hat. Verschanzungen in Bergschluchten erfordern viel Sorgfalt und Vorsicht. Vor allem gilt es, seine Flanken gut zu sichern. Zu dem Zweck wirft man an beiden Flügeln Schanzen auf, an die sie sich anlehnen, und bisweilen wird die Verschanzung in der Flanke weitergeführt, damit die darin stehenden Truppen keine Umgehung zu befürchten haben. Geschickte Leute wissen den Feind zum Angriff auf bestimmte Punkte zu zwingen. Die befestigen sie dann doppelt, z. B. durch Vertiefung der Gräben, durch Palisaden und spanische Reiter an den Bermen, durch Verstärkung der Brustwehren, sodaß sie dem Geschützfeuer standhalten, und durch Anlage von Wolfsgruben an den gefährdetesten Stellen26-1.

V. Defensive Lager

Jetzt will ich von den Defensivlagern reden. Ihre Stärke liegt allein in dem Gelände. Sie haben keinen andern Zweck, als einen Angriff des Feindes zu verhindern.

Sollen solche Stellungen ihren Zweck völlig erreichen, so müssen Front und beide Seiten gleich stark sein, der Rücken aber muß frei und offen bleiben. Das ist bei Höhen<27> der Fall, die eine steil abfallende Front haben und in den Flanken durch Moräste gedeckt sind, wie beim Lager von Marschowitz, in dem der Prinz von Lothringen stand27-1. Oder sie müssen in der Front durch einen morastigen Fluß und in den Flanken durch Teiche gedeckt sein, wie das Lager bei Konopischt, wo wir im Jahre 1744 kampierten27-2. Oder man lagert im Schutze einer Festung, wie Feldmarschall Neipperg, der nach dem Verluste der Schlacht von Mollwitz ein vorzügliches Lager bei Neiße bezog. So, lange der Heerführer sich in dem festen Lager hält, das er sich ausgewählt hat, ist er unangreifbar. Macht aber der Feind einen Umgehungsversuch, so muß er seine Stellung räumen. Will er sich also in der Defensive halten und bezieht er zu dem Zweck feste lager, so muß er seine Wahl schon im voraus getroffen haben, damit er, wenn der Feind ihn umgeht, nichts weiter nötig hat, als in ein andres festes Lager in seinem Rücken zu marschieren. Böhmen ist das Land der festen Lager. Man muß dort immerfort solche beziehen, weil das Gelände höchst schwierig ist. Ich wiederhole: der Heerführer muß sich wohl hüten, durch schlechte Wahl seiner Stellungen unver-besserliche Fehler zu begehen und sich in eine Sackgasse zu begeben, nämlich in ein Gelände, in das er nur durch ein Defilee gelangen kann. Denn ist der Feind geschickt, so schließt dieser ihn darin ein, und da er zum Kämpfen keinen Platz hat, so muß er den größten Schimpf erfahren, der einem Soldaten begegnen kann, nämlich die Waffen zu strecken, ohne sich wehren zu können.

VI. Lager zur Deckung eines Landes

Bei den Lagern, die ein Land decken sollen, sieht man nicht sowohl auf die Stärke der Stellung, als auf den Ort selbst. Er ist der Angriffspunkt, wo der Feind durchbrechen kann. Es kommt dabei nicht auf alle Wege an, die der Feind überhaupt einschlagen kann, sondern auf den, der ihn zu seiner Hauptabsicht führt27-3, oder auf den Ort, bei dessen Besetzung man vom Feinde am wenigsten zu befürchten hat, ihm aber selbst große Besorgnis verursachen kann27-4, kurz, auf den Ort, der den Feind zu großen Umwegen und Märschen nötigt, mich aber in den Stand setzt, alle seine Absichten mit kleinen Bewegungen zu vereiteln. Das Lager bei Neustadt deckt ganz Niederschlesien und zugleich einen Teil von Oberschlesien gegen alle Unternehmungen einer in Mähren stehenden Armee. Man nimmt seine Stellung so, daß man Neustadt und den Fluß, die hotzenplotz, vor sich hat. Will der Feind dann zwischen Ott-machau und Glatz vordringen, so braucht man nur in die Gegend zwischen Neiße und Ziegenhals zu marschieren und dort ein recht festes Lager zu beziehen. Damit ist der Feind von Mähren abgeschnitten. Aus demselben Grunde wird der Feind es nicht wagen, in die Gegend von Kosel zu ziehen; denn rückt man alsdann in die Gegend<28> zwischen Troppau und Jägerndorf, wo man sehr gute und starke Lager beziehen kann, so schneidet man ihm alle Zufuhr ab. Zwischen Liebau und Schönberg ist, wie schon gesagt28-1, ein ebenso wichtiges Lager zur Deckung ganz Niederschlesiens gegen Böhmen. Man richtet sich an solchen Orten, so gut man kann, nach den angegebenen Regeln ein. Ich füge noch zweierlei hinzu. Erstens darf man an dem Orte, den man zum Schlachtfeld ausersehen hat, keine Zelte ausschlagen, und zweitens darf Euer Schlachtfeld nie weiter als einen halben Flintenschuß von Euch entfernt sein, wenn Ihr einen Fluß vor Euch habt.

Die Kurmark läßt sich durch kein Lager decken; denn das Land erstreckt sich über dreißig Meilen in der Länge und steht überall offen. Um es gegen Sachsen zu schützen, muß man Wittenberg nehmen und sich dort lagern oder auch dem Beispiel des Winterfeldzugs von 1745 folgen. Nach Hannover hin bietet das Lager von Werben Schutz und Bedeckung für das ganze Land.

VII. Offensive Lager

Die offensiven Lager müssen in der Front frei und an den Flügeln gedeckt sein, und zwar, weil man nichts von den Truppen verlangen kann, wenn man nicht die Vorsicht gebraucht, ihre Flanken zu decken, die der schwächste Teil aller Heere sind. Solcherart war unser Lager vor der Schlacht von Chotusitz im Jahre 1742, ferner das Lager bei Schweidnitz vor der Schlacht von Hohenfriedberg im Jahre 1745 und das von Neudorf bei Neiße im Jahre 1741. Ich muß noch hinzufügen, daß wir zwar die Dörfer auf unsren Flügeln oder vor unsrem Lager stets besetzen, aber die darin stehenden Truppen wieder hinausziehen, wenn es zur Schlacht kommt; denn in unsrer Nachbarschaft sind die Dörfer nur aus Holz und schlecht gebaut, und wenn der Feind sie in Brand steckt, wären die darin liegenden Truppen verloren. Von dieser Regel nehme ich aber Steinhäuser und Kirchhöfe aus, falls keine Holzbauten in der Nähe sind. Da wir indes grundsätzlich angreifen und uns nicht auf die Verteidigung beschränken, so dürfen solche Orte nur dann beseht werden, wenn sie vor unsrer Front oder vor den Flügeln liegen. Denn alsdann decken sie den Angriff unsrer Truppen und stören den Feind während der Schlacht beträchtlich28-2.


23-2 In der Fassung von 1752 ist diesem Kapitel der folgende Absatz vorausgeschickt: „Wollt Ihr wissen, ob das von Euch gewählte Lager gut ist, so seht zu, ob Ihr den Feind zu einer großen Bewegung zwingen könnt, wenn Ihr eine kleine macht, oder ob der Feind durch einen Marsch, den er macht. Euch zu mehreren nötigt. Wer am wenigsten Märsche zu machen hat, ist am besten gelagert,“

24-1 Reglement vor die König!. Preußische Infanterie, S. 248—255: „Wie das Lager aufgeschlagen werden soll.“

24-2 Am 27. Juni 1743 (vgl. Bd. II, S. 140 ff.).

24-3 Im Sommer 1741 (vgl. Bd. II, S. 81).

25-1 Zusatz von 1752: „Man darf sich jedoch nicht darauf verlassen; denn der Feind kann bemerken, daß Ihr gleichzeitig mit ihm fouragieren wollt. Er kann die Fouragierung befehlen, die teute aber sogleich wieder zurückkommen lassen und Euch überfallen.“

25-2 Im Sommer 1745 (vgl. Bd. !I, S. 223 und 225).

26-1 Zusatz von 1752: „Indessen würde ich für die Deckung einer Belagerung eine Observationsarmee einem verschanzten Lager vorziehen; denn die Erfahrung lehrt, daß die Verschanzungen, wie die alte Methode sie kennt, zu gefährlich sind. Turenne nahm die Verschanzungen Condés vor Arras (1654), Condé die von Turenne, wenn ich nicht irre, um Valenciennes errichteten (1656). Seitdem haben diese beiden großen Meister der Kriegskunst ihre Belagerungen nicht mehr mit verschanzten lagern, sondern mit Observationsheeren gedeckt.“

27-1 Im Herbst 1744 (vgl. Bd. II, S. 180).

27-2 Vgl. Bd. II. S. 180.

27-3 Die sogenannten Zentral-stellungen.

27-4 Die sogenannten Flankenstellungen.

28-1 Vgl. S. 13 f.

28-2 Zusatz von 1752: „Vor allem ist noch zu bemerken, daß man Bäche und Moraste bei einem lager stets sofort untersuchen lassen muß, damit man keine falsche Anlehnung nimmt, falls sie durchschreitbar sind. Villars ward zum Teil deshalb bei Malplaquet (1709) geschlagen, weil er einen Morast zu seiner linken, der eine trockene Wiese war, für unwegsam hielt. Über diese Wiese fielen ihm unsre Truppen in die Flanke. Man muß alles mit eignen Augen sehen und solche beachtenswerten Dinge nicht für Kleinigkeiten halten.“