8. Kapitel Aufstellung der Truppen

Kenntnis und Wahl des Geländes sind wesentlich, aber man muß auch Vorteil daraus zu ziehen wissen, indem man den Truppen die richtigen Stellungen anweist. Unsre Kavallerie, die für herzhaftes Vorgehen geschult ist, muß Ebenen haben. Unsre Infanterie sieht an allen Orten gleich gut. Sie hat zur Verteidigung die Schußwaffe und zum Angriff das Bajonett. Da man aber bei Lagern, die in der Nähe des Feindes sind, auf seiner Hut sein muß und es bei so nahem Gegenüberstehen jeden Augenblick zum Gefecht kommen kann, sorgt man zunächst für seine Verteidigung.

Die meisten heutigen Schlachtordnungen sind fehlerhaft, weil man stets ein und dasselbe Schema befolgt, ohne sich dabei nach dem Gelände zu richten. Daraus entsieht eine falsche und schlechte Anwendung. Jede Waffe muß an den für sie passenden Fleck gestellt werden. Die Ebene wählt man für die Kavallerie. Das ist aber noch nicht genug; denn ist die Ebene nicht größer als 1 000 Schritte und von einem Gehölz begrenzt, so muß man voraussetzen, daß der Feind Infanterie in das Gehölz legt, um seine Kavallerie unter ihrem Feuer sammeln zu können. In diesem Falle<23> muß man seine Disposition ändern und an seinen äußersten Flügel Infanterie stellen, damit sie die eigene Kavallerie schützen kann. Bisweilen stellt man seine gesamte Kavallerie auf einen Flügel, bisweilen ins zweite Treffen. In andern Fällen sichert man seine beiden Flügel durch eine bis zwei Infanteriebrigaden. Die besten Stellungen für die Infanterie sind Anhöhen, Kirchhöfe, Hohlwege und Gräben. Stellt man seine Truppen derart auf, so braucht man nie einen feindlichen Angriff zu f´ürchten. Stellt man aber seine Kavallerie hinter einen Sumpf, so kann man nichts von ihr erwarten. Stellt man sie nahe an ein Gehölz, so kann der Feind Truppen hineinwerfen, sie von dort aus beschießen und in Verwirrung bringen, ohne daß sie sich wehren kann. Ebenso geht es, wenn Ihr Infanterie in der Ebene bloßstellt, ohne ihre Flanken zu sichern. Dann wird der Feind Euren Fehler benutzen und sie von der Seite angreifen, auf der sie sich nicht wehren kann. Man muß sich also stets nach dem Gelände lichten, wo man sich befindet.

In bergigem Gelände und bei festen Stellungen würde ich meine Kavallerie ins zweite Treffen nehmen und sie im ersten Treffen nur da gebrauchen, wo sie fechten kann; es wäre denn, daß man einige Schwadronen bereithält, um der feindlichen Infanterie in die Flanke zu fallen, falls sie einen Angriff wagt.

Ich füge noch als allgemeine Regel hinzu, daß bei allen Armeen, die gut geführt werden, in der Ebene eine Kavalleriereserve, aber in schwierigen Gegenden eine Reserve aus Infanterie mit einigen Dragonern oder Husaren gebildet werden muß23-1.


23-1 Zusatz von 1752: „Die große Kunst bei der Besetzung des Geländes besieht barin, die Truppen so aufzustellen, baß sie volle Bewegungsfteiheit haben und nach Belieben verwandt werden können. Als Villeroy sich in der Ebene von Ramillies aufsiellte, beraubte er sich, vielleicht in Unkenntnis dieser Regel, seines linken Flügels, indem er ihm seinen Platz hinter einem Sumpf anwies, wo er weder fechten noch auch den rechten Flügel unterstützen konnte.“ Villeroy wurde am 23. Mai 1706 bei Ramillies von Marlborough geschlagen.