<65> mit einem schlechten Walle umgeben, der nur zum kleinsten Teile armiert ist. Der Graben war an mehreren Stellen passierbar; die Kontreeskarpe war größtenteils zerstört. Da die strenge Jahreszeit eine regelrechte Belagerung verbot, so begnügte man sich, die Stadt einzuschließen. Außerdem war das schwere Geschütz noch nicht angelangt. Der Wiener Hof hatte dem Gouverneur der Festung, Wenzel Wallis, strikten Befehl gegeben, die Feindseligkeiten nicht zuerst zu eröffnen. Er glaubte, daß eine Zernierung keine Belagerung sei, und ließ sich ruhig in seinen Wällen einschließen.

Seit dem Belgrader Frieden war der größte Teil des österreichischen Heeres in Ungarn verblieben. Auf die Nachricht vom Einbruch der Preußen ward General Browne nach Schlesien geschickt, wo er kaum 3 000 Mann zusammenraffen konnte. Er versuchte Breslau einzunehmen, aber sowohl List wie Gewalt war vergebens. Die Stadt genoß ähnliche Vorrechte wie die Reichsstädte. Sie war eine kleine Republik, von ihrem eignen Rate regiert und frei von jeder Besatzung. Die Liebe zur Freiheit und zum lutherischen Glauben bewahrte die Bürger vor dem Elend des Krieges. Sie widerstanden dem Andringen des Generals Browne, der am Ende aber doch seinen Zweck erreicht hätte, wäre der König nicht eiligst angerückt, um ihn zum Rückzug zu nötigen. Der Erbprinz von Anhalt1 war inzwischen mit sechs Bataillonen und fünf Schwadronen vor Glogau eingetroffen und löste die Blockadetruppen ab; und der König brach unverzüglich mit den Grenadieren seiner Armee, sechs Bataillonen und zehn Schwadronen nach Breslau auf. Nach viertägigem Marsche stand er vor den Toren der Hauptstadt, indeß Feldmarschall Schwerin am Fuße der Berge entlang über Liegnitz, Schweidnitz und Frankenstein marschierte, um diesen Teil Schlesiens vom Feinde zu säubern.

Am 1. Januar 1741 bemächtigte sich der König ohne Widerstand der Vorstädte Breslaus und ließ die Stadt durch die Obersten von Borcke und von Goltz2 zur Übergabe auffordern. Zugleich gingen einige Truppen über die Oder und lagerten sich auf der Dominsel. Hierdurch war der König Herr beider Ufer des Flusses und schloß die mit Lebensmitteln schlecht versehene Stadt tatsächlich ein, sodaß sie sich zu Unterhandlungen verstehen mußte. Dazu kam, daß die Stadtgräben zugefroren waren und die Bürgerschaft einen allgemeinen Sturm gewärtigen mußte. Der Eifer für die lutherische Sache kürzte alle Weitläufigkeiten der Unterhandlung ab. Ein begeisterter Schuster3 überredete das gemeine Volk, steckte es mit seiner Schwärmerei an und wiegelte es dazu auf, den Rat zur Unterzeichnung eines Neutralitätsvertrages mit Preußen4 zu zwingen und die Stadttore zu öffnen. Sobald der König in die Hauptstadt eingezogen war, setzte er alle im Dienste der Königin von Ungarn stehenden Beamten ab. Dieser Machtstreich vereitelte alle geheimen Machenschaften, welche diese alten Diener des Hauses Österreich hätten unternehmen können, um dem preußischen Interesse entgegenzuarbeiten.


1 Leopold Maximillian.

2 Vielmehr Graf Posadowsky.

3 Namens Döblin.

4 3. Januar 1741.