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Also die Königin von Ungarn will ihre Kriegsvölker aus Italien zurückziehen, um sie in Deutschland zu verwenden. Gegen wen? Etwa gegen Sachsen? Sie hat mit dem König von Polen und Kurfürsten von Sachsen ein Bündnis geschlossen. Gegen Bayern? Sie hat den Kaiser derart gedemütigt, daß sie seine Erblande besetzt hält. Einen neuen Krieg kann sie also nur gegen den König von Preußen planen. Nach den Vereinbarungen des Breslauer Friedens sollte der König von England alle Bündnisse, die er schließen würde, dem König von Preußen getreulich anzeigen. Über dieses Abkommen hüllte er sich wohlweislich in Schweigen. Der Grund war klar. Was zu Worms geschmiedet, zu Turin und Wien bestätigt worden, warf alles über den Haufen, was der König von England im Breslauer Frieden selbst zugesichert hatte. Die neuen Bündnisse wurden den Generalstaaten mitgeteilt, und vom Haag aus erfuhr man ihren Inhalt. Nach den Regeln der Staatsklugheit hätten die Höfe von Wien und London ihre Absichten nicht so frühzeitig enthüllen dürfen. Sie hatten noch die Waffen in der Hand und waren im Kriege gegen Frankreich und Spanien, in der Lombardei wie am Rhein, ja selbst in Flandern. War es nicht vorauszusehen, daß der König von Preußen, wenn er nicht ganz verblödet war, nicht gelassen abwarten würde, bis man Maßregeln zu seiner Niederwerfung ergriffe, sondern vielmehr seine letzten Kräfte daransetzen würde, um den Plänen seiner Feinde zuvorzukommen?

Es liegt auf der Hand, daß Preußen im Breslauer Frieden keine Sicherheit mehr fand. Sie mußte also anderswo gesucht werden. Die Lage war kritisch. Der König mußte sich entweder dem Spiel des Zufalls überlassen oder einen kühnen Entschluß fassen, bei dem er den größten Wechselfällen preisgegeben war. Die Minister stellten dem König vor: „Wem es gut geht, der solle sich nicht rühren; es sei ein übler politischer Grundsatz, Krieg zu führen, um Krieg zu vermeiden; man müsse alles von der Gunst der Zelt erwarten.“ Der König antwortete ihnen, daß ihre Furchtsamkeit sie verblende und daß es eine große Unklugheit sei, einem Unglück nicht beizeiten vorzubeugen, wenn man noch die Mittel habe, sich dagegen zu sichern. Er wisse sehr wohl, wie durch den Krieg sein Adel, seine Untertanen, sein Staat und seine Person unvermeidlichen Zufällen ausgesetzt würden. Trotzdem fordere die jetzige Krisis eine Entscheidung, und in solchen Fällen sei der schlechteste Entschluß, nichts zu beschließen.

Einen kurzen Überblick über die Gründe des Königs zur Kriegserklärung an die Königin von Ungarn, sowie über die Gegengründe seiner Minister bietet eine eigenhändige Denkschrift, die er ihnen zuschickte1. Sie lautete:

„Um einen verständigen Entschluß zu fassen, muß man nichts übereilen. Ich habe mir die gegenwärtige Lage reiflich überlegt und fasse das Verhalten meiner Feinde im folgenden kurz zusammen, um ihre Absichten in helleres Licht zu setzen:“


1 Im folgenden gibt der König in gekürzter Form den Inhalt der im Februar 1744 von ihm verfaßten Denkschrift wieder. Die beiden letzten Paragraphen sind um einige historische Beispiele und neue Mitteilungen erweitert.