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Solche Aussichten, auf sichere Tatsachen begründet, mahnten den König, sich in das Labyrinth nicht zu tief einzulassen, sondern sobald wie möglich den Ausweg daraus zu suchen. Zu den angeführten Gründen traten auch noch viele andre hinzu, die den König bestimmten, die Friedensverhandlungen mit der Königin von Ungarn wiederaufzunehmen. Lord Hyndford ward zum Vermittler des Vergleichs gewählt. Er war dazu geeigneter als irgendwer, da er ja schon an der Aussöhnung der beiden Mächte gearbeitet hatte und seine Ehre darein setzen mußte, sein Werk zu krönen. Der Wiener Hof zeigte sich weniger nachgiebig als das vorige Mal. Die Kapitulation von Linz, die Räumung Mährens und der Abfall der Sachsen hatten seinen alten Stolz wiedererweckt; ja die geheimen Unterhandlungen am Versailler Hofe ließen seine Blicke noch weiter schweifen. Man hat immer bemerkt, daß die Stimmung des österreichischen Hofes den rohen Eindrücken der Natur folgte: aufgeblasen im Glück, kriechend im Unglück, wußte er nie die weise Mäßigung zu treffen, welche die Menschen mit Gleichmut gegen die Gaben und Schläge des Zufalls wappnet. Jetzt gewannen Stolz und Arglist wieder die Oberhand. Der Mißerfolg von Lord Hyndfords Vermittlungsversuch bestärkte den König mehr denn je in seiner Überzeugung, daß man die Österreicher vorerst schlagen müßte, sollte eine Friedensverhandlung mit ihnen zustande kommen. Sein starkes und auserlesenes Heer reizte ihn, das Waffenglück zu versuchen. Er hatte 34 Bataillone und 60 Schwadronen, also etwa 33 000 Mann.

Ehe es zu dieser Entscheidung kam, fand ein Wechsel im englischen Ministerium statt. Diese unruhige und freie Nation war mit der Regierung unzufrieden, weil der Krieg in Westindien Mißerfolge brachte und Großbritannien auf dem Kontinent keine angemessene Rolle spielte. Man geißelte den Minister und meinte den König, der gezwungen ward, Walpole zu entlassen und an seine Stelle Lord Carteret zu berufen. Ein ganz ähnliches Mißvergnügen kostete im vorigen Jahrhundert König Karl I. das Leben. Dessen Hinrichtung war ein Werk des Fanatismus gewesen; Walpole stürzte nur über Parteiintrigen. Alle vornehmen Herren wollten einmal Minister werden, und Walpole hatte jene Stellung zu lange innegehabt. Nach seinem Sturze war die Möglichkeit da, dieses Ziel zu erreichen, und der Ehrgeiz der Großen geriet dadurch in neue Gärung. So kam das Ministerium in der Folge aus einer Hand in die andre und war von allen Ämtern im Königreich dem häufigsten Wechsel unterworfen.

Kardinal Fleury war mit dieser Veränderung sehr unzufrieden. Er hatte sich bei Walpoles maßvoller Haltung ganz wohl befunden und sah mit Sorge auf Carterets Ungestüm, der, ein zweiter Hannibal, allem, was Franzose hieß, unversöhnlichen Haß geschworen hatte, Lord Carteret entsprach denn auch der Meinung, die man von ihm hegte. Er ließ der Königin von Ungarn Subsidien zahlen und nahm sie in seinen Schutz. Er ließ englische Truppen in Flandern ausschiffen, und um die Zahl der Feinde Österreichs zu verringern, verbürgte er sich gegenüber dem König von Preußen für einen vorteilhaften Frieden. Das Anerbieten wurde mit Dank angenommen,