<229> so gaben sie sich alle erdenkliche Mühe, ihre weitschauenden Pläne zur Ausführung zu bringen.

Ich behaupte aber dreist: der Hauptgrund für die glücklichen Erfolge der Alliierten war der schlechte Zustand, in dem sich alle Provinzen des Kaisers befanden. Der Sturz der größten Reiche hat stets die gleiche Ursache gehabt: nämlich ihre innere Schwäche. Der Verfall des Römischen Reiches war mit dem Augenblick besiegelt, wo die Ordnung unter den Truppen verloren ging, die Disziplin völlig daniederlag und die Vorkehrungen zur Sicherung des Staates, die die Klugheit diktierte, vernachlässigt wurden. Auch die Verluste des Kaisers in Italien hatten die gleiche Ursache. Er besaß keine Armee, um dem Feinde den Weg zu vertreten, keine Magazine und hinreichenden Besatzungen für die Festungen, keine geschickten Generale zu ihrer Verteidigung. Kurz, der Kaiser verlor in drei Feldzügen, was er im Verlaufe von acht Kriegsjahren gewonnen hatte.

Nun sollte man glauben, nach so vielen Niederlagen wäre es Sache des Kaisers gewesen, um Frieden zu bitten. Aber man irre sich nicht und lerne den friedfertigen und selbstlosen Geist des Kardinal-Ministers besser erkennen! Zur Ehre Frankreichs und zum Zeugnis seiner Mäßigung sei es gesagt: die lorbeergeschmückten Sieger bieten, von ihren Siegen offenbar erschöpft, dem Kaiser, ihrem besiegten Feinde, den Frieden an!

Vermutlich hat Villars sein System, wie man es in seinen Memoiren findet1, dem Kardinal mitgeteilt, und dieser hat die Ideen des großen Mannes übernommen und es sich zur Richtschnur gemacht, eine völlige, dauerhafte Einigung zwischen dem Kaiser und Frankreich herbeizuführen — nach dem Vorbild des Triumvirats zwischen Augustus, Antonius und Lepidus. Bekanntlich bildeten die Proskriptionen den Kitt jenes Triumvirats. So kommt auch Frankreich durch den ersten Artikel der Präliminarien in den Besitz des Herzogtums Lothringen, das vom Reich abgetrennt wird. Um Frieden zu schließen, nimmt der Kaiser seinem Schwiegersohn die Erblande. Das Opfer scheint groß genug, um als Gegenleistung eine entsprechende Erkenntlichkeit zu fordern. Doch um im Bilde zu bleiben: es ist anzunehmen, daß Frankreich mit der Zeit die Rolle des Augusius spielen wird.

Die einfache Feststellung der Vorgänge hätte wenig Zweck, wenn nicht einige Betrachtungen daran geknüpft würden, die sich aus dem Gegenstand von selbst ergeben. Zunächst sieht man auf seiten der Franzosen ein festgefügtes, gleichmäßiges, unabänderliches politisches System. Beim Abschluß des Utrechter Friedens (1713) war ihr Ziel die Wiederaufnahme des Krieges; nicht sofort, denn ihr Ansehen war dahin, ihre Finanzen waren erschöpft und die Ereignisse noch nicht zur gewünschten Reife gediehen. Nichtsdestoweniger gedachten sie den Augenblick zu erspähen, wo sie den Kaiser mit Vorteil angreifen konnten.


1 Villars befürwortete das Bündnis der katholischen Mächte; dann könnten Frankreich und der Kaiser dem übrigen Europa Gesetze vorschreiben.