<193>dem dort herrschenden Markgrafen gegenüber tributpflichtig. Aber bald begann das Volk, seine Dummheit zu bereuen. Es sehnte sich nach seinen Götzen zurück, die wenigstens greifbare Gegenstände der Verehrung und weit weniger drückend gewesen waren als der Tribut, den es nun alljährlich an den Papst entrichtete, den es niemals zu sehen bekam. Die Freiheitsliebe, die Macht alter Vorurteile und das eigene Interesse, alles führte sie wieder ihren falschen Göttern zu. Mistivoi, König der Wenden, trat an die Spitze des neuauflebenden Heidentums und stellte den alten Kult wieder her, nachdem er den Markgrafen Dietrich von Brandenburg vertrieben hatte1.

Zum drittenmal wurde dann mit Waffengewalt das Christentum in Brandenburg eingeführt. Fortan herrschte der siegreiche Katholizismus unumschränkt und zog das größte Ärgernis nach sich. Die Bischöfe waren unwissend, grausam, ehrgeizig und vor allem kriegerisch. Plündernd, raubend und brennend, kämpften sie selbst gegen die Markgrafen und gegen andere Nachbarn und maßten sich trotz ihres mit Verbrechen besteckten Lebens unbeschränkte Macht über die Gewissen an.

Diese Mißstände waren zu jener Zeit so allgemein, daß die Geschichte von Beispielen geradezu strotzt. Ich will mich mit zweien begnügen2. Im Jahre 1278 bekriegte Erzbischof Günther von Magdeburg den Kurfürsten Otto mit dem Pfeil, nahm ihn gefangen und zwang ihn, sich mit 7 000 Mark Silbers loszukaufen. Im Jahre 1391 nahm Erzbischof Albert, der stets bewaffnet war, den Staathalter der Mark, Bredow, gefangen, eroberte Rathenow und drang, alles verheerend, längs der Havel vor, die Fackel in der einen und das Schwert in der anderen Hand.

Auf bem Boden der krassen Unwissenheit, in der die Völker im 13. Jahrhundert lebten, mußte der Aberglaube üppig emporschießen. Es fehlte auch nicht an Wundern und an aller Art Betrug, der die Autorität der Priester stützen konnte. Lockelius erzählt allen Ernstes, Markgraf Otto, der vom Erzbischof von Magdeburg aus nichtigen Gründen in den Bann getan worden war, hätte über diese Kirchenstrafe gespottet, sei aber vom Anblick hungriger Hunde, die von seinem Tische kein Fleisch nehmen wollten, tief ergriffen worden und in sich gegangen. Diese Hunde waren augenscheinlich rechtgläubig; leider ist ihre Art ausgestorben.

Wundertätige Jungfrauen, Gnadenbilder und Heiligenreliquien besaßen damals ganz eigene Kraft. Sehr berühmt war unter anderem das heilige Blut von Belitz. Damit hatte es folgende Bewandnis: eine Schankwirtin von Belitz stahl eine geweihte Hostie und vergrub sie unter einem Faß in ihrem Keller, um einen besseren Absatz ihres Bieres zu erzielen. Bald verspürte sie Gewissensbisse (denn Schankwirtinnen haben ein sehr zartes Gewissen) und beichtete ihr Vergehen dem Pfarrer, der darauf in großer Prozession mit seinem ganzen priesterlichen Aufgebot kam, um die Hostie auszugraben. Als man die Schaufel in die Erde stieß, sah man Blut


1 Vgl. S. 14.

2 Anmerkung des Königs: „Lockelius“ (vgl. S. 8, Anm. 2).