Juli.

A.

2. Juli 1770

Der König von Potsdam nach Charlottenburg.

3. Juli 1770

Nach dem Wedding zum Artillerie-Manövre, dann über Charlottenburg nach Potsdam (Sanssouci).

3. Juli 1770

Der König an d'Alembert :

- etc. - "Kaum hatte ich Ihnen meine Bemerkungen über jenen Versuch über die Vorurtheile etc. geschickt, als<16> mir ein anderes Buch in die Hände gerieth; und da ich einmal im Zuge war, philosophische Werke zu prüfen und Bücher zu schreiben, so habe ich auch diese Anmerkungen aufs Papier geworfen, und schicke sie Ihnen. Ich meine nämlich das System der Natur 16-+. Ich habe bloß die handgreiflichsten Widersprüche, und die falschen Folgerungen, welche mir am auffallendsten waren, rügen wollen. Es wäre noch sehr viel darüber zu sagen, und man könnte sich noch vielmehr aufs Einzelne einlassen, welche mir die Zeit nicht gestattet, ich habe mich nur auf die vier Hauptpunkte eingeschränkt, die der Verfasser abhandelt.

In Rücksicht des ersten, wo er behauptet, daß eine verstandlose Natur, bloß mit Hülfe der Bewegung, alles hervorbringt, - glaube ich, daß es ihm unmöglich sein wird, diese Meinung gegen meine Einwürfe zu behaupten. Der zweite Punkt betrifft den Fatalismus; da bleiben ihm freilich noch Antworten übrig, und nach meiner Einsicht ist die Auflösung dieser Frage die schwerste in der ganzen Metaphysik. Ich schlage einen Mittelweg vor; eine Idee, die für mich etwas Reizendes hat, und die leicht wahr sein könnte. Ich nehme ein Mittelding zwischen der Freiheit und der Nothwendigkeit an: ich setze der Freiheit des Menschen sehr enge Grenzen; aber ich lasse ihm doch den Theil, welchen ich nach der gemeinen Erfahrung von den menschlichen Handlungen,

<17> ihm nicht versagen kann. Die beiden letzten Punkte beziehen sich auf die Religion und die Regierung. Außerdem sind in diesem Werke noch unzählige Stellen, wo der Verfasser Blößen zeigt. Er behauptet unter andern entscheidend: daß die Summe des Guten die Summe des Bösen überwiege. Hierin bin ich mit ihm nicht einerlei Meinung; und es möchte ihm unmöglich fallen, seinen Satz zu erweisen, etc. - etc. Es ist gut, daß die Menschen ein Ideal, ein Muster der Vollkommenheit vor Augen haben. etc. Aber mit allem Dem werden sie nie diese Vollkommenheit erreichen, die sich auch leider mit ihrer Natur nicht verträgt. Darauf komme ich immer wieder zurück, und schließe daraus, daß diejenigen, welche aufrichtig für das Wohl der Gesellschaft arbeiten, gut gemeinte Träume hervorbringen, so wie Ihr verstorbener Abbé de St. Pierre. Aber das hält mich nicht ab, in dem kleinen Kreise, worin mich der Zufall gesetzt hat, auch daran zu arbeiten, die Bewohner desselben glücklich zu machen; und die Erfahrungen, die mir täglich vorkommen, lehren mich, wie schwer dies ist. Glauben Sie mir, mein Bester, ein Mensch, der die Kunst besäße, Ihnen eine bessere Verdauung zu verschaffen, würde der Welt mehr nützen, als ein Philosoph, der alle Vorurtheile daraus verbannte. etc."

7. Juli 1770

Der König an Voltaire:

- etc. - "Loretto könnte dicht neben meinem Weinberge liegen, und ich würde es doch gewiß nicht anrühren. Die dortigen Schätze könnten einen Mandrin, Conflans, Turpin, Richelieu und ihres Gleichen verführen. Ich achte zwar die Geschenke nicht, die der Stumpfsinn geheiligt hat, aber man muß Schonung gegen Das haben, was das Publikum verehrt, und Niemand Aergerniß geben. Hält man sich auch für weiser, als andere Leute, so muß man doch aus Gefälligkeit, oder aus Mitleiden mit ihrer Schwäche, ihre Vorurtheile nicht antasten. Es wäre zu wünschen, daß<18> die seinwollenden Philosophen unserer Zeit eben so dächten. Mir ist wieder ein Werk von ihrer Fabrik in die Hände gefallen. Es schien mir so tolldreist, daß ich mich nicht enthalten konnte, einige Anmerkungen über das System der Natur zu machen etc. Ich theile sie Ihnen mit. etc."

18. Juli 1770

Der Prinz Heinrich in Potsdam, bis den 23sten.

26. Juli 1770

Im Neuen Schloß in Sanssouci wird die Oper L'avaro punito aufgeführt.

27. Juli 1770

Die Prinzessin Amalie zum König nach Potsdam.

28. Juli 1770

Auf d'Alembert's Bitte, daß der König zur Errichtung einer Bildsäule für Voltaire, etwas beitragen möchte, antwortet ihm der König : "Voltaire's schönstes Ehrendenkmal ist dasjenige, welches er sich selbst errichtet hat - : seine Schriften. Sie werden länger dauern, als die St. Peterskirche in Rom, als das Louvre, und als alle die Gebäude, welche die Eitelkeit der Menschen für die Ewigkeit aufführt. Man wird nicht mehr Französisch reden, wenn Voltaire noch in die auf das Französisch folgende Sprache wird übersetzt werden. Indessen könnte ich, - voll des Vergnügens, welches mir seine so mannichfaltigen Geisteswerke, deren jedes in seiner Art so vollkommen ist, verschafft haben, - könnte ich nur als ein Undankbarer mich Ihrem Antrage entziehen, etwas zu dem Denkmale beizutragen, welches die öffentliche Dankbarkeit ihm errichtet. Sie dürfen mich nur wissen lassen, was man von mir fodert; ich werde nichts zu dieser Statue verweigern, die den Gelehrten, welche sie ihm weihen, mehr zur Ehre gereichen wird, als Voltaire'n selbst. etc."

In den letzten Tagen dieses Monats kam die Gemalin des Prinzen Heinrich nach Potsdam, dem König einen Besuch abzustatten.


16-+ Der Titel ist: Système de la nature ou des lois du monde physique et du monde moral, London. 1770. Der wahre Verfasser davon ist lange unbekannt geblieben. Man hat Mirabeau und auch La Grange dafür gehalten. Jetzt weiß man aber, daß Paul Thiry Baron von Holbach (geb. 1723 in der Pfalz, gest. 1789 zu Paris) das Werk verfaßt hat. Grimm er Diderot Correspond. P.III. T. V. p. 212). Es sind dagegen viele Widerlegungen erschienen, welche in Krug's Handb. der philosophischen Wissenschaften Thl. II. 391 angeführt sind. Die Widerlegung des Königs steht im 6. Thl. der H. W. Seite 111 - 136.