"<90> zu whar ist, was ich Ihnen in Leipzig sagte. Diese Lage, die dem lucido intervallo der Aertze gleicht, kann ungefähr bis zum Juli währen. Dann aber wird der Teufel in diesen Gegenden los sein, und Glück und Verhängnis oder Zufall, oder was Sie sonst wollen, wird entscheiden. Ich lese den Lucian, manchmal den Racine, zuweilen den Voltaire, um mich zu zerstreuen. Uebrigens bringe ich meine Zeit mutterseelen allein mit mir selbst zu, ohne weiter an die Zukunft zu denken, als es unumgänglich nöthig ist, und ohne den Dingen etwas voraussehen zu wollen über welche die Natur einen unseren Augen undurchdringlichen Schleier geworfen hat. Wollen Sie wissen, ob ich froh bin, so muß ich Ihnen rein herausagen : Nein! Wollen Sie wissen wie es um meine Gesundheit steht, so vernehmen Sie, daß selbige trotze einiger Unpäßlichkeiten, immer noch gut genug ist, um mich hoffen zu lassen, daß sie wieder die Beschwerde des nächsten Feldzugs vorhalten werde. Auf dem Marsch ist mir ganz was Eignes begegnet. Sie werden einen Pagen bei mir gesehen haben, dessen ich mich zu allerlei Aufträgen bedienen konnte, und der sie gut ausrichtete. Wie wir uns in den Marsch setzen, schicke ich ihn fort, um mir in Strehlen den Mittag zu bestellen, wohin meine Leute schon voraus waren. Unterwegs wird der arme Junge verrückt, kommt nach Torgau und giebt tausend Tollheiten an. Die Folge war, daß wir nichts zu essen fanden, und ich genöthigt wurde, den armen Teufel nach Hause zu schikken, ohne daß ich Hoffnung zeige, er werde jemals wieder zu Verstande kommen. Was wir arme Menchen für elende Geschöpfe sind! Da bilden wie uns etwas auf einen Instinkt ein, der freilich ein wenig besser als der Instinkt der Thiere ist, den aber ein Augenblick uns nehmen kann, und der, einmal verloren, unsern Zustand schlimmer als den Zustand der Thiere macht. Welche unerschöpfliche Quelle von Betrachtungen, die ebenso demütigend, als traurig sind!"