<130>„Quittmacher Tod dies Darlehn der Huld begleichen möchte.
„Freu' dich nun meiner Gnaden, doch acht' auf mein Gebot:
„Ich gab dir einst dein Leben, du schuldest mir den Tod!
„Zu deinen Jahren soll ich noch weitere dir schenken?
„Unsel'ger, wenn du wüßtest! Du würdest dich bedenken!
„Ein Mehr an Weh erstehst du, das über dich hereinbricht,
„An Herzeleid, an Kummer, der dich zernagt, zerpeinigt!
„Du sehnst dich selbst noch einmal nach deiner letzten Ruh':
„Drück du nur erst die Augen den Eltern beiden zu!
„Schließ sie den liebsten Freunden, schließ sie den Kindern dein,
„Und sieh du dann hinfällig in dieser Welt allein,
„Indes dir Kopf und Sinne tagtäglich mehr versagen
„Und du zum Spott der Jungen wirst in den alten Tagen!
„Ein harter Spruch, den jeder an sich erfahren muß!
„So mußte selbst ein Marlb'rough, ein Prinz Eugenius
„Und auch Conde, der große, sich selber überleben;
„So mußte alle Kinder dem Grabe übergeben
„Er, der Augustus Frankreichs;1 dem Hochbetagten ward —
„Da half kein Glanz der Krone — der Jammer nicht erspart!“

Das könnte unser aller Urmutter zu dir sagen.
Gelt, eitler Sohn des Standes, das will dir nicht behagen?
Zu lieb ist dir die Erde! Ach ja, sie gleißt und blendet;
Doch ach, ihr Antlitz wechselt, alles vergeht und endet.
Trotz Unheil und Gefahren hält dich das liebe Leben.
Du bist das Glück der Eltern, und dich dahinzugehen,
Es machte sie untröstlich! Und dann — was gibt es doch
Zu schaffen und zu richten, wozu du nötig noch!
Durch wieviel große Pläne macht dir der Tod 'nen Strich,
Wieviel bleibt unvollendet, wie überrascht er dich!
Ja, warum, Unglücksel'ger, läßt man sich so viel Zeit?
Hast du dich eingerichtet auf die Unsterblichkeit?
O wisse, unsre Wünsche, sie welken nicht so bald;
Wenn wir auch selber altern, das Streben wird nicht alt!
Wer hat sein Werk vollendet, eh Schicksal ihm und Tod
Die Arbeitsstunden endet' und Feierabend bot?
Ob früher oder später — ein Totsein gibt es nur!
Äonen, die verflossen, sind bis zur letzten Spur
Vor unserm Sein verloschen, und dieser Augenblick


1 Ludwig XIV. Vgl. S. 16.