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19. An Darget133-1
Apologie der Könige

Der Du mir, was ich schaffe, unverdrossen
Ins Reine schreibst,
Mir alles wohlverwahrt hältst und verschlossen
Und jede Schrift der Sammlung einverleibst —
Nun beichte mir einmal, mein Freund Darget,
Was Du so heimlich bei Dir denkst. Gesteh,
Was dünket Dich um einen Herrn wie mich:
In Traum verloren, launisch, wunderlich,
Dann wieder höchst lebendig, dann versonnen,
Dann ganz zerstreut, in Trübsal eingesponnen,
So etwa wie ein Algebraikus,
Der sich an einer Lösung quälen muß?
Da gibt's kein Vergnügen, dem es gelänge,
Die Stirn ihm zu glätten, die düstere, strenge;
Ist er versunken, ist er verloren
An eine Arbeit? Sprichst Du ihn an,
Ist es, als sprächst Du zu tauben Ohren;
Kaum, daß ihn Cicero wecken kann,
Wenn Du aus seinen Schriften ihm liest.
Dann schüttelst Du wohl den Kopf, wenn Du
Solch einen verträumten König siehst —
In so neidenswerter Stellung dazu!
Nicht wahr? Und denkst so in Deinem Sinn:
„Ja ja, Astolfo, der Paladin
„Ist mit Nichten der einzige, dem sein Verstand
<134>„Hinauf zum Monde entschwand.134-1
„Wie gut es doch so einem Könige geht:
„Er kann, was er will — wenn er's nur versteht
„Sich dranzuhalten! Sie haben's zu leicht,
„Die Herren da oben! Gebietend reicht
„Ihr Wille über Provinzen weit;
„Ianus schließt oder öffnet die beiden
„Torflügel ganz so, wie sie entscheiden;
„Es scheint die Bestimmung der Sterblichkeit,
„Einzig zu leben nach ihrem Gesetze.
„Der Menschheit Andachtbild und ihr Götze,
„Der Halbgott dieser Erdenwelt,
„War der Fürst das Schoßkind des Himmels von je,
„Der treulich ihm dient, ihn liebend erhält.
„Ha, krönte nur einmal das Glück den Darget!
„Der wollte sich hüten,
„Über verzwickten Problemen zu brüten!
„Holdselig sollten die Tage ihm gleiten
„Zwischen Kurzweil und Seligkeiten!
„Nie dürften die Wonnen der Liebe lange
„Sich bitten lassen! Beim Becherklange,
„Bei Spaß und Lachen und Iubelgesange
„Bis in den grauenden Tag hinein,
„Heißa, das müßte ein Leben sein,
„Um das ihn die Götter selber beneiden!
„Wer mit einem Diadem beglückt,
„Und doch nicht verlernt hat, Gesichter zu schneiden,
„Der muß an unheilbarer Milzsucht leiden,
„Den narrt ein Traum, der ist verrückt.“

Nur sachte, Darget, nicht so zornentbrannt,
Nicht mit dem Urteil so rasch bei der Hand!
Dich blendet ein Wahn nur, Dich gängeln am Seile
Des Pöbels kindische Vorurteile.
Sehn wir mal ab von all dem Glanz,
Dem großen Aufputz, dem gleißenden Schein,
Prüfen wir Grund und Wesen allein
Unseres beiderseitigen Stands.
<135>Was Deinem Leben Gestalt gibt, das
Ist ein gedeihlich Mittelmaß:
Deine Tage sehn einer dem andern gleich,
Dein Schicksal, an Wechselfällen nicht reich,
Gab Dir den angenehmsten der Plätze:
Inmitten der beiden Gegensätze
Bedürftigkeit und Überfluß,
Zwo Klippen beide,
Daran mit Leide
So manches Dasein scheitern muß,
Dir wog es bescheidenen Segen zu,
Bist kein Zwerg und kein Riese — lieb Herz, gib Ruh!
's ist just das Rechte, so bleibst Du frei
Von all den Nöten, der Plackerei,
Darfst fein geruhige Tage leben,
Froh jeder Gegenwart hingegeben,
Ohne Dich ernstlich zu grämen ums Morgen,
Nur Dir selber gehört all Dein Sorgen.
Du weißt nicht, wie gut Du's hast, Darget,
In Deiner Dunkelheit, wohlgeborgen
Vor Ehrenkränkung, Schimpf und Weh,
Wie knirschender Neid dergleichen von je
Über wohlbekannte Namen ergossen,
Namen der Helden, Namen der Großen.
Möchte wissen, was Dir zu wünschen bliebe —
Wenn Dir nicht grade daheim Deine liebe,
Ehrsame Hausfrau mit großem Hallo
Den Kopf zurechtsetzt; wie bist Du schon froh,
Wenn sie am Abend Dich herzlich begrüßt
Bei Deiner Heimkehr und zärtlich Dich küßt,
Und Deine Liebe in ihren Armen
Neu darf erwarmen.
Und versichert dann Dallichamp135-1 noch dabei,
Daß alles in schönster Ordnung sei,
Von oben bis unten dem Herrn nichts fehle,
Sag/, was verlangt dann noch Deine Seele?

Du brummst so frostig, ablehnend und steif?
Aha, Du traust mir nicht recht! Ich begreif':
<136>Du denkst, es mache mir bloß Vergnügen,
Um in rosigen Farben und launigen Zügen
Einmal meinen Stift sich ergehn zu lassen,
Dies Bild Deines Glückes erstehn zu lassen.
Nun gut, ich geb's zu — ich verschweige nichts mehr:

Nein nein, Du hast's schwer!
Ein ärgerlich Amt ist's, der Sekretär
Eines Herrn zu sein, der ein Dichter gern wär',
Der als Schöngeist sich fühlt, der bis in die Nacht
Liest und schreibt und Gedichte macht
Und wähnt, daß der Fama hundert Trompeten
Nichts Wichtigeres zu verkünden hätten.
Als die Mär von dem Quark, den er rastlos verfaßt!
Tagtäglich schreibst Du das Zeug dann ins Reine,
Gleich heftweis, und wehe, wenn ihm was nicht paßt:
Was schlägt er da Lärm, was macht er Dir Beine!
Verdammte Kleinigkeitskrämerei,
Als ob wer weiß, was gelegen sei
An jedem Punkt oder Komma! — „Wie dumm:
„Die E's müssen offen sein und sind stumm!136-1
„Da — ein Wort zu wenig! Er hinkt ja, der Vers!“
Nun kopierst Du mit Ingrimm und Seelenqual
Das unsterbliche Werk zum zweitenmal
Und verfluchst wohl den Dichter — begreiflich wär's.
So etwa stellt sich in Kürze, nicht wahr?
Ein Abriß Deines Lebens dar.

Doch laß Dir sagen, ich glaube, Du lernst
Bei mir am besten, was man im Ernst
Sorgen und Kümmernis heißen kann;
Und vielleicht bekennst Du mir dann,
Wer wohl die schwersten Ketten muß tragen,
Du oder ich,
Ob die Dargets, ob die Könige sich
In härterer Knechtschaft plagen.
Du schüttelst den Kopf und glaubst am Ende,
Diese kühne Behauptung stände
<137>Nur eben zum Aufputz des Vortrags da —
Schmachvollerweise liebt man ja
In unseren Tagen das Gewagte,
Den Widersinn, das verblüffend Gesagte,
Womit dem gesunden Menschenverstand
Mutwillig wird vor den Kopf gerannt,
Der Wahrheit ins Gesicht geschlagen,
Um in allerneustem Schnitt und Gewand
Eine Verkehrtheit zu Markte zu tragen.
Nenn's wie Du willst: 's ist die Wahrheit, Darget,
Die am eigenen Leibe mit Ach und Weh
Man erfahren muß, ob man will oder nicht —
Von der man freilich nicht gerne spricht.

Das Herrscheramt, mein Freund, ist nicht leicht,
Schwer ist da die Meisterschaft erreicht.
Ein rechter König kennt keine Müh,
Hat überall selber, spät und früh,
Die Augen, um seinen Staat zu leiten,
Nimmt sich auch winziger Einzelheiten
Gewissenhaft an. Frau Themis heißt er,
Die da bemüht ist, in ihren Dingen
Alles wieder ins Lot zu bringen
Und des Unrechts, der Zwietracht Geister,
Die höllenentstammten, niederzuringen,
Indem sie keinen Wahrspruch fällt,
Der sich nicht streng an die Billigkeit hält —
Sie heißt er mit allen laufenden Sachen
Bis dann und dann mal ein Ende machen.
Eine Hydra, der ständig gar wunderschnell
Die Köpfe nachwachsen — Schikane heißt sie —
Hebt wider die Göttin ihr freches Gebell;
Schon meinst Du, Du hast sie, doch auf der Stell'
Den Fesseln entwischt sie, schon dräut sie und beißt sie
Das reine Mühn der Penelope!
Und doch, ich gesteh',
Man könnte wirklich noch zuletzt
Mit Recht ein Menschenhasser werden,
Hört man, nachdem man den Beschwerden
Von hundert Prozessen ein Ziel gesetzt,
<138>All jene streitenden Parteien
Doch wieder über Unrecht schreien,
Indem sie nach ihren Launen bemessen
Ihr „gutes Recht“ und infolgedessen
Die Rechtspflege schmählich vermaledeien!

Nun soll das Volk besteuert sein;
Hilft es doch all jene Ämter erhalten,
Die das Leben des Hofes gestalten,
Der Finanzen, des Rechtes walten.
Was da von Spindel und Pflug geht ein,
Das kommt jenen wehrhaften Helden zugut,
Die dem Nährsiand bestellt sind zur Rache, zur Hut.
Da ist's eine Frage der Billigkeit:
Wie bemißt man all diese Abgaben
Von dem, was die Untertanen haben,
Bei aller Standesverschiedenheit?
Während draußen das Volk sich beschwert,
Die Belastung des Dorfes gehe zu weit,
Murrt der Junker bei Hof und begehrt,
Daß sein Gehalt ihm werde vermehrt.
Ach, Vorschläge gibt es da tausenderlei,
Wie's wohl am besten zu machen sei,
Doch jeder denkt heimlich nur an sich:
Wie drück' ich wohl am besten mich?
Denn haben will jeder, was geben keiner.
Ein Hexenmeister, und zwar kein kleiner,
Ja, glückselig wäre der König zu preisen,
Der eines Tages den Stein der Weisen,
Das große Steuerrezept entdeckte.
Glückseliger freilich, wär's ihm gegeben,
Die Vernunft seiner Bürger so zu heben,
Daß er Platos Staat zum Leben erweckte.

Doch nicht genug damit. Es bedarf
Eines starken Arms, einer Zucht gar scharf,
Das wilde Kriegsvolk im Zaum zu halten.
Darf zuchtlos die Soldateska walten,
Bald bindet lein Fahneneid mehr, und bald
Wankt der Staat vor der Waffengewalt.
<139>Was war jene Prätorianerbande?
Verräter an Rom, am Vaterlande;
Mit der Reichsgewalt trieben sie Schacher,
Sie, die selbstherrlichen Kaisermacher.
Nein, diese Leuen, gehalten zum Kämpfen,
Verwöhnt von Bellonen —
Themis muß ihre Üppigkeit dämpfen,
Muß sie bändigen ohne Schonen.
Zwar, ihre stolze Selbständigkeit,
Ihre dumme Unbändigkeit
Festzuhalten an Halfter und Band,
Dazu gehört die geschickte Hand,
Die je nach Bedarf sie weiß anzufassen,
Bald mit Strenge und Drohn,
Bald mit Hoffnung auf Lohn,
Auch wohl mit mildem Gewährenlassen.
Ein Staat, der auf seine Ehre hält,
Auf seine Geltung in der Welt,
Soll inmitten der schönsten Friedenszeiten
Seine Wehrkraft zum Siege vorbereiten,
Auf daß diese tausend von Willen und Geistern,
Die, von einer Pflicht zusammengehalten,
Zu einem lebendigen Leibe sich ballten,
Von einer Führerhand seien zu meistern.
Des Einen überlegner Verstand,
Er ist's, der zum Hell für das Vaterland
Die kriegrische Wildheit entbinde und lenke
Und wieder hemme, dämpfe, beschränke.

„Ah!“ denkst Du und atmest erleichtert auf,
„Dem Himmel sei Dank! Seiner Rede Lauf,
„Hier ist er zu Ende.“ — Zu Ende! Ich? —
„Nun, was noch?“ — Mein Bester, ich bitte Dich,
Dieser Gegenstand ist ja ein Feld — ein Feld —
Und gar für 'nen Staatsmann so weit wie die Welt!
Was denkst Du! Das sind erst der Punkte drei.
Nun aber gibt's ihrer tausenderlei,
Und gleichermaßen wichtig dabei.

Nur eine Herrschaft, die da mit Geschick
Handhabt die Kunst der hohen Politik,
<140>Verbürgt dem Staate seine Sicherheit;
Die Kunst ist's, die's versteht, von nah und fern
Zum Bund zu einigen die Landesherrn,
Und so der Freunde Macht zur rechten Zeit,
Geschlossen und zu Schutz und Trutz bereit,
Der Macht der Feinde entgegenstellt
Und damit durch kluge Wahrung des rechten
Gleichgewichtes unter den Mächten
Europa unabhängig erhält.
Solang nun Treu und Glauben allerwegen
Das Wort noch hatten in den Staatsverträgen,
War solcher Bande unbestrittner Wert
In Geltung überall und hochgeehrt.
Doch Gradheit, Redlichkeit kam bald abhanden
Und ward vor schnödem Eigennutz zuschanden;
Da gab's bald der Hintertüren genug,
Gab's Kniffe und Listen, ja nackten Betrug,
Sodaß sich ins Leben der Staaten sacht
Das Mißtrauen einschlich und der Verdacht.
Neid und Verrat, sie lernten's, beizeiten
Den Tag ihrer Abrechnung vorzubereiten;
Zu einer Wissenschaft hat man's gebracht,
Einer hohen Schule der Schlechtigkeiten.
Erlauchte Verbrecher ohne Zahl
Erfüllten die Welt mit einemmal
Zum Fluch der Menschheit, zur Geißel der Staaten.
Schon ließ sich die Weisheit selber beraten
Von den Afterlehren
Und ward, des Verbrechens sich zu erwehren,
Selber verbrecherisch:
Im hohen Staatsrat, am Sitzungstisch,
Vor den Ohren des Königs gar,
Berief man sich drauf — und fortan war
Ein Pakt ein schielendes Ding nur, das man
So oder so auslegen kann,
War jeder Vertrag verdächtig, verschlagen;
Voller Verstecktheiten, Zweifel und Fragen;
Kurz, der Betrug war geadelt, gekrönt,
Und was bei dem Volke dort unten verpönt,
Schandtaten, die vom Gesetzbuch bedroht sind,
<141>Die wurden da oben
Zur Tugend erhoben,
Zu Tugenden, wie sie 'nem Könige not sind!
Seit so das Schändlichste scheint erlaubt,
Kann sich in jedem Augenblicke
Ein Abgrund auftun, eh' man's glaubt,
Umdrohen uns Fallen, Schlingen und Stricke;
Ängstlich bei jedem Schritte nimmt
Man sich in acht, wie der Krieger, der
Die Minen zerstörend, Schanze und Wehr
Einer wohlverteidigten Festung erklimmt.
Doch — Freundschaft unter Fürsten, ach,
Der fragst Du wohl meist vergebens nach!
Je näher benachbart, je ärger ergrimmt,
Sinnt jeder, den andern zu vernichten:
Da heißt's auf der Hut sein, lauern und passen
Auf des Nachbarn Pläne, sein Tun und Lassen,
Was da werden will, scharf ins Auge zu fassen,
Um auf drohendes Unheil sich einzurichten.

Das, Freund Darget, sind die Sorgen, die bangen,
Die an der Krone untrennbar hangen.
Und dennoch — ob ein Fürst auch immer
Für Staat und Reich sein Letztes tu',
Auf Dank beim Volke zähl' er nimmer,
Geht es nicht grab mit 'nem Wunder zu!
Wem kann's wohl ein König zu Danke machen?
Er soll sich auf alles zugleich verstehn,
Auf den Krieg, die Finanzen und dabei
Auf Diplomatie und Juristerei;
Auf seinem Feld, das nicht abzusehn,
Soll er ein Allerweltskerl sein —
Und heischt doch für sich jedes Ding allein
Einen ganzen Mann, eine ganze Kraft!
Dem, der zur Strafe gezogen ward,
Heißt er zu strenge, heißt er zu hart.
Der klagt über Jähzorn und Leidenschaft;
Der schimpft, er sei zu weich, zu mild;
Zieht er zu Felde, gleich heißt er wild,
Ehrbegierig, vermessenen Geistes:
<142>„Das ist für unsre Sünden,“ heißt es,
„Daß solch ein König uns ist beschieden!“
Ebenso schimpfen sie, hält er Frieden:
„Stumpfsinnig ist er, ein Abenteuer
„Ist ihm bedenklich, der Ruhm macht ihm Grauen!“
Hält er selber die Hand am Steuer:
„Ehrneidisch ist er und ungeheuer
„Eigensinnig, an Selbstvertrauen
„Ein rechter Narr, voller Launen und Grillen,
„Alles soll gehen nach seinem Willen!“
Doch läßt er die Sorgen um Staat und Reich
Seinen Ministern, kopfschütteln sie gleich:
„Wann wird ihm das finstre Ränkespiel
„Dieser Gesellschaft mal endlich zuviel?“
Hat er Günstlinge — mit Erbarmen
Zuckt man die Achseln ob seiner Schwächen;
Hat er keine, hört man sie sprechen:
„Der kann für Freundschaft ja nie erwarmen!“
Heißt dieser ein schlimmer, unruhiger Kopf,
So jener ein träger, tatscheuer Tropf.
Wer spart, wird ein schmutziger Filz genannt,
Verschwender — der mit der offenen Hand;
Hat er gar für die Frauen ein Herz, einen Blick,
Gleich ist er ein liederlicher Strick.
Das wär' so ein Bildnis in groben Strichen
Von unserem Dasein, dem königlichen.

Wie soll nun, Darget, das verrate mir bloß,
Ein König, und wär' er noch so groß,
Vereinen mit unseren Menschlichkeiten
Alle göttlichen Vollkommenheiten?
Nein, solche Vollendungsfülle ward
Noch nimmer zuteil der sterblichen Art!
Wollt ihr einen König, der, ganz und gar
Jeder menschlichen Leidenschaft bar,
Nur Ruhe halte immerdar —
Dann geht zum Meister Adam,142-1 der
Stellt euch aus Stein den Gewünschten her!
<143>An Darget. Apologie der Könige
Was sollt' auch den Leuten den Mund verschließen,
Den ewigen Nörglern? Selbst Cäsar war
Von Mißgunst verfolgt, und die Krittler ließen
Nicht ungerupft einen Titus gar!

Wie aber kommt's nun, daß jederzeit
Mit besonderer Wut und Bissigkeit
Die Spottrede grade auf unsern Rang
Es abgesehn hat? Ich will's Dir sagen:
Der Mensch hat den angebornen Hang
Zur Freiheit; drum haßt er Gewalt und Zwang,
Sein stolzer Unabhängigkeitsdrang
Kann unbeschränkte Macht nicht ertragen,
Den Abstand vom Herrn zum Untertan;
Das tut seinem Selbstgefühl weh, das tränkt,
Also daß mancher im stillen denkt:
Was ist denn an diesem König daran?
Fehlt's ihm doch ganz und gar an Geist,
Zu denken wie ich! Ein andrer ruft dreist:
„I ch müßte einmal da oben stehn,
„Da solltet ihr was von Regierung sehn!“
Sieh Dir das Pack der Mißvergnügten an,
Der Überschuldeten: ein Amt ward frei,
Nun drängt das gierig, eifernd sich herbei:
Ich! Ich! — Der kriegt es, der was ist und kann.
Nun die Spottreden der Enttäuschten, die
Beschimpft sich fühlen! Wie entstellen sie
Zum Zerrbild unsre Züge jetzt und schwärzen
Das Alleredelste in unserm Herzen!
Bald wächst der Schwarm von Neuen ihresgleichen,
Und mir nichts, dir nichts, von oben herab
Brechen sie über Dein Leben den Stab;
Konnt's doch der Himmel selber nie erreichen,
Daß die Gesellschaft sich zufrieden gab;
Wie stellt das erst ein armer König an,
Der aller Erdenschwachheit Untertan?

Da gibt's nur eins: Um seiner selber willen
Das Gute lieben, seine Pflicht erfüllen
Und das Geschwätz verachten, das gar bald
<144>Im Leeren verhallt.
Drum lassen wir das Volk der Wespen schwärmen,
Mag's summen, brummen, uns soll's wenig härmen.
Ich weiß ein vernichtendes Wort, um ihnen,
Den Richtern der Fürsten, im Ernst doch zu dienen —
Sie kennen, die übergescheiten Herrn,
All die wichtigen Dinge doch nur von fern,
Und sind, die Allzugestrengen, gesteh's
Doch nichts als ebensoviele Dargets.
Das Besserwissen und Tadeln ist leicht,
Die Meisterschaft selber ist schwer erreicht!
Ein Bürger, an dem meine Lust ich hab',
Gibt einen Tölpel von König ab.
Sie sollten nur, jene Phaetons all,
Sie, unseres Faches gewiegteste Kenner,
Selbst einmal lenken des Staatswagens Renner
Zum Olymp hinan — das gäb' einen Fall!

Doch fürchte ja nicht, mein guter Darget,
Daß ich des Unfugs mich untersteh',
Meine Leier und Reimkunst zu schänden
Und mich sophistisch hier zu verwenden
Als Fürsprech für Schurken auf den Thronen,
Für Tyrannen, den Abscheu der Welt:
Nein, meine Muse kennt auch kein Schonen
Bei Fürsten, wo's also schmählich bestellt.
Naturen, wertlos, ehrlos, gemein,
Auf ihrem Thronsitz schlafen sie ein,
Oder von leeren Phantasterein
Ist ihr Inneres geschwellt;
Wider die Nachbarn nur allzu zart
Und rückgratlos, ist solch ein Tyrann
Wider den eigenen Untertan
Übertrieben hart.
O, ich möchte Dir diese Art
Gern einmal nach der Natur konterfein:
Sieh, solch ein Zerrbild von König — doch nein!
Mein Vortrag macht Dich müde, mein Darget,
Ja ja, ganz maßlos müde, und ich seh',
Du brennst, nach Haus zu kommen, wo zur Stunde
<145>Die liebe Frau aus mehr als einem Grunde
In Sehnsucht Deiner harrt; auch brummt wohl schon
Die Köchin, daß der Braten auf dem Herde
Einschmore; längst schon sei der Tisch gedeckt
Und das Ragout höchst lecker abgeschmeckt
Von dieser kunsibewanderten Person —
Sie droht schon, daß es ungenießbar werde;
Und drunten warnt ein scharfer Peitschenton:
Der Kutscher hätt uns gerne aufgeschreckt,
Und schwingt die Peitsche über seine Pferde.
Gleich schlägt es zehn. Es murrt bei Dir zu Haus
Das Dienervolk, Du bleibst zu lange aus!
Es muß wohl sein, nun denn, so fahr!
Doch erst, nicht wahr?
Gibst Du mir noch das Eine zu:
Die Großen sind nicht besser dran als Du.


133-1 Claude Etienne Darget war zunächst Sekretär des französischen Gesandten, Marquis Valory, gewesen, dann in König Friedrichs Dienste getreten und am 18. Januar 1746 zu dessen Privatsekretär und Vorleser ernannt worden. Im Frühjahr 1752 kehrte er nach Frankreich zurück.

134-1 Vgl. Ariost, Der rasende Roland, 34. Gesang, Stanze 84.

135-1 Anmerkung des Königs: „Chirurg bei der preußischen Armee.“

136-1 Das „offene E“ wird im Französischen stets ausgesprochen und daher im Verse als Silbe gezählt, das „stumme E“ hingegen nur, wenn lein Vokal folgt.

142-1 Anmerkung des Königs: „Bildhauer des Königs.“ Vgl. Bd. VIII, S. 224.