<127>Schon schlug so manche Bresche in der Erkenntnis Schranken
Uns der Versuch des Forschers; die Bahn zu den Gedanken
Eines Lukrez und Locke gelang es freizulegen;
Kommt, ihnen laßt uns nachgehn, auf den gebahnten Wegen
Den Menschen aufzuzeigen des eignen Wesens Art
Und endliche Bestimmung: Laßt sehen, wie er ward
Und in uns wuchs und reifte, der Geist, wo sein Verbleib,
Wenn einst in Staub zerfallen ist dieser Erdenleib.
Mit uns wird er geboren, erstarkt, entfaltet sich
Mit unserm Sinnenleben und umgestaltet sich,
So wie sich jenes wandelt: Im Kindheitalter zart,
Genau wie unser Körper, bald feurig, kecker Art,
Draufgängerisch, solange der Jünglingsmut uns hebt;
Zag, flügellahm im Leiden, und wieder stark belebt,
Sobald 's dem Leibe wohlgeht; plagt ihn Gebrechlichkeit,
Wird er herabgemindert, verfällt in Schwächlichkeit,
Und so mit uns vergeht er. So bleibt denn allezeit
Sein Schicksal unzertrennlich von unsrer Leiblichteit.

Doch sagt mir: Dieses Wesen von höherer Natur,
Unsterblich, schier gottähnlich — wie mag die Seele nur
Dem Himmel, uns zuliebe, und seinem Glück entsagen,
Mit dem kurzleb'gen Leibe den üblen Bund zu wagen,
Dem Erdstoff, dem verworfnen, vergänglich, undankbar?
Wie mag sie sich nur spitzen auf ein verliebtes Paar
Und seine Schäferstunde? Dann auf der Lauer liegen,
Den Fötus zu beleben, neun Monde sich zu schmiegen
In selbstgewähltem Kerker, im dunklen Mutterschoß,
Um dann, nach allem diesem, jedwedem groben Stoß
Des armen Menschendaseins ganz bloßgestellt zu sein,
Hitze und Frost zu dulden und Schmerz und Sterbenspein?

Ach ja, das sind so Träume der lieben Eitelkeit!
Doch holt euch bei den Jüngern des Hippokrat Bescheid:
Laßt euch das Uhrwerk weisen, das Leib und Leben heißt,
Trennt bei dem Ineinander den Körper und den Geist!
Schließt dir bei Tagesscheiden der Schlaf die Wimpern zu,
Was tut dann deine Seele? Auch sie versinkt in Ruh.
Und fliegen dir die Pulse und tobt erhitzt das Blut,
Als wollte dich verzehren die schlimme Fieberglut,