<89> voraus fertig und halten sich daran. Ob nun dieser Lehrgang gut oder schlecht ausgearbeitet sei, danach fragt niemand. Man sieht denn auch, wie wenig Nutzen die Studenten von ihrem Studium haben. Sehr wenige verlassen die Universität mit den Kenntnissen, die sie von dort mitbringen sollten. Meine Idee wäre also die, jedem Professor die Regel vorzuschreiben, nach der er sich bei seinen Vorlesungen zu richten hätte. Hier ein Entwurf dazu.

Lassen wir den Mathematiker und Theologen beiseite, da sich der Gewißheit des einen nichts hinzufügen läßt und man die Volksmeinungen in Bezug auf den andern nicht antasten darf.

Ich nehme mir zuerst den Philosophen vor. Ich würde verlangen, daß er seinen Kursus mit einer genauen Definition des Begriffes PHUosophie beginnt. Dann soll er bis auf die fernsten Zeiten zurückgehen und all die verschiedenen philosophischen Systeme in der Reihenfolge, in der sie gelehrt worden sind, nacheinander durchgehen. So würde es z. B. nicht genügen, wenn er seinen Schülern von den Stoikern sagt, sie nähmen in ihrem System an, daß die menschlichen Seelen Teile der Gottheit seien. So schön und erhaben dieser Gedanke auch ist, so muß der Professor doch auf den in ihm liegenden Widerspruch hinweisen. Denn wäre der Mensch ein Teil der Gottheit, so besäße er unbegrenztes Wissen; das aber hat er nicht. Wäre Gott in den Menschen, so könnte es jetzt geschehen, daß der englische Gott sich mit dem französischen und spanischen bekriegte, daß diese verschiedenen Teile der Gottheit sich gegenseitig zu vernichten suchten und daß endlich alle von den Menschen begangenen Missetaten und Verbrechen göttliche Werke wären. Welcher Aberwitz, solche Abscheulichkeiten anzunehmen! Sie sind also nicht wahr.

Kommt er zum System Epikurs, so wird er vor allem auf die Gleichgültigkeit verweisen, die der Philosoph seinen Göttern beilegt, die aber der göttlichen Natur widerspricht. Er wird nicht vergessen, auf die Ungereimtheit der Lehre von der Abweichung der Atome1, sowie auf alles aufmerksam zu machen, was der Exaktheit und Folgerichtigkeit des logischen Denkens widerstrebt. Er wird ohne Zweifel auch die Sekte der Skeptiker erwähnen und darauf hindeuten, wie notwendig es oft ist, sein UrteU in metaphysischen Fragen zurückzuhalten, da weder Analogie noch Erfahrung uns einen Faden reichen, der uns durch dies Labyrinth führt.

Dann wird er auf Galilei kommen, wird dessen System klarlegen und dabei den Aberwitz des römischen Klerus ins rechte Licht setzen, der nicht dulden wollte, daß die Erde sich dreht, und der sich gegen die Antipoden auflehnte, aber trotz seiner vermeintlichen Unfehlbarkeit seinen Prozeß wenigstens diesmal vor dem Richterstuhl der Vernunft verlor. Dann kommt Kopernikus, Tycho de Brahe, das System der Wirbel2. Der Professor wird seinen Hörern die Unmöglichkeit des vollen Raumes klarmachen, die jede Bewegung ausschlösse. Er wird trotz Descartes klar beweisen,


1 Die Lehre Epikurs von der Abweichung der Atome von der senkrechten Fallinie.

2 Von Descartes.