<8> bewahren. Er möchte die Krieger und Feldlager von den Spitzfindigkeiten und Haarspaltereien der Schulweisheit säubern und diese dem Pedantenvolt der Scholastiker überlassen. Er möchte den Menschen für alle Zeiten das geweihte Schwert entwinden, das sie vom Altar reißen, um ihre Mitbrüder erbarmungslos abzuschlachten. Mit einem Worte: die Wohlfahrt und Ruhe der Gesellschaft ist das Hauptziel der Dichtung. Darum mahnt der Dichter so oft, die gefährliche Klippe des Fanatismus und des falschen Eifers zu meiden.

Indes scheint die Mode der Religionskriege zum Segen der Menschheit jetzt überwunden. Wir hätten damit einen Wahn weniger auf der Welt. Aber ich wage zu behaupten: das verdanken wir zum guten Teil dem philosophischen Geiste, der seit einigen Jahren in Europa die Vorherrschaft erlangt hat. Je mehr Aufklärung, desto weniger Aberglaube. Ganz anders war es im Zeitalter Heinrichs IV. Die alle Begriffe übersteigende mönchische Unwissenheit und die Barbarei der Menschen, die keine andre Beschäftigung kannten als Jagen und Einandertotschlagen, ebnete den handgreiflichsten Irrtümern den Boden. Katharina von Medici1 und die aufständischen Großen konnten also damals die Leichtgläubigkeit der Menge um so leichter mißbrauchen, als das Volk roh, blind und unwissend war.

Die gebildeten Zeitalter, in denen die Wissenschaften erblühten, haben uns keine Beispiele von Religionskriegen und Bürgerzwist zu bieten. In den schönen Zeiten des Römischen Reichs, gegen Ende der Regierungszeit des Augustus, war das ungeheure Reich, das fast zwei Drittel der bekannten Welt umfaßte, friedlich und ohne Aufruhr. Die Menschen überließen die Glaubensinteressen den Dienern der Religion und zogen den ruhigen Genuß und das Studium der ehrgeizigen Wut vor, sich für Worte, für den Eigennutz oder für verderbliche Ruhmsucht gegenseitig zu schlachten.

Das Zeitalter Ludwigs XIV., das ohne Schmeichelei dem augusteischen an die Seite gestellt werden darf, ist gleichfalls ein Beispiel für stille, glückliche innere Zustände. Aber leider wurde diese Ruhe am Ende seiner Regierungszeit getrübt durch den Einfluß, den der Pater Le Tellier auf den altersschwachen Geist des Königs gewann. Indes war das nur das Wert eines Einzelnen, und es wäre offenbar unrecht, das ganze Zeitalter dafür verantwortlich zu machen, das im übrigen so reich an großen Männern war.

Die Wissenschaften haben also stets zur Vermenschlichung der Menschen beigetragen. Sie machen sie milder, gerechter und weniger gewalttätig. Sie haben am Wohl der Gesellschaft und am Glück der Völker mindestens den gleichen Anteil wie die Gesetze. Die sanfte und liebenswürdige Gesinnung derer, die die Künste und Wissenschaften pflegen, teilt sich unmerklich dem großen Haufen mit. Sie dringt vom Hof in die Hauptstadt, von der Hauptstadt in die Provinzen. Dann gehen den Menschen die Augen auf, daß die Natur sie gewiß nicht dazu schuf, sich gegenseitig auszurotten, sondern daß wir uns in unsern gemeinsamen Nöten beistehen sollen, daß Unglück,


1 Die Witwe König Heinrichs II. und Mutter der Könige Karl IX. und Heinrich III.