<266> Geist, Talente, Sittlichkeit und Tugend müssen der Erziehung beider Geschlechter in derselben Weise zur Grundlage dienen, damit die, die sie empfangen haben, sie auf die übertragen können, denen sie das Leben geben werden.

Um schließlich nichts zu vergessen, was zur Sache gehört, muß ich hier noch auf den Mißbrauch der väterlichen Gewalt gegenüber den Töchtern hinweisen. Man zwingt sie zuweilen unter das Joch der Ehe, obwohl beide Teile nicht zusammen passen. Der Vater bedenkt lediglich das Familieninteresse und folgt in der Wahl des Schwieger/ sohnes oft nur seiner Laune, oder er fällt auf einen reichen Kauz oder einen siewalten Mann oder auf sonst ein Subjekt, das ihm behagt. Er ruft seine Tochter und sagt zu ihr: „Mein Kind, ich habe beschlossen, Dir Herrn Soundso zum Gatten zu geben.“ Die Tochter antwortet seufzend: „Vater, Ihr Wille geschehe.“ So kommen zwei in Charakter, Neigung und Sitten ganz unverträgliche Menschen zusammen. Unfriede zieht in den neuen Haushalt mit dem Tage ein, wo das unselige Band geknüpft wird, und bald folgen Abneigung, Haß und Ärgernis. So gibt es denn zwei Unglückliche, und das hohe Ziel der Ehe ist verfehlt. Mann und Frau trennen sich, vergeuden ihr Vermögen in liederlichem Leben, sinken in Verachtung und endigen im Elend. Ich ehre die väterliche Gewalt wie kein zweiter und lehne mich nicht gegen sie auf. Nur wünschte ich, daß die, die sie in Händen haben, sie nicht mißbrauchen, indem sie ihre Töchter zur Ehe zwingen, wenn infolge des Charakters oder des Altersunterschieds Abneigung herrscht. Mögen sie für sich selbst nach ihrem Gutdünken wählen, aber ihre Kinder befragen, wenn es eine Verbindung zu schließen gilt, von der das Glück oder Unglück ihres ganzen Lebens abhängt! Wenn dadurch nicht alle Ehen besser werden, so wird doch wenigstens denen eine Entschuldigung genommen, die ihr zuchtloses Leben auf den Zwang zurückführen, den ihre Eltern gegen sie geübt haben.

Das sind im allgemeinen die Beobachtungen, die ich hierzulande über die Mängel der Erziehung gemacht habe. Wenn Sie mich als Schwärmer für das öffentliche Wohl tadeln, so werde ich mir diesen Vorwurf zum Ruhm anrechnen. Wer viel von den Menschen verlangt, erreicht wenigstens etwas. Sie, der Vater einer zahlreichen Familie, weise und verständig, wie ich Sie kenne, haben gewiß über Ihre Pflichten als Vater nachgedacht und werden in Ihren eignen Gedanken den Keim derer finden, die ich soeben entwickelt habe. In der großen Welt hat man wenig innere Sammlung und noch weniger Überlegung. Man begnügt sich mit oberflächlichen Ideen, folgt dem Brauch und der Tyrannei der Mode, die sich bis auf die Erziehung erstreckt. Man darf sich also nicht wundern, wenn die Folgen und Ergebnisse den falschen Grundsätzen entsprechen, nach denen man handelt. Ich ärgere mich, wenn ich sehe, welche Mühe man sich in diesem rauhen Klima gibt, um Ananas, Bananen und andre exotische Pflanzen zum Gedeihen zu bringen, während man so wenig Sorgfalt auf