<233> unterstützte. Wer immer in Griechenland Talente besaß, war sicher, Bewunderung, ja selbst Begeisterung zu finden. Das war die mächtige Anregung, die Talente entwickelte und den Geistern jenen Aufschwung gab, durch den sie sich über die Schranken der Mittelmäßigkeit erhoben. Welch ein Stachel des Wetteifers für die PHUosophen, als sie erfuhren, daß Philipp von Mazedonien den Aristoteles als einzig würdigen Lehrer Alexanders erkoren hatte! In jenem schönen Zeitalter fand jedes Verdienst seinen Lohn, jedes Talent seine Ehren. Die guten Schriftsteller wurden ausgezeichnet. Die Werke des Thukydides und Xenophon befanden sich in aller Händen; kurz, jeder Bürger schien teilzuhaben an der Berühmtheit jener großen Geister, die Griechenlands Ruf damals über den aller übrigen Völker er, hoben.

Bald nachher liefert uns Rom ein ähnliches Schauspiel. Cicero schwingt sich durch seinen philosophischen Geist und seine Beredsamkeit auf den Gipfel des Ruhmes. Lukrez lebte nicht lange genug, um seinen Ruf zu genießen. Aber Virgil und Horaz wurden durch den Beifall jenes königlichen Volkes geehrt, standen in vertrautem Verkehr mit Augustus und hatten Teil an den Belohnungen, die dieser geschickte Tyrann über alle ausschüttete, die seine Tugenden priesen und seine Lasier beschönigten.

Zu der Zeit, da die Wissenschaften im Abendlande wieder aufblühten, gedenkt man mit Freuden der Medizäer und einiger Päpste, die sich eifrig der Schriftsteller annahmen. Man weiß, daß Petrarca als Dichter gekrönt wurde und daß Tasso nur durch seinen Tod um die Ehre kam, auf demselben Kapitol gekrönt zu werden, wo dereinst die Besieger der Welt triumphiert hatten.

Ludwig XIV., der nach jeder Art von Ruhm dürstete, vergaß auch den Ruhm nicht, die außerordentlichen Männer zu belohnen, die unter seiner Regierung auftraten. Er überhäufte nicht nur Bossuet, Fenelon, Racine und Boileau mit Wohltaten, sondern dehnte seine Freigebigkeit auch auf alle Schriftsteller aus, in welchem Lande sie auch wohnten, wenn nur ihr Ruf bis zu ihm gedrungen war.

So handelten alle Zeitalter gegen jene glücklichen Geister, die das Menschengeschlecht zu adeln scheinen, deren Werke uns erquicken und uns über das Elend des Lebens hinwegtrösien. Es ist also nur recht und billig, daß wir den Manen des Großen, dessen Verlust Europa betrauert1, den Tribut des Lobes und der Bewunderung zollen, den er so sehr verdient hat.

Wir gedenken nicht, auf die Einzelheiten von Voltaires Privatleben einzugehen. Die Geschichte eines Königs soll in der Aufzählung der Wohltaten bestehen, die er seinem Volke angedeihen ließ, die eines Kriegsmannes in seinen Feldzügen, die eines Schriftstellers in der Darlegung seiner Werke. Anekdoten können die Neugierde unterhalten; Taten unterrichten. Doch es ist unmöglich, die Fülle der Werke, die wir der Fruchtbarkeit Voltaires danken, im einzelnen zu prüfen. Nehmen Sie also,


1 Voltaire war am 30. Mai 1778 gestorben.