<65> der Verdacht der Bestechung nahe genug liegt. Es ist die Eigentümlichkeit dieses Lasters, die schönsten menschlichen Vorzüge in den Hintergrund zu drängen, sobald es sich ihnen gesellt.

Der Freigebige ist das genaue Gegenstück zum Habsüchtigen. Seine Freigebig, keit beruht auf Güte und Mitgefühl. Seine Wohltätigkeit will den Unglücklichen helfen und beitragen zum Glücke wertvoller Menschen, mit denen es das Schicksal weniger gut meint als die Natur. Ein Fürst von solcher Sinnesart denkt nicht daran, seine Völker zu bedrücken und für seine Vergnügungen auszugeben, was sie mit saurer Müh' erwarben; vielmehr wird sein einziger Gedanke sein, die Quellen ihres Wohlstandes zu mehren. Wo etwa Unrecht und Schädigung vorkommt, geschieht's ohne fein Wissen, sein gütiges Herz treibt ihn nur, allen Völkern seiner Herrschaft jegliches Glück zu schaffen, das ihr Zustand nur immer zuläßt.

Dies ist der landläufige Sinn der Begriffe Freigebigkeit und Geiz. Kleine Fürsten, deren Besitz nur schmal und deren Familie verhältnismäßig groß ist, tun gut, wenn sie ihre Wirtschaftlichkeit getrost bis zu der Grenze treiben, wo ein oberflächlicher Beurteiler sie schon mit Geiz verwechselt. Herrscher, die zwar über einige Staaten gebieten, aber noch nicht zu den großen Fürsten zählen, sehen sich auf eine gewissenhafte Verwaltung ihrer Einkünfte angewiesen und ebenso auf eine vorsichtige Bemessung ihrer Freigebigkeit nach ihrer Leistungsfähigkeit. Doch mit der Macht des Fürsten wächst seine Pflicht, eine offene Hand zu haben.

Vielleicht hält man mir das Beispiel Franz' des Ersten von Frankreich entgegen, dessen alles Maß überschreitende Ausgaben mit an seinem Unglück schuld waren; bekannt ist es ja, daß die Vergnügungen dieses Königs die Mittel verschlangen, die ihm zum Ruhme den Weg hätten bahnen können. Doch dagegen läßt sich zweierlei sagen: erstens war Frankreich zu jenen Zeiten an Machtstellung, Einkünften und Hilfsmitteln bei weitem nicht dem Frankreich von heute zu vergleichen, und zweitens war dieser König schon nicht mehr freigebig, sondern eben ein Verschwender.

Weit entfernt, Ordnungssinn und Genauigkeit bei einem Herrscher zu verurteilen, bin lch der erste, der ihm solches hoch anrechnet. Der Fürst als der Vormund seiner Untertanen hat für die Verwaltung der Staatsgelder aufzukommen, er ist seinen Untertanen dafür verantwortlich und muß, wofern er klug ist, ausreichende Mittel auf Vorrat ansammeln, um in Kriegszeiten die notwendigen Ausgaben bestreiten zu können, ohne genötigt zu sein, den Seinen neue Lasten aufzuerlegen. Soviel Vorsicht und Umsicht in der Verwendung der Staatsgelder geboten ist, wenn das Gemeinwohl es erfordert, ist auch Freigebigkeit und Weitherzigkeit am Platze: dergleichen gibt dem Gewerbefleiß neue Unternehmungslust, sichert immer wieder dem fürstlichen Namen seinen guten Klang und belebt jede Tüchtigkeit.

Zuletzt noch ein Irrtum Machiavells! Ein Irrtum des sittlichen Empfindens. „Freigebigkeit macht arm und somit verächtlich.“ Welch armseliger Gedankengang, welche verkehrten Vorstellungen von dem, was Anerkennung oder Tadel einträgt!