<265> es ihnen einfällt, die Könige für Ebenbilder der Gottheit zu erklären, so ist das jedenfalls Übertreibung, obwohl sie bei dem Vergleich die Absicht haben, die Könige zu ermahnen, daß sie ihre Vollmacht nicht mißbrauchen, sondern gerecht und huldreich seien, gemäß der volkstümlichen Gottheitvorstellung, die sich bei allen Nationen herausgebildet hat. Der Autor malt sich die Sache so aus, daß zwischen den Herrschern und den Geistlichen Verträge geschlossen werden, worin die Fürsten versprechen, den Klerus zu ehren und zu Ansehen zu bringen, unter der Bedingung, daß er dem Volke Unterwerfung predige. Ich gebe die Versicherung, daß das ein Hirngespinst ist, daß es gar keine verkehrtere und lächerlichere Erdichtung gibt als diesen angeblichen Pakt. Es ist ja sehr wahrscheinlich, daß die Priester versuchen, dieser Meinung Glauben zu verschaffen, um sich Gewicht zu geben und eine Rolle zu spielen. Es ist auch gewiß, daß manche Herrscher durch ihre Leichtgläubigkeit, ihren Aberglauben, ihren Unverstand und ihre blinde Anhänglichkeit an die Kirche den Anlaß geben, ein solches Einverständnis zu argwöhnen. Tatsächlich aber hängt alles vom Charakter des Fürsten ab. Ist er schwach und bigott, so haben die Männer der Kirche das Übergewicht. Hat er das Unglück, ungläubig zu sein, so wühlen die Priester gegen ihn. In Ermangelung eines besseren schwärzen sie sein Andenken durch Verleumdungen.

Ich halte diese Neinen Schnitzer noch den Vorurteilen des Verfassers1 zugute. Wie aber kann er die Könige beschuldigen, sie trügen die Schuld an der schlechten Erziehung ihrer Untertanen? Er bildet sich ein, es sei ein politischer Grundsatz, daß eine Regierung mehr darauf halten müsse, über Dummköpfe zu herrschen als über eine aufgeklärte Nation. Das schmeckt ein bißchen nach den Anschauungen eines Schulrektors, der in einem engen Kreis von Vorstellungen befangen ist und weder die Welt noch die Regierungen noch die Grundbegriffe der Politik kennt. Es kann doch nicht bezweifelt werden, daß alle Regierungen der zivilisierten Völker für den öffentlichen Unterricht sorgen. Was sind denn all die Schulen, Hochschulen und Universitäten, von denen Europa wimmelt, wenn sie nicht Ansialten zur Unterweisung der Jugend sind? Wenn jedoch gefordert wird, daß in einem ausgedehnten Staat der Fürst für die Erziehung einsiehe, die jeder Familienvater seinen Kindern zuteil werden läßt, so ist dies das lächerlichste Begehren, das je ausgesprochen wurde. Der Fürst darf nicht ins innere Leben der Familie eingreifen, darf sich nicht in die häuslichen Angelegenheiten der Bürger mischen; das kann nur zur verhaßtesten Tyrannei führen.

Unser Philosoph schreibt, was ihm unter die Feder kommt, nieder, ohne die Folgen zu untersuchen. Er ist einfach schlecht gelaunt, wenn er so artig die Höfe als Herde der öffentlichen Korruption bezeichnet. Im Ernst, ich schäme mich für die Philosophie. Wie kann einer dermaßen übertreiben? Wie kann man solche Albernheiten vorbringen? Ein minder hitziger Geist, ein Weiser hätte sich damit begnügt, zu bemerken, daß, je größer die Gemeinschaften, desto raffinierter ihre Lasier sind; je mehr die


1 Vgl. S. 238 ff.