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Ich rede nicht von unseren Erbansprüchen auf Ansbach, Jülich, Berg und Mecklenburg1, weil sie bekannt sind und man den Eintritt des Erbfalls abwarten muß.

Da Preußen arm ist, muß man sich besonders vor der Einmischung in solche Kriege hüten, bei denen nichts zu gewinnen ist. Sonst erschöpft man sich umsonst und kann eine sich später bietende günstige Gelegenheit nicht ausnutzen. Alle weitab liegenden Erwerbungen fallen dem Staate zur Last. Ein Dorf an der Grenze ist mehr wert als ein Fürstentum, das sechzig Meilen entfernt liegt. Es ist dringend notwendig, seine ehrgeizigen Pläne so sorgfältig wie möglich verborgen zu halten und wenn möglich den Neid Europas gegen andere Mächte wachzurufen, um dann unbemerkt und unauffällig seinen Schlag zu führen. Der Fall kann eintreten. Hsierreich, das seine Maske fallen ließ2, zieht sich wegen seiner ehrgeizigen Absichten den Neid und die Eifersucht der Großmächte auf langehin zu. Geheimhaltung ist eine Kardinaltugend für die Politik wie für die Kriegskunst.

Rechtspflege

Preußen besitzt eine recht weise Gesetzgebung. Ich halte es für unnötig, daran zu bessern. Alle drei Jahre aber muß eine Visitation der Gerichtshöfe in den Provinzen erfolgen. Die Aufführung der Richter und der Advokaten ist zu prüfen. Sie sind zu bestrafen, sobald man sie auf Pflichtwidrigkeiten ertappt. Da jedoch die Parteien und die Advokaten die besten Gesetze zu umgehen suchen, so muß alle zwanzig Jahre eine Prüfung stattfinden, durch welche Schliche und Kniffe sie die Prozesse zu verschleppen suchen. Dem ist (wie es jetzt geschehen3) ein Riegel vorzuschieben, damit die Prozesse nicht in die Länge gezogen werden, worunter die Parteien schwer zu leiden haben.

Die Einheit der Regierung

Da Preußen arm ist und leine Hilfsquellen besitzt, so muß der Herrscher stets über einen wohlausgestatteten Staatsschatz verfügen, um wenigstens einige Feldzüge bestreiten zu können. Sein einziger Notbehelf ist eine Anleihe von 5 Millionen Talern bei der „Landschaft“4 und die Erhebung von ungefähr 4 Millionen Talern auf den Kredit der Bank. Das ist aber auch alles. In Friedenszeiten kann er zwar über 5 700 000 Taler verfügen, aber diese Summe soll größtenteils in den Staatsschatz stießen oder zu öffentlichen Zwecken verwandt werden, wie Festungsbauten, Meliorationen, Manufakturen, Kanäle, Urbarmachungen, Ersetzung der Holzhäuser in den Städten durch Steinbauten — alles zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Staates. Aus diesen Gründen muß der König von Preußen sparsam sein und


1 Vgl. S. 160 und 198.

2 Seit Josephs II. Mitregentschaft 1765. Vgl. S. 157 Anm. 2.

3 Durch die Verordnungen vom 15. Januar und 11. September 1776.

4 Vgl. S. 130.