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Als allgemeine Regel gilt für diese Kriegsart, daß man sich nie zu streng auf die Defensive beschränken und vor allem nie aus den Augen verlieren darf, sie bei der ersten Gelegenheit in die Offensive zu verwandeln. Unwissende Offiziere glauben, einen richtigen Defensivkrieg zu führen, wenn sie stets vor dem Feinde zurückweichen und jedes Gefecht vermeiden. Dann geht es ihnen wie dem Herzog von Cumberland, der nach der selbstverschuldeten und auch gewollten Niederlage bei Hastenbeck bis nach Stabe ans Meeresufer floh, wo er mit dem Marschall Richelieu eine schimpfliche Kapitulation abschloß1. Wäre er ein Feldherr gewesen, dann hätte er nicht so unüberlegt 30 Meilen Land preisgegeben. Er hätte dem Feind das Gelände wenigstens Schritt für Schritt streitig machen müssen und nur das aufgeben dürfen, was er nicht mehr halten konnte. Auf diese Weise hätte er den Krieg in die Länge ziehen können und so unzweifelhaft Gelegenheit gefunden, das Gleichgewicht mit den Franzosen wiederherzustellen.

Ein Defensivplan bedarf reiflicher Erwägung. Es gibt Stellungen, die ganze Provinzen decken, ja von denen aus man die feindlichen Provinzen bedrohen kann. Solche Stellungen muß man einnehmen und sie nach allen Regeln der Kunst besetzen. Da man alles voraussehen muß, was ein geschickter Feind gegen Euren Staat zu ersinnen vermag, so kann man annehmen, daß er Euch durch seine Bewegungen zum Verlassen Eurer Verteidigungsstellung wird zwingen wollen. Man muß also schon vorher ein andres Lager ausgesucht haben, entweder rechts oder links oder auch rückwärts, durch das man ihn seinerseits in Schach halten kann. Denkt stets an die gefährlichsten Pläne, die man gegen Euch schmieden kann, und sucht stets die Mittel bereit zu halten, um solche Unternehmungen zu durchkreuzen. Führt der Feind sie aus, so werdet Ihr nicht überrascht und könnt ihm mit kaltem Blut so entgegentreten, wie Ihr es Euch schon vorher ausgedacht habt. Wer sich nicht selbst täuscht, sondern alles voraussieht, wird selten überrascht und findet Mittel zum Parieren der gefährlichsten Schläge, die man gegen ihn führen wollte.

Stützt Eure Defensive nie auf Flüsse, außer wenn sie steile, felsige Ufer haben. Man kann einen Fluß verteidigen, den man hinter sich hat, aber noch nie ist die Verteidigung gelungen, wenn er vor der Front der Armee fließt2. Ein Heerführer, der mit einem Defensivkrieg betraut ist, muß auf die geringsten Fehler des Feindes achten und ihn womöglich zu Fehlern verleiten, um seine geringste Fahrlässigkeit auszunutzen. Solange der Feind kunstgerecht operiert, wachsam ist, das Gelände gut ausnutzt, sich vorteilhaft lagert, seine Detachements nicht leichtsinnig aufs Spiel setzt, seine Märsche deckt, sie in guter Ordnung zurücklegt, seine Lebensmittel sichert und mit Vorsicht fouragiert, hat auch der gewandteste General fast keine Aussicht, ihn mit einigem Erfolg anzugreifen. Ist er aber fahrlässig und begeht Schnitzer, so muß man die Gelegenheit wahrnehmen, sei es, indem man ihn selber angreift, wenn


1 Die Konvention von Kloster Zeven vom 8. September 1757 (vgl. Bd. III, S. 91).

2 Vgl. S. 165 f.