<184>

Über Kriegsmärsche und was bei ihnen zu beachten ist (1777)184-1

Ihr wollt wissen, welche Grundsätze bei der Anordnung der Kriegsmärsche zu befolgen sind. Da das Thema sehr umfangreich ist, erfordert es eine Unzahl von Einzelheiten, je nach dem Zweck, den man mit dem Marsche verfolgt, nach der Natur des Landes, in dem man Krieg führt, nach der Nähe oder Entfernung des Feindes und nach der Jahreszeit, in der man seine Operationen vornimmt. Es gibt Kantonnementsmärsche, Kolonnenmärsche, Nachtmärsche, Tagesmärsche, Armeebewegungen oder Detachementsbewegungen. Jede dieser Arten verlangt besondere Maßnahmen.

Zur richtigen Anordnung der Märsche ist vor allem eins nötig: möglichst umfassende und genaue Kenntnis des Landes, in dem man operieren will; denn der geschickte Mann, der erfahrene Krieger trifft seine Anordnungen nach dem Gelände. Er muß sich der Örtlichkeit anpassen; denn nie wird sich das Gelände ungeeigneten Dispositionen fügen. Die Geländekenntnis ist also die Grundlage jeder kriegerischen Unternehmung. Ohne sie ist alles ein Spiel des Zufalls.

Um den Gegenstand einigermaßen methodisch zu behandeln, will ich in diesem Aufsatz die gewöhnliche Reihenfolge der Kriegsmärsche innehalten.

<185>

1. Kantonnementsmärsche

Nachdem die Kriegserklärung zwischen den kriegführenden Mächten erfolgt ist, versammelt jede ihre Truppen zu Armeen. Diese Versammlung geschieht durch Kam tonnementsmärsche.

1. Man richtet die Truppen, die aus langer Ruhe kommen, zugrunde, wenn man ihnen von Anfang an zu große Märsche zumutet. An den ersten Tagen dürfen sie höchstens drei deutsche Meilen zurücklegen.

2. Man formiert die Kolonnen aus Truppen verschiedener Provinzen und läßt sie in möglichst breiter Front marschieren, damit jedes Bataillon oder Regiment sein Dorf oder seine Kleinstadt zum Übernachten hat. Man muß wissen, wie groß die Dörfer sind, um danach die Verteilung der Truppen auf die einzelnen Häuser vorzunehmen. Finden die Märsche im Frühjahr oder vor der Ernte statt, so benutzt man zur Unterbringung der Soldaten die Scheunen. Dann kann ein mäßiges Dorf ohne Mühe ein Bataillon fassen. Nach drei Marschtagen ist ein Ruhetag nötig.

3. Sobald man in Feindesland kommt, muß der Heerführer sofort eine Avantgarde bilden, die ein Lager bezieht und der Armee um einen Tagesmarsch vorausrückt, damit er Nachricht von allem erhält, und wenn der Feind schon versammelt ist, Zeit hat, seine Truppen zusammenzuziehen und einzuteilen.

4. Ist man vom Feinde entfernt, so kann man auch weiterhin kantonnieren, muß aber die Truppen enger zusammenlegen und sie treffenweise nach der Ordre de baWille einquartieren. In einer Entfernung von drei Tagemärschen muß man ein regelrechtes Lager beziehen und kriegsmäßig marschieren.

5. Man würde zu viel aufs Spiel setzen, wenn man sich zu weit auseinanderzöge. Der Feind würde diese Fahrlässigkeit benutzen, über Eure Truppen herfallen und Eure Quartiere aufheben. Bei nachdrücklichem Vorgehen könnte er Euch vielleicht im einzelnen schlagen und Euch so gleich zu Beginn des Feldzuges zur schimpflichen Flucht zwingen. Dadurch wäre Eure Sache von vornherein verloren.

2. Was man beim Vormarsch beachten muß

1. Der Heerführer muß einen festen Operationsplan haben. Er wird also einen vorteilhaften Ort bestimmt haben, bis zu dem er vorrücken will, um dort zu lagern. Dazu ist nötig, alle Straßen erkunden zu lassen, um sie den Kolonnen zuzuteilen. Man darf aber nicht mehr Kolonnen bilden, als Straßen nach dem neuen Lager führen. Denn muß eine Kolonne eine Straße verlassen, um sich an eine andre anzuschließen, so ist das kein Zeitgewinn und führt nur zu Verwirrung.

<186>

2. Vor allem wird man die Dörfer umgehen, damit keine Kolonne hindurchzurücken braucht, außer wenn Moräste das Einschlagen eines andren Weges völlig verbieten oder in den Dörfern Brücken sind, die man unbedingt überschreiten muß. In ebenem Lande kann die Armee in 8 Kolonnen marschieren, 2 Kavalleriekolonnen auf den Flügeln und 6 Infanteriekolonnen in der Mitte.

3. Der Armee muß stets eine gute Avantgarde vorausgehen, stärker an Kavallerie in der Ebene, stärker an Infanterie in durchschnittenem Gelände. Die Avantgarde muß vor der Armee einen Vorsprung von einer Viertelmeile haben, um sie über alles zu benachrichtigen und das Gelände, durch das sie marschieren muß, abzusuchen und zu säubern.

4. Die Bagage folgt der Armee, gleichmäßig hinter den 6 Infanteriekolonnen verteilt. Sie wird von der Arrieregarde gedeckt, die den Kavalleriekolonnen folgt und eine Abteilung zurückläßt, die hinter den Fahrzeugen schließt.

Das sind die gewöhnlichen Regeln, die man bei den großen Heeresbewegungen allgemein anwendet.

3. Lager angesichts des Feindes, wenn man rechts oder links abmarschiert ist

Märsche in der Nähe des Feindes sind die schwierigsten und erfordern die meiste Vorsicht. Denn da ein tätiger Feind den Lagerwechsel benutzen kann, muß man Vorsorge treffen, um nicht während des Marsches geschlagen zu werden. Wir wollen zunächst von den Märschen reden, wo man rechts oder links abmarschiert.

1. Bevor man sie unternimmt, muß man Quartiermeister vorausschicken, um Örtlichkeit und Straßen durch kleine Patrouillen erkunden zu lassen, desgleichen das Lager, das man beziehen will, die Zahl der Kolonnen, in denen man marschieren kann, und vor allem die Stellungen, die man unterwegs besetzen könnte, falls der Feind die Armee angreift. Auf Grund dieser genauen Detailkenntnisse ist die Marschdisposition zu treffen.

2. Die große Bagage schickt man im voraus zwei Meilen hinter das Lager zurück, das man beziehen will. Sie muß in so viel Kolonnen marschieren, als das Gelände gestattet.

Nehmen wir also an, man wolle ein Lager nach der linken Flanke hin einnehmen.

3. Dann müssen am Vorabend des Marsches, sobald es dunkel wird, Detache-ments zur Besetzung der wichtigsten Stellen abgehen, die man unterwegs einnehmen könnte, falls man vom Feind angegriffen wird. Diese Abteilungen müssen sich dort regelrecht aufstellen und dürfen erst abrücken, wenn die Armee vorbei<187>marschiert ist. Sie werden daher sämtlich nach rechts vorgeschoben, zwischen den Feind und die Kolonnen. Verläuft alles ruhig, so bilden sie die Arrieregarde.

4. So viel Straßen auch da sein mögen, die Armee marschiert nur in zwei Treffen, und zwar links ab. Alle weiter nach links liegenden Straßen werden für die kleine Bagage und die Packpferde bestimmt. Bei solchen Gelegenheiten läßt man nämlich alle Packpferde beiseite, um nicht mit ihnen beschwert zu sein, wenn die Armee zum Kampfe gezwungen wird. Sie gäben nur Anlaß zur Verwirrung.

5. Will der Feind handgemein werden, dann besetzt das erste Treffen sofort die Stellung, die von den Qetachements gedeckt wird. Das zweite Treffen folgt, und alles marschiert auf. Die Kavallerie kann auf den Flügeln bleiben, wo sie schon steht, oder je nach den Umständen ein drittes Treffen formieren. Die Detachements bilden die Reserve oder werden in den Flanken der Armee oder hinter dem zweiten Treffen aufgestellt, entweder rechts oder links an der Stelle, an der man sie nötig zu haben glaubt. So aufgestellt, hat man vom Feinde nichts zu befürchten, ja man kann sogar einen Sieg über ihn erringen. Bleibt aber der Marsch ungestört, so bilden die detachierten Abteilungen die Arrieregarde. Die Truppen rücken ins Lager, und man läßt die große Bagage in aller Sicherheit nachkommen. Ein gleiches gilt beim Rechtsabmarsch.

4. Rückmärsche angesichts des Feindes

1. Will man sich vor dem Feinde zurückziehen, so ist folgendes zu beachten. Man muß sich im voraus die ganze große Bagage vom Halse schaffen und sie rückwärts in das Lager, das man beziehen will, schicken. Sie muß frühzeitig aufbrechen, um den Weg für die Kolonnen frei zu machen, damit die Truppen auf ihrem Marsche nicht behindert werden.

2. Fürchtet man, der Feind wolle die Arrieregarde angreifen, so muß man in möglichst viel Kolonnen marschieren, damit die Armee auf einmal das Lager verlassen und sich durch ihren schnellen Abmarsch den Angriffen des Feindes entziehen kann. Müssen sich dann auch zwei Kolonnen unterwegs wieder vereinigen, so muß man das in Kauf nehmen; denn die Hauptsache ist das schleunige Abrücken, damit jedes Gefecht vermieden wird.

3. Die Armee bildet eine starke Arrieregarde, die so aufgestellt wird, daß sie den Marsch der Kolonnen zu decken vermag. Man kann schon vor Tagesanbruch abrücken, damit selbst die Arrieregarde bei Morgengrauen schon vom Lager entfernt ist. Ein paar Bataillone und Schwadronen vom Ende der Kolonnen sind anzuweisen, hinter Defileen, auf Anhöhen oder bei Wäldern Stellung zu nehmen, um die Arrieregarde zu decken und ihren Rückzug zu sichern. Solche Vorsichtsmaßregeln<188> verzögern den Marsch zwar, sichern ihn aber auch. Hätte der Prinz von Oranien diese Methode befolgt, als er sich von Senef zurückzog, er wäre von Conde nicht geschlagen worden188-1. Das lehrt uns, niemals von den Regeln abzuweichen und sie bei allen Gelegenheiten streng zu befolgen, um nicht unversehens überfallen zu werden.

4. Greift der Feind die Arrieregarde heftig an, so muß die Armee halt machen und im Notfall sogar eine Stellung beziehen, um die Arrieregarde zu unterstützen und sie aufzunehmen, falls sie solcher Hilfe bedarf. Bleibt sie aber unbehelligt, so setzt die Armee ihren Marsch fort und bezieht ihr Lager an dem bezeichneten Orte.

5. Anmärsche zur Schlacht

Das erste, was man in Erwägung ziehen muß, ist die Stellung des Feindes. Die Angriffsdisposition richtet sich nach der Situation seines Lagers und nach seinen Verteidigungsmaßregeln, die man erkundet haben muß. Die Marschordnung richtet sich nach der Angriffsdisposition und danach, mit welchem Flügel man angreifen und welchen man versagen will. Die große Bagage muß schon im voraus zurückgeschickt sein, damit man sie nicht auf dem Halse hat. Die kleine Bagage folgt der Armee unter leichter Bedeckung, falls man sie nicht im Lager lassen kann, was den Vorzug verdient.

Liegt das feindliche Lager so, daß Ihr zum Angriff rechts oder links abmarschieren müßt, so darf Eure Armee nur drei Kolonnen bilden: die eine aus dem ersten Treffen, die zweite aus dem zweiten und die dritte aus der Reserve. Die Packpferde bilden die vierte und fünfte Kolonne. Geht Ihr frontal gegen den Ort vor, den Ihr angreifen wollt, so müßt Ihr eine starke Avantgarde bilden, die der Armee nur um eine kleine Viertelmeile vorausrücken darf. Ihr formiert Euch in so viel Kolonnen, als Straßen nach der Stelle führen, wo Ihr zur Schlachtfront aufmarschieren wollt. Die Adjutanten können sich, nachdem die Entfernungen abgesteckt sind, nach der Angriffsdisposition des Heerführers aufstellen.

Schlagt Ihr den Feind, so bedürft Ihr zur Verfolgung keiner vorbereiteten Wege. Ihr braucht ihm nur auf den Wegen zu folgen, die seine Flucht Euch angibt. Werdet Ihr zurückgeschlagen und habt Ihr nur mit einem Flügel angegriffen, so muß der andre noch unversehrte Flügel den Rückzug decken und als Arrieregarde dienen. Ihr könnt dann in Euer altes Lager auf denselben Wegen zurückkehren, auf denen Ihr gegen den Feind marschiert seid.

<189>

6. Nachtmärsche

Erfordern es die Kriegslage und die näheren Umstände, daß Ihr bei Nacht marschiert, so ist hauptsächlich folgendes zu beachten.

1. Die Führer der Kolonnen müssen die Straßen im voraus gut erkunden lassen, damit sie sich in der Dunkelheit nicht verlaufen, und vor allem, damit sich die Kolonnen nicht kreuzen; denn das könnte zur größten Verwirrung führen.

2. Von Zeit zu Zeit sind Adjutanten von einer Kolonne zur andern zu schicken, um sich gegenseitig zu benachrichtigen.

3. In der neuen Stellung muß man sich so vorteilhaft wie möglich aufstellen, unter Berücksichtigung des Geländes und der Vorteile, die man daraus ziehen kann, — so gut es bei Nacht angeht.

4. Damit der Feind den Aufbruch nicht merkt, läßt man in dem Lager, das man räumt, die Wachtfeuer brennen und einige Husaren „Wer da?“ rufen. Diese ziehen sich dann alle auf ein verabredetes Zeichen zurück, das man ihnen gibt, sobald die Armee vor einem Angriff gesichert ist.

7. Nachtmärsche zu Überfällen

Öfters geschieht es, daß der Feind zur Deckung seiner rückwärtigen Verbindungen Detachements nach rechts oder links ausschickt. Ihre Vernichtung kann wichtig sein, um größere Pläne zur Ausführung zu bringen. Will man solche Detachements<190> überfallen, so muß es zweifellos bei Nacht geschehen. Dabei ist folgendes zu beachten:

Nicht in zu viel Kolonnen marschieren, da sonst Verwirrung entstünde. Vor jeder Kolonne nur etwa 20 Husaren herreiten lassen, lediglich zum Aufklären. Unterwegs das tiefste Schweigen wahren. Sobald man auf die vorgeschobenen leichten Truppen stößt, alles überrennen, sogar schneller als gewöhnlich marschieren, um rasch auf das Gros zu stoßen, das man vernichten will. In solchen Momenten muß man lediglich der Kühnheit folgen, denn der Erfolg hängt von der Schnelligkeit der Ausführung ab, und die Aufgabe muß vollbracht sein, bevor die feindliche Armee dem Detachement zu Hilfe kommen kann. Mißlingt der Streich, so müßt Ihr Euch sofort nach einem Gehölz oder einem schwierigen Gelände zurückziehen, in dessen Schutz Ihr das Gros Eurer Armee wieder erreichen könnt. Bei solchen Überfällen muß man alles auf der Stelle vernichten, sich aber vor einer Verfolgung hüten; denn das geschlagene Korps darf Hilfe von der Hauptarmee erwarten, und man könnte durch allzu hitziges Nachsetzen alles verlieren, was man durch den Überfall auf das Detachement gewonnen hat.

8. Märsche in bergigem Lande

In bergreichen Gegenden findet man wenig Straßen. Man ist glücklich, wenn man für jeden Marsch drei findet, davon zwei für die Kolonnen und eine für die Bagage. Sind nur zwei Straßen vorhanden, so wird die Bagage geteilt und folgt beiden Ko-lonnen, von einer starken Arrieregarde gedeckt. Angenommen also, es gäbe nur zwei Straßen, so muß jeder Kolonne eine Avantgarde vorausgehen, die größtenteUs aus Infanterie und ein paar hundert Husaren zur Aufklärung besieht. Ist man nur zwei Tagemärsche vom Feinde entfernt, so muß der Marsch ohne jede Nachlässigkeit und stets nach den Regeln stattfinden: d. h. die Avantgarde muß, sobald sie auf Defileen stößt, die Anhöhen zu beiden Seiten besetzen, bis die Armee heran ist, dann wieder vorausmarschieren und durch wiederholte Aufstellung nacheinander alle Defileen decken, die sich unterwegs finden, oder die Höhen besetzen, von denen aus der Feind den Marsch stören könnte, wenn er sich ihrer zuerst bemächtigte. Infanteriepatrouillen müssen die Infanterie begleiten, und kleine Trupps sind stets auf den Rücken der Anhöhen vorzuschieben. Durch solche Vorsichtsmaßregeln sichert man den Marsch. Läßt man darin nicht nach, so wird es dem Feind unmöglich, das geringste zu unternehmen. Avant- und Arrieregarde müssen womöglich jeden Tag wechseln, um die Truppen nicht zu übermüden. Ebenso muß man in Wälder, die in der Nähe der Kolonnenwege liegen, im voraus Infanterie stellen, um dem Feinde zuvorzukommen, und alle vorteilhaften Orte, von denen aus er den Marsch der Truppen belästigen könnte, vor ihm besetzen. Ist der Feind weiter entfernt, so<191> marschiert man selbstredend auch mit Avant- und Arrieregarde, ermüdet aber die Truppen nicht durch Besetzung von Stellungen, von denen man sicher ist, daß kein Feind dorthin kommen wird.

9. Rückzüge im Gebirge

Berge sind eine große Hilfe beim Rückzug; denn man findet überall Stellungen. Im Gebirge kann sich sogar die Arrieregarde stets auf Truppen zurückziehen, die zu ihrer Aufnahme vorteilhaft aufgestellt sind. Bei solchen Gelegenheiten muß man die geringste Anhöhe benutzen, damit die Arrieregarde sich stets unter dem Schutze andrer Truppen zurückzieht, bis man schließlich ein gutes Defilee erreicht, das man dann in der von mir angegebenen Weise besetzt. Dadurch versperrt man dem Feinde den Weg und hindert ihn an weiterer Verfolgung. Die Kavallerie ist in solchen Fällen am Hinderlichsten. Daher muß man in bergigem Gelände stets versuchen, sie vor der Infanterie durch das Defilee gehen zu lassen; denn in einem Gelände, in dem sie nicht fechten kann, bedarf sie des Schutzes. Ich wiederhole nicht, was ich schon gesagt habe, daß bei jedem Rückzuge die Bagage vorweggeschickt werden muß. Die Armee hat es schon schwer genug, sich bei solchen Bewegungen gegen den Feind zu halten. Sie darf nicht noch als Hindernisse die Wagen in Hohlwegen und Defileen haben, in denen sie völlige Bewegungsfreiheit besitzen muß.

10. Märsche über Dämme in Sumpfland

Holland und Flandern, die an die Nordsee grenzen, haben von allen Ländern die meisten Dämme. Auch wir haben einige längs der Oder und Warthe. In der Lombardei sind viele, die von kleinen Wasserläufen eingefaßt oder durchschnitten werden. In solchen Ländern kann die Armee nur auf denjenigen Dämmen marschieren, die nach dem Ziel ihres Marsches hinführen. Als der Marschall von Sachsen die Gegend von Mecheln und Antwerpen verließ, um über Tendern auf Maastricht zu rücken, war er auf einen großen Damm angewiesen, auf dem seine ganze Armee in einer Kolonne marschierte, um sich mit den Alliierten bei Laveld zu schlagen191-1. Indes stand in Tondern das Korps d'Estrées, das seinen Marsch deckte und den Ausgang des Dammes offen hielt. In solchen Fällen muß man sich mit den Dämmen begnügen, die man antrifft. Der Heerführer muß jeder Kolonne eine kleine Avantgarde vorausschicken, um Nachricht über die Bewegungen und den Anmarsch des Feindes zu haben. An der Spitze jeder Kolonne sind einige Kolonnenbrücken mitzuführen, die<192> beim Anrücken des Feindes über die längs des Dammes laufenden Rinnsale geworfen werden, um ihm in genügender Frontbreite entgegenzutreten und seinen Angriff zurückweisen zu können. In solchem Gelände ist die Kavallerie völlig überflüssig. Sie muß hinter den Infanteriekolonnen folgen, da man sie nicht eher verwenden kann, als bis man die Dämme hinter sich hat und in ein weniger durchschnittenes Gelände kommt. Sind derartige Märsche vorauszusehen, so muß man durchaus ein Korps über die Dämme hinaus vorschieben, um die Armee zu decken und zu verhüten, daß sie in einem Gelände angegriffen wird, in dem sie schwerlich kämpfen könnte. Lassen sich solche Dämme jedoch vermeiden, selbst durch einen Umweg von einigen Meilen, so würde ich letzteres anraten. Denn ist der Feind flink und gewitzigt und erreicht er das Ende eines solchen Dammes, so kann er Eure Kolonnen durch Aufstellung von Geschützen der Länge nach bestreichen und Euch empfindliche Verluste beibringen, ohne daß Ihr Euch in dem durchschnittenen Gelände wehren und ihm die Euch angetane Unbill heimzahlen könntet.

11. Märsche im Frühjahr oder Herbst, wenn die Straßen am schlechtesten sind

Zwei Gründe zwingen im Flühjahr und Herbst zur Abkürzung der Märsche: die schlechten, ausgefahrenen und schlammigen Straßen und die kurzen Tage. Die Armee kann an einem Tage nur drei Meilen marschieren. Das Durchbringen der Artillerie und Bagage durch den Schlamm kostet viel Zeit, und man würde Menschen und Pferde überanstrengen, wollte man größere Strecken zurücklegen. Findet man bessere Straßen, auch wenn sie etwas länger sind als die direkten, so muß man ihnen den Vorzug geben. Die Artillerie ist der Kolonne zuzuteilen, die auf dem festesten Boden marschiert. Schickt man Detachements mit irgend einem Auftrag von der Armee ab, so tut man gut, ihnen keine Zwölfpfünder mitzugeben. Die Sechspfünder reichen aus, und auch sie mit der ganzen Munition und dem nötigen Zubehör fortzuschaffen, wird Mühe genug kosten.

12. Märsche bei Eröffnung des Feldzuges, die einen Plan verbergen, der sich erst bei der Vereinigung der Armee offenbart

Studiert den Marsch des Marschalls von Sachsen im Jahre 1746, um Maastricht einzuschließen. Verfolgt die Bewegungen, die er mit einem seiner Korps machte, um Brüssel zu belagern. Lest die Dispositionen Turennes zur Versammlung seiner Armee in Lothringen, mit der er dann über Thann und Belfort ins Elsaß einfiel und <193>die Verbündeten aus Kolmar vertrieb193-1. Folgt dem Prinzen Eugen auf seinem Marsche nach Turin, wo er die Verschanzungen der Franzosen angriff und bezwang (1706). Weniger vollendet, aber ähnlich war der Marsch der preußischen Truppen im Jahre 1757 aus Sachsen, der Lausitz und Schlesien, um sich bei Prag zu vereinigen193-2. Solche Pläne wollen studiert und so gut kombiniert sein, daß alles wie ein Uhr, werk abläuft und der Feind aus den verschiedenen Truppenbewegungen nicht erraten kann, was der operierende Heerführer eigentlich vorhat. Zum Entwurf und zur Ausführung derartiger Pläne bedarf es genauer Kenntnis des Landes, in dem man operieren will, und guter Kombination der Märsche der verschiedenen Korps. Keins von ihnen darf zu früh oder zu spät eintreffen, damit der Feind durch diese plötzlichen, entscheidenden Bewegungen verwirrt und überrascht wird und so Fehler begeht. Allerdings kann es trotz aller Sorgfalt in der Berechnung der Märsche vorkommen, daß eine Kolonne auf ein feindliches Korps stößt und sich mit ihm in ein Gefecht einlassen muß, wodurch natürlich eine Verzögerung eintritt. Aber dergleichen Zufälle lassen sich nicht vorhersehen und werden auch den einmal gefaßten Plan niemals umstoßen. Ich brauche nicht hinzuzufügen, daß bei dieser Art von Märschen im Sommer gelagert und nicht kantonniert wird.

13. Märsche von Abteilungen, die als Verstärkung von einer Armee zur andren rücken

Solche Märsche können kantonnementsweise stattfinden. Denn die Armee, die Ihr verlaßt, deckt Euch, und Ihr kommt beim Kantonnieren viel schneller zum Ziele, als wenn Ihr in Kolonnen marschiert, da Ihr ja Eure Lebensmittel schont. Truppen, die in Kolonnen marschieren, können täglich höchstens vier Meilen, kam tonnierende aber fünf Meilen zurücklegen. Dabei werden sie weniger ermüdet als jene. Nähert Ihr Euch der Armee, zu der Ihr stoßen sollt, so müßt Ihr in Kolonnen marschieren und während der letzten beiden Märsche sicherheitshalber ein Lager beziehen. Wenn möglich, müßt Ihr dem Feinde Eure Vereinigung verbergen. Dann ist seine Überraschung, wenn er sie erfährt, um so größer, und Ihr habt es leichter, ihm einen entscheidenden Schlag zu versetzen. Derart haben wir im letzten Kriege193-3 alle Vereinigungsmärsche ausgeführt.

14. Einrücken in die Winterquartiere

Ist die Jahreszeit zu weit vorgeschritten, um im Felde zu bleiben, so muß man daran denken, den Truppen in den Winterquartieren Ruhe zu geben. Man bestimmt zunächst die Postenkette, die die Quartiere decken soll, und läßt die zu diesem Zweck<194> kommandierten Truppen dorthin abrücken. Die übrige Armee bezieht treffenweise enggelegte Kantonnementsquartiere, und in dem Maße, wie der Feind sich zurückzieht, tut man ein gleiches. Man breitet die Truppen im Laufe des Rückmarsches immer mehr aus und legt sie zu ihrer Bequemlichkeit in mehrere Dörfer, bis sie ihre Winterquartiere erreicht haben, wo sie weit auseinandergezogen werden.

Es gibt noch eine andre Art, Winterquartiere zu beziehen. Man weist nämlich den Truppen das Zentrum ihrer Quartiere als Versammlungsort an, sodaß alle, die an den äußersten Punkten gestanden haben, gleichzeitig an dem Orte zusammentreffen, an dem man die Armee formieren will194-1. Bei solchenDispositionen muß jedem Regiment vor dem Abrücken in die Winterquartiere der Weg vorgeschrieben werden, auf dem es in kürzester Frist zu seiner Brigade und die Brigade zur Armee stoßen kann.

15. Wintermärsche und Winterquartiere

Solche Unternehmungen müssen mit großer Vorsicht ausgeführt werden, oder man läuft Gefahr, seine Armee fast ohne Schwertschlag zugrunde zu richten. Winterfeldzüge führt man entweder, um sich in den Besitz eines Landes zu setzen, in dem der Feind nicht viele Truppen hat, oder um über seine Quartiere herzufallen. Von der ersten Art waren unsre Feldzüge von 1740 und 1741 in Schlesien und Mähren.

Nach Schlesien marschierten wir in zwei Kolonnen, die eine längs der Berge, die andre an der Oder entlang, um das Land vom Feinde zu säubern und die Festungen einzuschließen oder womöglich zu erobern. Das geschah auch, nachdem der Marsch der beiden Kolonnen so geregelt war, daß beide stets auf gleicher Höhe marschierten<195> und sich gegenseitig unterstützen konnten. Die Festungen blieben bis zum Frühjahr blockiert. Glogau wurde überrumpelt; Breslau erfuhr bald das gleiche Schicksal; Brieg fiel nach der Schlacht von Mollwitz und Neiße am Ende des Feldzuges.

Im Jahre 1741 rückten wir in einer Kolonne in Mähren ein, die Olmütz eroberte. Wir begnügten uns, Brünn einzuschließen, da es die Sachsen im Frühjahr 1742 belagern sollten. Aber der Feldzug wurde durch den Rückzug der Sachsen und die Untätigkeit der Franzosen gestört. Wir verließen Mähren, nachdem wir bis Stockerau in Österreich vorgedrungen waren195-1 und in Ungarn ein Korps Insurrektionstruppen aufgehoben hatten, die der Wiener Hof in unfern Rücken werfen wollte.

Solche Unternehmungen erfordern die größtmögliche Wachsamkeit, um nicht überfallen zu werden. Aus diesem Grunde hatten wir stets ein detachiertes Korps vor der Front der Armee und je eines in der rechten und linken Flanke. Ihre Patrouillen gaben uns über alle Bewegungen des Feindes Nachricht. Ferner waren die Kantonnementsquartiere eng gelegt. Zwei bis drei Bataillone mußten sich mit einem Dorfe begnügen, während die Bagage draußen parkierte und durch eine Verschanzung geschützt wurde. Daher stieß uns auch kein Unglück zu.

Gegen Ende des Jahres 1745 unternahm der Prinz von Lothringen einen ähnlichen Zug. Im Dezember wollte er von Böhmen her durch die Lausitz in die Mark Brandenburg eindringen195-2. Er beging aber folgende Fehler:

1. Er marschierte ohne Avantgarde und ohne Kavallerie, die längs der schlesichen Grenze hätte vorrücken müssen, um ihm Nachricht von den Preußen zu geben.

2. Er schleppte zu viel Bagage mit.

3. Seine Kantonnements breiteten sich in der Front und in der Tiefe auf drei Meilen aus, da die Truppen nicht so eng zusammenlagen, wie es hätte sein müssen. Man hätte mehr an ihre Sicherheit als an ihre Bequemlichkeit denken sollen.

4. In der Nähe unsrer Grenze formierte er weder Kolonnen, noch hatte er überhaupt eine Marschordnung. Wir benutzten das, wie billig, gingen über den Queis, überfielen seine Quartiere bei Katholisch-Hennersdorf und nahmen ihm 4 000 Mann weg195-3. Unsre Armee bezog an Ort und Stelle ein Lager, und Prinz Karl mußte, um nicht im Rücken gefaßt zu werden, nach Böhmen zurückgehen. Sein Abmarsch glich mehr einer Flucht als einem Rückzuge. Er verlor dabei seine Bagage und gegen 2Q Kanonen.

Die Unternehmung des Marschalls von Sachsen gegen Brüssel fand im März 1746 statt. Er fiel über die Quartiere der Verbündeten her, zersprengte sie, begann die Belagerung von Brüssel und nahm die Stadt ein. Er ließ seine Truppen größtenteils lagern und schob vorsichtshalber starke Detachements zwischen sich und den Feind, um dessen geringste Bewegungen rechtzeitig zu erfahren. So sehr trifft es zu, daß jeder Feldherr, der sich nicht von den Grundsätzen der Klugheit und Vorsicht<196> entfernt, fast immer Erfolg haben muß, wogegen planlose Unternehmungen nur durch den größten Zufall gelingen können. Denn gewöhnlich scheitert der Tor, wo der Weise Glück hat.

Als der Fürst von Anhalt im Januar 1745 die Österreicher aus Oberschlesien vertrieb196-1, herrschte bittre Kälte. Das aber hinderte ihn nicht, die Armee allmorgendlich in Schlachtordnung zu versammeln und in Kolonnen zum Angriff zu marschieren. So zwang er den Feind durch seine Umsicht und seine guten Maßregeln nicht nur zur Räumung der Provinz, sondern er vernichtete auch noch einen Teil der feindlichen Truppen und bezog seine eignen Winterquartiere in den Orten, die diese besetzt hatten.

16. Wie die verschiedenen Märsche disponiert werden müssen

Der Plan, den der Feldherr ausführen will, bildet die Grundlage der Marschdispositionen. Im eignen Lande hat man alle nur mögliche Hilfe, ausführliche Karten, Einwohner, die Euch alle nötigen Angaben machen können. Das erleichtert die Arbeit sehr. Ihr habt Eure Ordre de bataille. Wird kantonnementsweise marschiert, so haltet Ihr diese Einteilung fest und legt die Brigaden so dicht wie möglich zusammen, jedes Treffen für sich. Ist man weit vom Feinde, so muß jedes Regiment seine Marschroute haben und jeder Brigadegeneral nicht allein die Marschroute seiner Regimenter, sondern auch eine Liste der Dörfer, in denen sie kanton-nieren sollen.

Schwieriger wird es in Feindesland. Man hat nicht immer Karten von hinreichender Ausführlichkeit und weiß nicht genau, wie groß die Dörfer sind. Um diesen Mängeln abzuhelfen, muß die Avantgarde Leute aus den Städten, Flecken und Dörfern auftreiben und sie zum Generalquartiermeister schicken, damit er den Entwurf der Marschdisposition, den er bloß nach der Karte gemacht hat, nach ihren Aussagen verbessern kann. Lagert die Armee, so muß man unmittelbar nach dem Einrücken ins Lager alle dorthin führenden Straßen erkunden lassen. Bleibt man eine Weile im Lager, so muß man unter dem Schutze von Patrouillen Quartiermeister und Zeichner ausschicken, die die Straßen und Situationen aufnehmen. Denn man darf nicht blindlings handeln, sondern muß sich alle nötigen Daten im voraus verschaffen. Derart kann man auch im voraus die Lager erkunden lassen, in denen man die Armee unter Umständen aufstellen könnte. Ja, man kann auf diesen Krokis die Stellung, die man einnehmen will, schon einzeichnen, unbeschadet der Verbesserungen, die sich erst nach eigner Besichtigung des Geländes vornehmen lassen, wie ich dies in meinen „Generalprinzipien des Krieges“ gelehrt habe196-2.

<197>

Allerdings werden solche Rekognoszierungen schwieriger, sobald beide Armeen sich dicht gegenüber stehen; denn der Feind hat gleichfalls Detachements und leichte Truppen im Felde, die die Erkundung jener Orte verhindern. Oft will man seine Absicht verbergen, was solche kleinen Unternehmungen nvch schwieriger macht. Dann bleibt nichts andres übrig, als den Feind an verschiedenen Orten zugleich zurückzudrängen und gerade solche Örtlichkeiten krokieren zu lassen, die man garnicht besetzen will. Auf diese Weise verbirgt man seinen wirklichen Plan. Da man den Gegner aus verschiedenen Stellungen vertreibt, müssen die besten Quartiermeister dahin geschickt werden, wo man ernstlich operieren will; denn ein gescheiter Mann wird dem Zufall nichts überlassen, was er ihm durch Klugheit entreißen kann. Vor allem darf ein Heerführer seine Armee nie in Bewegung setzen, ohne über den Ort, wohin er sie führt, genau informiert zu sein und ohne zu wissen, wie er sie am sichersten dahin bringt, wo er seinen Plan ausführen will.

17. Vorkehrungen, um sich in Feindesland Führer zu verschaffen und zu sichern

Als wir im Jahre 1760 durch die Lausitz nach Schlesien marschierten, brauchten wir Führer. Man suchte welche in den wendischen Dörfern und brachte sie herbei. Sie taten, als ob sie kein Wort Deutsch verstünden, was uns sehr in Verlegenheit setzte. Als man sich aber entschloß, sie zu prügeln, sprachen sie Deutsch wie die Papageien. Man muß also bei den Führern in Feindesland stets auf seiner Hut sein. Anstatt ihnen zu trauen, muß man die, welche die Truppen führen sollen, binden, ihnen Belohnung verheißen, wenn sie auf dem besten und kürzesten Weg führen, ihnen aber versprechen, sie ohne Gnade zu hängen, wenn sie sich etwa verirren. Nur mit Strenge und Gewalt kann man die Böhmen und Mähren zu dergleichen Diensten zwingen. In jenen Ländern findet man nur in den Städten Einwohner. Die Dörfer sind verödet, da die Bauern sich mit ihrem Vieh und ihrer besten Habe in die Wälder oder tief in die Berge flüchten und ihre Wohnstätten leer zurücklassen. Ihr Verschwinden bringt Euch in große Verlegenheit. Woher Führer nehmen, wenn nicht von einem Dorfe zum andern? Man muß sich also an die Städte halten und nach Postillonen oder in deren Ermangelung nach Fleischern fahnden, die im Lande umherfahren und die Wege kennen. Ferner muß man die Bürgermeister zur Stellung von Führern zwingen, unter Androhung, die Städte in Brand zu stecken, wenn sie das nicht in gebührender Weise tun. Ferner kann man sich an die Jäger halten, die im Dienste des Adels stehen und die Umgegend kennen. Aber welcher Art diese Führer auch sind, man muß sie durch die Furcht zwingen und ihnen die Härteste Behandlung androhen, falls sie sich ihres Auftrages schlecht entledigen.

<198>

Es gibt noch ein andres zuverlässigeres Mittel, sich Kenntnis von einem Lande zu verschaffen. Man gewinnt in Friedenszeiten einige Einwohner, die genaue Ortskenntnisse haben. Die sind sicher, und durch sie kann man leim Einmarsch in die Provinz noch andre gewinnen, die Euch die Aufgabe erleichtern, indem sie Euch die Details der örtlichkeiten verschaffen.

Karten sind gewöhnlich ziemlich genau für ebene Gegenden, obwohl man oft bemerkt, daß ein Dorf oder ein Flecken weggelassen ist. Aber die wichtigste Kenntnis ist die der Berge, Wälder, Defileen, der durchschreitbaren oder morastigen Bäche und der Flüsse mit Furten. Hierüber muß man denn auch am besten Bescheid wissen, ebenso über die Gegenden, wo nur Wiesen oder Sümpfe sind. Dabei kommen auch noch die Jahreszeiten in Betracht, die solche Landstriche durch ihre Dürre oder Nässe verändern; denn es ist oft sehr wichtig, sich über diese Einzelheiten nicht zu täuschen.

Die Quartiermeister müssen sich auch vor den Aussagen gewöhnlicher Leute hüten. öfters sagen sie einem in gutem Glauben etwas Falsches, da sie Wege und Örtlichkeiten nur nach ihrem eignen Gebrauche beurteilen und vom Militärischen keine Ahnung haben, mithin nicht wissen, welchen Gebrauch ein Soldat vom Gelände machen kann. Als die preußische Armee sich im Jahre 1745 nach der Schlacht bei Soor nach Schlesien zurückziehen wollte, ließ ich Leute aus Trautenau und Schatzlar kommen, um sie über die Straßen zu beftagen, auf denen meine Kolonnen marschieren sollten. Sie sagten mir in gutem Glauben, die Straßen wären vortrefflich, sie kämen mit ihren Wagen wundervoll durch, und viele Fuhrleute benutzten sie gleichfalls. Wenige Tage darauf machte die Armee jenen Marsch. Ich mußte meine Rückzugsdispositionen in diesem Gelände treffen. Unsre Arrieregarde wurde heftig angegriffen, aber dank den von mir getroffenen Maßregeln hatten wir keine Verluste198-1. Jene Straßen waren vom militärischen Standpunkt grundschlecht, aber die Leute, bei denen ich mich erkundigte, verstanden nichts davon und sagten in gutem Glauben aus, ohne die Absicht, mich zu täuschen. Man darf sich also nicht auf die Berichte von Unwissenden verlassen, sondern muß sie mit der Karte in der Hand über jede Geländeform ausfragen, sich Notizen machen und dann zusehen, ob man ein Kroki aufs Papier werfen kann, das ein genaueres Bild des Weges gibt, als die Karte es bietet.

18. Die Talente, die ein Ouartiermeister haben muß

Die Menschen sündigen am meisten darin, daß sie sich mit ungefähren Begriffen begnügen. Sie bemühen sich nicht genug, klare Vorstellungen von den Dingen zu erwerben, die ihres Amtes sind. So wird man geeignete Lagerplätze um so besser<199> aussuchen, je genauere Kenntnis man vom Gelände besitzt, und den Marsch der Kolonnen viel besser disponieren, als wenn man nur verworrene Begriffe von der Gegend hat, in der man operieren will. Um diesem Übelstande abzuhelfen, muß man sich die besten Karten, die zu haben sind, über die Länder verschaffen, von denen man glaubt, daß sie den Kriegsschauplatz bilden werden. Kann man unter irgend welchen Vorwänden Reisen unternehmen, um Berge, Wälder, Defileen und schwierige Pässe in Augenschein zu nehmen, sie gründlich zu prüfen und sich ihre Situation einzuprägen, so muß man es tun. Ein Edelmann, der sich diesem Handwerk widmet, muß viel natürliche Regsamkeit haben, damit ihm die Arbeit nicht schwer fällt. In jedem Lager muß er sich selbst erbieten, zur Erkundung des Umkreises kleine Patrouillen zu reiten, soweit der Feind es zuläßt. Dann kann er, wenn der Heerführer eine Bewegung beschlossen hat, über die Straßen und Gegenden Auskunft geben. Er hat die für die Truppen geeigneten Lagerplätze im Kopfe und erleichtert dem Heerführer durch die Beherrschung seines Handwerks die Ausführung seiner großen Pläne, sowohl bei Märschen wie bei Lagern.

Er muß sich bemühen, Landeseinwohner aufzutreiben, um von ihnen die nötigen Angaben zu erhalten, muß aber auch, wie ich im vorigen Abschnitt gesagt habe, bedenken, daß ein Bauer oder Schlächter kein Soldat ist, und daß ein Landwirt, ein Fuhrmann, ein Jäger und ein Soldat von ein und derselben Gegend eine ganz andre Beschreibung geben werden. Er muß also beim Ausfragen solcher Leute stets berücksichtigen, daß sie keine Militärs sind, und ihre Aussagen berichtigen, indem er die der Karte entnommenen Örtlichkeiten eingehend mit ihnen bespricht, unter Zugrundelegung der Straßen, auf denen die Armee marschieren soll.

Ich füge noch hinzu, daß man bei Anordnung der Märsche wohl darauf achten muß, daß nie mehr als eine deutsche Viertelmeile Abstand zwischen den einzelnen Kolonnen entsteht, besonders in der Nähe des Feindes, damit die Truppen sich gegenseitig Hilfe leisten können. Vor allem müssen die Quartiermeister, wenn der Feind nahe ist, ihre Sorgfalt und Genauigkeit verdoppeln: dann erhält der Heerführer durch ihre Arbeit wenigstens eine Skizze der Gegend, in der er operieren will, und kann seine Anordnungen zur Sicherung der Märsche oder seine Dispositionen für die Lager, die er beziehen will, oder für den Angriff im voraus treffen.

Offiziere, die sich als Quartiermeisier auszeichnen, werden nicht verfehlen, ihr Glück zu machen; denn sie erwerben sich durch ihre Praxis alle für einen Heerführer nötigen Kenntnisse, wie man in jedem sich darbietenden Falle gute Dispositionen trifft. Die einzige Ausnahme bilden die Feldzugspläne; doch sehen sie deren Ausführung beständig und werden sie ebensogut entwerfen, wenn sie ein scharfes, kluges und richtiges Urteil haben und stets darauf sinnen, wie man der Macht, mit der man im Kriege liegt, die empfindlichsten und entscheidendsten Schläge beibringen kann.

<200>

Das ist ungefähr alles, was ich Euch in bezug auf die Märsche vorzuschreiben vermag. Ich muß aber noch bemerken, daß das Gebiet der Kriegskunst so ungeheuer ist, daß man sie nie auslernen kann, und daß die Erfahrung der künftigen Zeiten noch unaufhörlich neue Kenntnisse zu denen hinzufügen wird, die uns überliefert sind und die wir in unfern Tagen erworben haben.


184-1 Der obige Aufsatz ist vom König auf Bitte seiner Quartiermeister verfaßt und am 22. Oktober 1777 abgeschlossen worden.

188-1 Vgl. S. 77, Anm. 1.

191-1 1747 (vgl. Bd. III, S. 16).

193-1 Vgl. S. 83.109.

193-2 Vgl. Bd. III, S. 66 ff.

193-3 Im Siebenjährigen Kriege. VI 13

194-1 Zur Abwehr feindlicher Angriffe (vgl. S. 256).

195-1 Vgl. Bd. II, S. 126.

195-2 Vgl. Bd. II, S. 245 ff.

195-3 Vgl. Bd. II, S. 250 f.

196-1 Vgl. Bd. II, S. 191.

196-2 Vgl. S. 34f. 45.

198-1 Vgl. Bd. II, S. 242.