<213> Operationen nicht vorschreiben; denn da sein Heer nicht stark genug ist, um den Feind zu zwingen, seine Bewegungen nach den eignen zu richten, so muß er sich alle Vorteile, die er dem Gegner abgewinnt, durch List und Geschicklichkeit verschaffen. In einem solchen Kriege kommt man im Fuchspelz weiter als in der Löwenhaut.

Nicht genug zu empfehlen ist, dem Gegner in der Eröffnung des Feldzuges zuvorzukommen. Dadurch gewinnt man Terrain, und das führt oft zu Überfällen oder gibt Gelegenheit, ein Detachement des Feindes zu schlagen. Der Feldherr soll stets den festen Vorsatz haben, die Offensive zu ergreifen, sobald die Gelegenheit sich bietet. Bei Eröffnung des Feldzuges muß er seine Pläne gut verbergen, den Feind irreführen, den feindlichen Heerführer so gut wie möglich kennen lernen, um mit seiner Methode und seiner Art des Handelns vertraut zu sein1. Je besser man ihn kennt, um so besser gelingt es, ihn zu hintergehen. Die Überlegenheit über den Feind erlangt man, indem man unvermutet in seine Quartiere einfällt und einen Teil seiner Armee aufhebt. So machte es Turenne, als er über Thann und Belfert ins Elsaß einfiel, Bournonvilles Quartiere aufhob und den Großen Kurfürsten, der in Kolmar stand, zum Rückzug über den Rhein zwang2. Ein weiteres Mittel ist, eine Entscheidungsschlacht zu gewinnen, oder dem Feind seine Magazine fortzunehmen, oder endlich, sich auf seine Verbindungslinien zu werfen, wodurch man ihn zwingt, zurückzugehen und Euch das Terrain zu überlassen. In einem Lande mit vielen Festungen erregt man leicht die Besorgnis des Feindes, indem man durch wohlberechnete Bewegungen mehrere Plätze zugleich bedroht. Aber in Deutschland zum Beispiel wäre diese Art Kriegführung zwecklos. Hier kann man den Gegner nur dadurch besorgt machen, daß man seine Magazine bedroht oder sich auf seine Verbindungslinien wirft. Tut man dies aber, so darf man nicht vergessen, seine eignen Depots und Verbindungen zu sichern.

Um Euch nicht durch eine Reihe allgemeiner Regeln zu ermüden, will ich Euch als Beispiel einen geschickten Feldherrn anführen, der dem Krieg, den er führte, durch seinen Scharfblick und sein Genie eine andre Wendung gab. Ich meine den Marschall von Luxemburg. Lest seinen Feldzug von 1693 in der „Histoire militaire de Louis XIV“.3 Der König hatte beschlossen, einen Offensivkrieg in Flandern zu führen. Dann änderte er seinen Plan und nahm von jener Armee 40 000 Mann, um sie unter dem Dauphin4 nach Deutschland zu senden. Der Prinz von Oranien, der die Armee der Alliierten führte, stand im Feldlager bei Parc5 und schien sehr in Bedrängnis, Lüttich und Löwen, die die Franzosen zu belagern drohten, gleichzeitig zu halten. Sofort nach dem Abmarsch der 40 000. Mann bezog Luxemburg das Lager von Meldert. Durch diese Stellung hielt er den Prinzen von Oranien dauernd in Besorgnis. Der Prinz schickte sogleich 12 000. Mann ab, um das verschanzte Lager vor Lüttich zu beziehen. Bald darauf ließ Luxemburg in Namur, das damals im


1 Vgl. S. 41 und 110.

2 Vgl. S. 83 und 192 f.

3 Vgl. S. 38, Anm. 4.

4 Der 1711 gestorbene Dauphin Ludwig.

5 Die Abtei Du Parc bei Löwen.