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In einem gebirgigen Lande macht Ihr die Gebirge zur Operationsbasis, besetzt die Hauptpässe mit Detachements und stellt Euch auf der feindlichen Seite auf, um diese Linie zu halten. Denn man verteidigt garnichts, wenn man sich hinter einen Fluß oder hinter ein Gebirge stellt, sondern nur, wenn man davorbleibt. Seid Ihr in einem Lande mit vielen Festungen, so laßt keine hinter Euch, sondern erobert alle. Dann geht Ihr methodisch vor und habt nichts für Eure rückwärtigen Verbindungen zu befürchten. Nehmt Ihr viele Festungen ein, so laßt die meisten schleifen, um Euch die Besatzungen zu sparen, und erhaltet nur die, die Ihr für Eure Verproviantierung und zur Sicherung Eurer Rückzugslinie braucht.

Nachdem Ihr Euch überlegt habt, was Ihr tun wollt, versetzt Ihr Euch in die Lage des Feindes und erwägt, was er Euch in den Weg legen könnte. Darauffaßt Ihr Euren Plan nach den Schwierigkeiten, die er Euch bereiten kann. Alles muß im voraus bedacht und alles, was der Feind tun könnte, in Rechnung gesetzt werden. Denn es ist das Zeichen eines oberflächlichen oder im Kriegshandwerk unwissenden Menschen, wenn er sich sagen muß: „Das hätte ich nicht für möglich gehalten.“ Seht also alles voraus, dann habt Ihr von vornherein Mittel, um allen Schwierigkeiten zu begegnen; denn was man sich ruhig überlegt, taugt hundertmal mehr als alle auf der Stelle gefaßten Entschlüsse, die weder verdaut noch erwogen sind. Plötzliche Entschlüsse können gelingen, aber stets haben die mehr Wert, die vorher gefaßt sind.

Auch muß man wohl zwischen den Feldzugsplänen unterscheiden, die im Beginn eines Krieges entworfen sind, und denen, die nach einigen Feldzügen gefaßt werden. Die ersteren können, wenn sie gut angelegt sind, den ganzen Krieg entscheiden, versteht man alle Vorteile über den Feind auszunutzen, die Euch Eure Streitkräfte oder die Zeit oder eine Stellung, die Ihr zuerst besetzt, gewähren. Die der zweiten Art hängen von so vielen Umständen ab, daß sich unmöglich allgemeine Regeln dafür aufstellen lassen, außer daß man seine Operationsbasis zu halten sucht und keine zu weiten Vorstöße macht. Welcher Art aber alle diese Pläne auch sein mögen, die größte Aufmerksamkeit gilt vor allem der Verpflegung. Man muß nicht nur wissen, ob man für vierzehn Tage genug hat, sondern auch, ob man für den ganzen Feldzug versorgt ist.

Um im Laufe des Krieges gute Pläne zu machen, muß man Spione in den Kabinetten der Fürsten oder in den Kriegsbureaus haben. Seid Ihr über die Absichten des Feindes unterrichtet, so ist es leicht, seine Maßregeln zu durchkreuzen, und Ihr könnt stets kühn das ausführen, was er am meisten fürchtet; denn es ist eine zuverlässige Regel, das Gegenteil dessen zu tun, was der Feind möchte. Gut ist ein Kriegsplan, wenn Ihr wenig aufs Spiel setzt, den Feind aber in Gefahr bringt, alles zu verlieren. Beispiele: der Überfall von Cremona1, die Schlachten von


1 Vgl. S. 31.54.