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4. Betrachtungen über die Maßnahmen für einen neuen Krieg mit Österreich, falls dieses wie 1778 streng defensiv bleibt
(28. September 1779)

Es ist sehr schwierig, Pläne für die Zukunft zu machen. Die geringste Änderung in den Zeitverhältnissen nötigt auch zur Änderung der Dispositionen. Immerhin behalten die Grenzen und Grenzgebiete der Staaten ihre Beschaffenheit. Sie weisen vorteilhafte und ungünstige Gegenden auf, sodaß ein Feldherr sich vor den einen hüten und die anderen benutzen soll.

Schlesien, Böhmen, Oberschlesien und Mähren sind Länder, von denen wir genaue Kenntnis haben. Das ist für uns von Vorteil in allen Feldzügen, deren Kriegsschauplatz diese Provinzen bilden können. Die Politik muß allen Feldzugsplänen vorausgreifen; denn an ihr ist es, sie zu entwerfen, wobei sie sich stets nach der Natur öes Landes und nach den Mitteln zu richten hat, mit denen sich der Unterhalt der Truppen beschaffen läßt.

Würde Preußen in einen neuen Krieg mit Österreich verwickelt, so muß man zunächst wissen, welche Bundesgenossen die kriegführenden Parteien haben werden; denn ohne diese Kenntnis wäre jeder Feldzugsplan fehlerhaft und falsch berechnet. Der maßlose Ehrgeiz, den der Kaiser im letzten Kriege so unklug zur Schau trug, hat ihm in ganz Europa geschadet. Man betrachtet ihn als einen gefährlichen Fürsten, vor dem man auf seiner Hut sein muß. Mit dem russischen Hofe steht er sich schlecht, mit Frankreich schon fast auf Kriegsfuß. Er kann keine Verbündeten außer England haben, das aber durch den gegenwärtigen Krieg140-1 derart erschöpft ist, daß es auf lange Zeit außerstande sein wird, irgend einer Macht Subsidien zu zahlen. Andrerseits<141> haben die Türken sich zu einem Bündnis mit Rußland und Preußen erboten141-1. Tritt noch Frankreich hinzu, so ist die Übermacht ganz auf unserer Seite. Da das alles aber noch nicht zum Abschluß gebracht ist, wäre es leichtsinnig, mit etwas Unfern tigem wie mit einer vollendeten Tatsache zu rechnen.

Prüfen wir also lediglich, was im ungünstigsten Falle geschehen muß. Denn auf je weniger Schwierigkeiten man stößt, um so leichter werden die Operationen.

Die erste Versammlung der österreichischen Armee wird wahrscheinlich in denselben Gegenden stattfinden wie im Jahre 1778141-2. Da jedoch die österreichischen Truppen um 80000 Mann vermehrt worden sind und der Kaiser sich vorgenommen hat, sofort nach dem Bruche mit Nachdruck zu handeln, so wollen wir zunächst die Verteilung betrachten, die er vornehmen wird. In Galizien wird er ein Korps von 40 000 Mann haben, bei Bielitz 15 000, bei Heidenpiltsch ohne Zweifel 20 000, insgesamt 75 000 Mann. In seinem Lager zwischen Königgrätz und Arnau wird er nicht weniger als 100 000 Mann, 40 000 bei Neuschloß und an der Lausitzer Grenze und 25 000 bei Eger haben, insgesamt 240 000 Mann, auf die seine Armee sich beläuft.

Preußen kann 166 000 Mann ins Feld stellen, Sachsen 20 000, und Rußland wird wohl ebensoviel hinzufügen, sodaß man den Österreichern 206 000 Kombattanten entgegenstellen kann. Somit hätten sie eine Übermacht von 34 000 Mann. Dieser Umstand darf uns jedoch nicht einschüchtern. Denn da die österreichischen Korps getrennt stehen, kann man sie einzeln vernichten und braucht nicht mit allen zugleich zu kämpfen.

Nun bleibt noch die Frage offen, welche Rücksichten man auf die Stellung der Österreicher nehmen muß und zu welchen Vorsichtsmaßregeln sie uns nötigt. Denn es wäre töricht, auf der einen Seite Großes zu leisten, während man auf der anderen das Doppelte verliert.

Die Aufstellung von 100 000 Österreichern hinter der Elbe zwingt uns wohl oder übel, ihnen in der Front erhebliche Kräfte entgegenzustellen, um sie in Respekt zu halten. Denn findet diese Armee die Grenzen von Schlesien und der Grafschaft Glatz unbesetzt, so könnte es geschehen, daß sie sowohl bei Landeshut wie bei Friedland und Glatz sich in den Bergen festsetzt und dort uneinnehmbare Stellungen bezieht. Dem aber darf sich ein kluger Feldherr nicht aussetzen. Durch solche Achtlosigkeit kann er Schlesien verlieren, während er es bei reiflicher Überlegung der Sachlage hätte decken können. Ferner ist zu bedenken: wenn nicht gleich zu Beginn des Feldzuges eine beträchtliche preußische Streitmacht den Stellungen des Kaisers hinter der Elbe entgegentritt, so kann er sich Dresdens bemächtigen und so den Hauptkriegsschauplatz nach Sachsen verlegen, um Böhmen zu entlasten. Infolgedessen würden wir gezwungen, das Land unserer Verbündeten zugrunde zu richten, um ihnen bei<142>zustehen, was doch eine traurige Hilfeleistung wäre. Klüger ist es, solchen Mißständen vorzubeugen, als ihnen nachträglich abhelfen zu müssen.

Die schlesischen Truppen können mit zwei Märschen über Nachod in Böhmen einbringen, die märkischen erst binnen acht Tagen in Eilmärschen über Dresden. Man muß daher seine Anordnungen so richtig treffen und alle Truppenbewegungen so genau berechnen, daß die märkische Armee fast zur selben Zeit in Dresden anlangt, wie in Böhmen eingerückt wird.

Soweit ich es übersehen kann, muß die Armee in Sachsen ebenso stark sein wie im letzten Kriege. Sie belief sich mit den Sachsen auf 80 000 Mann. Den Grund dafür werde ich im Verlauf dieser „Betrachtungen“ angeben.

Für die schlesische Armee genügen 60 000 Mann. Hiervon müssen unbedingt 20 000 Mann für Oberschlesien bestimmt werden, zunächst, um die Verbindung mit den Russen zu erleichtern, die bei Krakau vorbei müssen und dort unüberwindliche Hindernisse finden könnten, wenn sie von diesseits nicht unterstützt würden. Aber Nimmt man bei der staunenswerten Langsamkeit der Russen auch an, daß sie nicht so rasch auf die Beine zu bringen wären, so dürste man doch nicht weniger als 20 000 Mann in Oberschlesien haben, und wäre es nur, um sich gegenüber den Korps bei Heidenpiltsch und bei Bielitz in der Defensive zu halten. Das oberschlesische Detachement könnte anfangs bei Leobschütz Stellung nehmen und seinen Proviant aus Mosel beziehen.

Die schlesische Armee, die zur Operation in Böhmen bestimmt ist, müßte, wie schon gesagt, ungefähr so verfahren wie im Jahre 1778. Wäre zuviel von der Überlegenheit des Feindes zu befürchten, so könnte sie vielleicht ein Lager bei Chwalkowitz beziehen, mit den Defileen vor der Front und einer Flanke nach Nimmersatt; denn man darf sich nie der Hoffnung hingeben, das Lager des Kaisers hinter der Elbe angreifen zu können. Das ist erwiesenermaßen unmöglich, da man vor einer ungleich überlegenen, beherrschenden und auf beiden Seiten überflügelnden Front aufmarschieren müßte, wo man nach allen Regeln der Kunst geschlagen würde.

Aber, wird man fragen, was kann man sonst unternehmen? Soll man einen ganzen Feldzug lang mit verschränkten Armen stehen bleiben und nach Böhmen mehr auf Weide als in den Krieg ziehen? Keineswegs! Hier beginnt meine Darlegung, durch welche Mittel sich die Überlegenheit über den Feind erlangen läßt.

Die nach Sachsen bestimmte Armee muß ohne Zweifel auf Dresden als auf ihr Hauptziel losmarschieren. Dessen ungeachtet aber kann sie gleich ein Detachement von 10 000 Mann durch die Lausitz nach Schlesien in der Richtung auf Greiffenberg abschicken. Alle diese Märsche müssen genau berechnet sein und übereinstimmen, damit die Armee nach ihrer Ankunft in Dresden, wo sie ein Detachement von 20 000 Mann läßt, über die Elbe gehen und in die Lausitz eindringen kann. Diese Armee hat den Feldzug zu entscheiden. Die Straßen nach Schluckenau, Rumburg und Gabel werden wahrscheinlich von feindlichen Truppen besetzt sein, die sich dort verschanzt haben.<143> Ihre Stellungen lassen sich in der Front nicht überwältigen, man muß sie also umgehen, und zwar von Schlesien her. Darum soll das oben genannte Detachement sich gegen Greiffenberg wenden, während die Armee in Mttau eintrifft. In jener Gegend führt eine Straße durchs Gebirge — allerdings müßte sie ausgebessert werden —, auf der man hinter Gabel herauskommt. Auf ihr würde die von Mttau her vordringende Armee freien Einmarsch nach Böhmen haben.

Damit wäre die preußische Armee also in Böhmen. Sie muß sich jetzt mit jenem Detachement vereinigen und dann sofort den Brückenkopf von Leitmeritz im Rücken angreifen, damit das Mehl von Dresden dorthin geschafft werden kann. Damit wäre eine Bäckerei eingerichtet. Dann beziehen die bei Dresden zurückgebliebenen 20 000 Mann das Lager bei Leitmeritz. Bei Mttau braucht man durchaus nicht viel Truppen zu lassen; denn wenn möglich muß man das österreichische Korps, das dort die Grenze verteidigt hat, angreifen und auseinandersprengen, und die Armee muß mit einigen elbaufwärts transportierten Magazinen gegen Melnik vorrücken. Sobald man einen Brotvorrat hat, beginnen die eigentlichen Kriegsoperationen in der Richtung auf Gitschin. Diese Bewegung genügt, um die kaiserliche Armee zum Verlassen ihres Lagers an der Elbe zu zwingen. Dies ist der Augenblick, wo die schlesische Armee bei der Hand sein muß, um dem Feind unverzüglich zu folgen, gleich hinter ihm über die Elbe zu gehen und ihm derart auf den Hacken zu bleiben, daß er, statt gegen die sächsische Armee zu marschieren, wodurch er zwischen zwei große Armeen geriete, sich hinter die Bohdanetscher Teiche auf Pardubitz zurückziehen muß.

Nun kann man, falls man es für geraten hält, Prag durch Handstreich nehmen, sofern die Armee bei Eger sich nicht beeilt, uns zuvorzukommen. Dann aber kann die Armee 30 000 Mann in Böhmen zurücklassen und sich selbst nach Oberschlesien wenden. Zwei Wege stehen zur Verfügung, aber es ist unmöglich, ohne Kenntnis der augenblicklichen Lage den geeignetsten anzugeben. Der eine führt über Patschkau nach Neustadt, der andere über Habelschwert, Leitomischl und Schönhengst nach New stadt. Es fragt sich, ob bei Benutzung des letzteren Weges Brot genug aus Glatz ge-liefert werden kann. Ferner müßte bei diesem Marsche das Korps in Leobschütz zum Gelingen des Unternehmens beitragen, aber die Vereinigung mit diesem Korps herbeizuführen, wäre sehr schwer. Wahrscheinlich würden die Österreicher bei Heidenpiltsch, sobald sie sich im Rücken gefaßt sehen, auf Olmütz zurückgehen. Dann hätte man gewonnenes Spiel. Andernfalls aber bliebe noch immer der Weg über Altstadt zur Vereinigung mit dem Korps bei Leobschütz übrig.

Es fragte sich dann nur noch, wo sich die Russen befinden, ob sie im Marsch sind, ob sie bei Krakau stehen oder ob sie ihre Grenzen noch nicht verlassen haben. Denn danach hätten sich die weiteren Operationen zu richten.

Nehmen wir einmal alle diese verschiedenen Fälle an!

Stehen die Russen noch an ihren Grenzen, so wäre es gut, zu versuchen, ob man die Österreicher nicht aus Bielitz vertreiben kann. Anscheinend könnte man sie durch ein<144> detachiertes Korps zur Räumung jener Gegend zwingen. Sie haben zwei Rückzugslinien, entweder nach dem Jablunkapaß in das ungarische Hochgebirge oder nach Polen in die Karpathen. Doch kaum hätte man sie vertrieben, so würden sie wieder auftauchen. Der einzige Vorteil dieser Operation bestände in der Zerstörung ihrer Magazine in Bielitz, die sie nicht so schnell wieder erneuern könnten. Während dieser Operation müßte das Gros der mährischen Armee zwischen Jägerndorf und Troppau ein gutes Lager beziehen, um die Österreicher in ihrer Stellung bei Heidenpiltsch in Schach zu halten.

Nehmen wir nun den zweiten Fall an, daß die russischen Hilfstruppen sich bereits in Marsch gesetzt haben, so müßte man den gleichen Plan befolgen. Wenn sie sich jedoch schon Krakau nähern, so gäbe das Anlaß zu anderen Kombinationen. Wie stark ihr Hilfskorps auch sein möge, so ist es bei den Russen doch nicht Brauch, irgend etwas aufs Spiel zu setzen. Sie treiben die Vorsicht bis zum äußersten. Man wird sie daher nie zum Überschreiten der Weichsel bewegen, wenn ihnen nicht an die 20 000 Mann die Hand reichen. Die wird man ihnen also entgegenschicken müssen, will man auf die Vereinigung mit ihnen nicht ganz verzichten. Ich kann hier jedoch nicht angeben, auf welchem Wege man ihnen entgegengehen müßte; denn dazu müßte man im voraus wissen:

1. welche Stellung die österreichische Armee in Lodomirien einnehmen wird;

2. wie stark sie sein wird;

3. ob sie sich in der Defensive halten oder die Russen an der polnischen Grenze am greifen wird.

Das sind Einzelheiten, über die man seinerzeit Bescheid wissen muß und nach denen die Operationen im Verein mit den Russen zu regeln sind. Soweit ich die Russen kenne, wird ihr Hilfskorps erst gegen Ende des ersten Feldzuges eintreffen; denn sie ziehen die Winterquartiere den Strapazen des Krieges vor. Da dem so ist, scheint es einleuchtend, daß das Resultat des ersten Feldzuges sich auf das oben Angegebene beschränken wird, vorausgesetzt, daß alles nach Wunsch von statten geht.

Daran knüpfen sich folgende schwer zu lösende Fragen:

1. Soll man Winterquartiere in Böhmen beziehen?

2. Wie soll man sie einteilen?

Meine Antwort lautet: Hat man Prag genommen, so kann man ohne Schwierigkeit Winterquartiere in Böhmen beziehen; denn in die Hauptstadt lassen sich zur Not 30 Bataillone legen. Man hätte hier also einen guten Stützpunkt, zumal man der Umgegend bequem 40 bis 60 Schwadronen bei der Hand halten könnte. Der Rest der Truppen könnte zwischen Melnik und Leitmeritz verteilt werden, damit man im Besitz der Elbe und Moldau bleibt. Ist man jedoch nicht Herr von Prag, so wird die Schwierigkeit ungeheuer; denn die österreichische Armee bei Bohdanetsch wird die Elbe besetzen und hat auf dem jenseitigen Ufer eine große Zahl von Städten zur Verfügung, wie Chrudim, Czaslau, Kuttenberg usw., in denen sie sich eng zusammen<145>ziehen kann, während es diesseits nur elende Dörfer gibt, in denen die zerstreuten Truppen keinen Widerstand leisten können. Ihre Quartiere würden also den ganzen Winter hindurch beunruhigt werden, und die Aufhebung einzelner Posten wäre unvermeidlich. Gesetzt selbst, wir wären im Besitz von Königgrätz, so wäre es trotzdem unmöglich, sich auf dem diesseitigen Elbufer zu halten; denn das Land ist ausfouragiert, und jedes Bund Stroh müßte man aus Schlesien heranschaffen. Wo fände man in Schlesien alle für diesen Transport nötigen Pferde? Und welche Unsummen würde das kosten, ganz abgesehen davon, daß die Truppen, die während des ganzen Winters beunruhigt worden sind, im nächsten Frühjahr bei Eröffnung des Feldzuges völlig verbraucht wären!

Aber, wird man sagen, ist es ehrenvoll, sich zurückzuziehen, nachdem man so viel Land gewonnen hat? Ich gestehe, daß es wünschenswert wäre, sich in Böhmen halten zu können, aber das ist nur möglich, wenn die feindliche Armee in einer entscheidenden Schlacht so viel Verluste erlitten hat, daß sie sich nicht mehr im Felde zu zeigen wagt. Dann hat man freie Hand und kann sich nach Gutdünken einrichten, dem eroberten Lande Kontributionen auflegen und alle feine Vorteile ausnutzen.

Kommen wir nun zum zweiten Feldzuge. Hat man sich in Böhmen behaupten können oder nicht? Das ist die Frage, nach der sich die Operationen zu richten haben. Ist man im Besitz von Böhmen geblieben, so muß die Hauptarmee sich bei Prag versammeln. Kann sie sich vor Beginn der Operationen Egers bemächtigen, so wäre das ein glücklicher Streich, nicht um die Festung zu halten, sondern um sie zu schleifen. Die andere, schlesische Armee versammelt sich in Stärke von 40 000 Mann bei Königgrätz auf der Höhe von Pleß.

Damit sind wir bei den großen Operationen angelangt, die nur in Mähren stattfinden können. Die dortige preußische Armee ist 40 000 bis 50 000 Mann stark. Die Russen sind entweder schon zu ihr gestoßen oder die Vereinigung steht bevor. Wie dem aber auch sei, stets entstehen daraus die gleichen Verlegenheiten. Denn angenommen, die Russen ständen mit 15 000 Preußen in der Gegend von Krakau, so halten sie die Truppen in Lodomirien in Schach. Von dem Augenblick an hat die Armeeabteilung in Oberschlesien zwar nicht mehr zu fürchten, von den Österreichern im Rücken gefaßt zu werden, aber diese würden, von Wieliczka anrückend, durch niemand gehindert werden, über Tarnowitz stracks in Oberschlesien einzudringen und sich gegen Kosel zu wenden. Kosel jedoch ist in Oberschlesien der einzige Platz, wo sich Magazine für die Armee errichten lassen. Würde die Stadt auch nur blockiert, so würde es sofort an Proviant und an allem Armeebedarf fehlen. Das österreichische Korps bei Heidenpiltsch würde vorrücken, und ohne eine gewonnene Schlacht wären wir nicht imstande, Oberschlesien zu halten.

Ferner ist zu bedenken, daß auch das österreichische Korps in Bielitz unzweifelhaft in Tätigkeit treten würde und nach Pleß und Ratibor vordringen könnte, was sicher<146>lich geschehen würde, wenn man die einzigen in solchen Fällen zweckmäßigen Maßnahmen außer acht läßt (sie bestehen in der Ausnutzung des einzigen Vorteils, den der Feind uns bietet, nämlich daß er in getrennten Korps operiert).

Dann ist das einzig Vernünftige, mit der ganzen Armee, 70 000 Mann stark, eins der drei feindlichen Korps anzugreifen und es gründlich zu schlagen. Und zwar, wenn das österreichische Korps in Lodomirien den Russen folgt, muß die ganze preußisch russische Armee ihm auf den Leib rücken, sei es an der Grenze, sei es auf polnischem oder schlesischem Gebiet. Bleibt das Korps aber bei Wieliczka stehen, so muß man nach Vereinigung aller Kräfte aufdie Stellung von Heidenpiltsch losmarschieren, aus der man die Österreicher mit Sicherheit vertreiben kann, wenn man durch Troppau auf Bautsch marschiert und sie zu umgehen droht. Hat man die Mohra bei Hof überschritten, so wird der Feind diese Stellung gewiß verlassen. Es hängt dann nur von der Geschicklichkeit des Heerführers ab, ihn auf dem Rückzuge lebhaft anzugreifen und ihn, wenn irgend möglich, zu vernichten. Dann muß man aber von der anderen Seite schnell bei der Hand sein und das Korps bei Wieliczka nicht ganz aus den Augen verlieren. Denn was würden Eroberungen in Mähren nützen, wenn man derweilen Kosel verlöre und der Feind die rückwärtigen Verbindungen der Armee abschnitte? Um solchen peinlichen Zwischenfällen vorzubeugen, müßte man nach Vertreibung des Gegners aus Heidenpiltsch sofort mindestens 20 000 Mann detachieren, die sich in geschickter Defensive den Österreichern entgegenzustellen hätten, die über Bielitz oder Wieliczka in die preußischen Lande einfallen wollten.

Wir sind hier an einem Wendepunkt angekommen, von dem mit Sicherheit nur der sprechen kann, der die künftigen Zufälligkeiten kennt. Um bestimmte Regeln aufzustellen, was sich dann unternehmen ließe, müßte man ganz genau die Ereignisse kennen, die in dem hier angenommenen Kriege eintreten würden. Ich bin ein unwissender Mensch und besitze keine Prophetengabe. Noch weniger weiß ich, ob die Armeen, die ich als operierend annehme, Glück haben oder eine Niederlage erleiden würden. Setzen wir jedoch sicherheitshalber beides voraus. Träfe die beiden preußischen Armeen in Böhmen—die bei Prag und die bei Königgrätz im Lager von Pleß— ein Unglück, so fände die bei Prag gute Lager in der Nähe der Hauptstadt, in denen sie sich lange halten könnte, und die bei Königgrätz hätte einen sicheren Rückzug nach dem Ratschenberg, ja selbst nach Wünschelburg und der Heuscheuer, besonders wenn man die Straßen von Politz und aus Böhmen nach der Heuscheuer sprengen ließe. Geht in Böhmen aber alles gut und hat man weder von Chrudim noch von Czaslau her etwas zu befürchten, so muß die Armee bei Pleß und Königgrätz 20 000 Mann zur Verstärkung der oberschlesischen Armee detachieren. Dann kann sie 25 000 Mann zur Deckung der Provinz und Kosels zurücklassen und immer noch mit entschiedenem Übergewicht gegen das Heer operieren, das sie auf seinem Rückzuge von Heidenpiltsch geschlagen hat. Denn die stets wieder auftauchenden Schwierigkeiten sind folgende.

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Wie man weiß, haben die Österreicher bei Olmütz ein Lager vorbereitet, dessen Rechte sich an die Festung lehnt. Vor der Front fließt die March, und der linke Flügel zieht sich nach Li'ttau hin. Gestatten die Lebensmittel den Preußen, so weit vorzudringen, so müssen sie bis Kloster Hradisch diesseits der March gehen, wo sie eine sehr starke Stellung finden und die feindliche Armee unter Augen haben. Die Österreicher haben ihr Lager aus folgenden Gründen gewählt. Es ist diesseits der March unangreifbar, und sie wissen recht gut, daß die Preußen nur über die March gehen würden, um sie zu überwältigen. Der Muß läßt sich nur bei Neustadt, wo er klein ist, oder links bei Kremsier passieren. Wo man also auch den Übergang bewerkstelligt, sie können auf der anderen Seite über die March zurückgehen, dann ihr Lager bei Kloster Hradisch beziehen und so die preußische Armee von ihren Depots und Lebens-Mitteln abschneiden. Man darf somit nicht über die March gehen, bevor man die österreichische Armee zwischen Heidenpiltsch und Olmütz tüchtig geschlagen hat. Sonst würde man sich durch eigene Schuld den größten Unglücksfällen aussetzen.

Was bleibt da also zu tun übrig? wird man fragen. Ich antworte: eine Menge Unternehmungen, die aber alle mit großen Schwierigkeiten verknüpft sind; denn man muß gestehen, daß die Kriegführung der Österreicher, die Zahl ihrer Truppen und die Stärke ihrer Stellungen schwer zu überwindende Hindernisse sind. Aber nichts darf einen tapferen Mann zurückschrecken! Wenn er nur mit Umsicht handelt, wird er Mittel finden, sich die Überlegenheit über die Feinde zu sichern.

Um meinen Gedankengang ausführlich zu entwickeln, will ich Euch zunächst den allgemeinen Plan darlegen, dessen Ausführung man sich vornehmen muß. In allen Kriegen gegen das Haus Österreich muß das Hauptziel sein, den Kriegsschauplatz soviel wie möglich an die Donau zu verlegen, und zwar aus zwei Gründen: erstens um der österreichischen Armee ihre Lebensmittel und Rekruten zu nehmen, und zweitens um die Hauptstadt zu beunruhigen, in die sich alle vornehmen Herren mit ihren Schätzen geflüchtet haben. Wenn Wien ruft, muß alles ihm zu Hilfe eilen. Dann hat man freie Hand in Böhmen wie in Mähren. Die festen Plätze fallen, und einmal im Besitz des Landes, kann man sich Lebensmittel, Fourage und allen Armeebedarf auf Kosten des Feindes verschaffen, — die einzige Methode, um den Krieg auszuhallen und ihn mit Vorteil fortsetzen zu können.

Doch es genügt nicht, diesen allgemeinen Gedankengang anzugeben. Man muß auch zeigen, wie ein solcher Plan gelingen kann. Das erste, was die preußische Armee in Mähren ermitteln muß, ist, was die Truppen bei Bielitz und Wieliczka tun. Sie dürfen nie aus den Augen gelassen werden, da sie durch ihre unbequeme Stellung alles vereiteln können, was man unter sonst günstigen Umständen zu unternehmen vermöchte. Soviel sich beurteilen läßt, ist es nicht wahrscheinlich, daß jene Truppen, wenn sie nicht geschlagen worden sind, ruhig in ihrer Stellung verharren, besonders wenn sie sich keinem Feind gegenüber sehen, der sich ihren Bewegungen widersetzt. Die 20 000 Mann, die die Grenze gegen sie decken sollen, reichen keineswegs aus, um<148> ihnen Halt zu gebieten, besonders wenn jene vom Hofe Befehl haben, offensiv vorzugehen, was man mit ziemlicher Sicherheit annehmen kann. Man müßte also mim bestens 20 000 Mann zu ihrer Verstärkung detachieren, damit das Gleichgewicht zwischen ihnen und den feindlichen Kräften einigermaßen hergestellt wird.

Es blieben also etwa 55 000 Mann für die Operationen in Mähren übrig. Das erste, was in diesem Falle zu tun wäre, ist, die Magazine bis Weißkirchen, Leipnik oder Prerau vorzuschieben, je nachdem, welche von diesen Städten man am Verteidigungsfähigsten fände. Ist dies geschehen und die Feldbäckerei für die Armee gut eingerichtet, so muß ein Detachement aus Kosaken, Husaren und etwa 10 Bataillonen nebst einigen Dragonern zusammengestellt und mit Lebensmitteln für einen Monat und der Feldbäckerei versehen werden. Dies Detachement marschiert längs der March über Hradisch, Ungarisch-Brod auf der Straße nach Preßburg, das sein Bestimmungsort ist. Dort würde es ankommen, ohne auf den Feind zu stoßen. Es müßte sich unverzüglich des Donauübergangs versichern, erstens, um die Magazintransporte aus Ungarn nach Wien zu stören, und zweitens, um mit den Husaren und Kosaken Streifzüge bis ans Weichbild von Wien zu machen. Besitzt der Führer dieses De-tachements einige Umsicht, so ist es ziemlich sicher, daß er sich aus der bestangebauten und reichsten Gegend Ungarns Lebensmittel in Fülle verschaffen kann.

Bedenken wir nun aber, wozu dieser Zug die Österreicher veranlassen wird. Erstens ist es mehr als wahrscheinlich, daß die Armee in Lodomirien und das Korps bei Bielitz sich in Marsch setzen und den Preußen folgen, die sich Preßburgs bemächtigt haben. Das ist der Moment, wo die 35 000 Preußen, die Oberschlesien decken, sich gleichfalls in Marsch setzen müssen. Sie finden ihre Magazine in Weißkirchen völlig bereit, versorgen sich dort reichlich und folgen den Österreichern, die ihre Maßnahmen nicht im voraus getroffen haben und darum nicht so schnell marschieren können wie jene. Daraus erhellt, daß es in Ungarn zweifellos zu einer Schlacht kommen wird, und zwar zu einer Schlacht in der Ebene, bei der hundert gegen eins zu wetten ist, daß die Preußen den Sieg davontragen werden, wenn ihr Führer geschickt und entschlossen ist.

Doch das genügt noch nicht. Das Hilfegeschrei der Hauptstadt wird, wie gesagt, von allen Seiten Detachements herbeiziehen. Man wird Olmütz und Böhmen verlassen, um Wien zu retten. Das ist die Schäferstunde, die man wahrnehmen muß, um einen weiten Vorstoß zu machen, über die March zu gehen, die Umgegend von Olmütz zu verwüsten, auf Brünn zu rücken und es zu belagern, was eine Operation von acht Tagen ist.

Die Folgen davon werden diese sein. Die Armeen in Böhmen können nach Österreich hin operieren, und gewinnen sie eine Schlacht, so kann nichts sie hindern, gegen die Donau vorzudringen. Dann gehen dem Kaiserhof alle Hilfsquellen aus, und es ist anzunehmen, daß er, um der völligen Niederwerfung vorzubeugen, nachgeben und sich in sein Schicksal fügen wird, indem er sich zu einem vernünftigen Frieden versteht. Soweit der allgemeine Plan dessen, was zu unternehmen ist, den ich hier angeben wollte.<149> Zweifellos wird die Ausführung viele Schwierigkeiten bieten. Aber angenommen, es gelänge auch nur die Hälfte dieses Planes, so wäre die Wirkung für Preußen doch sehr günstig. Man wird gewiß fragen, wie die Armee bei Prag vorgehen soll. Ich antworte: sobald man Herr einer Provinz ist, kann man alle Pferde, die sich auftreiben lassen, benutzen, und in Böhmen gibt es zehnmal mehr Pferde, als zum Transport des Mehlbedarfs einer Armee nötig sind. Was die Fourage betrifft, so findet man sie überall, entweder noch auf den Feldern oder schon in den Scheunen. Außerdem könnte bei einem Vorstoß gegen die Donau Bayern alles liefern, was der Armee noch fehlen sollte. Was die schlesische Seite betrifft, so meine ich, daß man nach der Einnahme von Brünn dort Magazine errichten und in diesem Feldzuge nicht weiter vorgehen müßte als bis an die Ufer der Thaya, nach Znaim, Nikolsburg und anderen Orten, die man dem Feind gegenüber als Stützpunkte der Winterquartiere gebrauchen könnte. Indem man die Umgegend von Olmütz auf vier Meilen in der Runde verwüstet und nur wenige Truppen dort läßt, die die Stadt locker einschließen, würde man sie im Winter aushungern und sie im folgenden Frühjahr zwingen, sich ohne großen Widerstand zu ergeben.

Um der Wahrheit die Ehre zu geben, muß ich hinzufügen, daß aller Wahrscheinlich-keit nach nicht jede der vorgeschlagenen Unternehmungen so völlig gelingen wird, wie ich es annehme. Trotzdem sieht fest, daß man mit großen Plänen weiter kommt, als wenn man sich mit eingeschränkten und engen Gesichtspunkten begnügt149-1.

Ich habe diesen Plan unter der Voraussetzung entworfen, daß wir nur die Russen und Sachsen zu Bundesgenossen haben; denn ich wollte nicht mehr annehmen, als in Wirklichkeit jetzt besieht. Aber rechnen wir für einen Augenblick die Türkei in die Operationen ein, die wir vorschlagen, dann sind mindestens 40 000 Österreicher gegen sie beschäftigt und können nicht gegen Preußen kämpfen. Lassen wir noch die Franzosen in Flandern hinzutreten, so sind mindestens 30 000 Österreicher im Verein mit den Holländern und Engländern nötig, um den Streitkräften der Franzosen entgegenzutreten. Fügen wir eine Diversion in die Lombardei von seiten der französischen und sardinischen Truppen hinzu, denen die Österreicher mindestens 30 000 Mann entgegenstellen müßten, so ergibt das alles zusammen: gegen die Türken 40 000 Mann, in Wandern 30 000, in der Lombardei 30 000, insgesamt 100 000 Mann. Zieht man diese Zahl von den 240 000 Mann ab, aus denen ihre Armee besteht, so bleiben ihnen nur 140000 Mann gegen Preußen, das ihnen mit seinen Verbündeten 180 000 Mann entgegenstellen kann.

Aus dieser Berechnung ergibt sich also, wenn man den Truppen des Kaisers auf allen Seiten gleiche Kräfte entgegenstellt, daß die Preußen eine Übermacht von 40 000 Mann haben, die sie nach Gutdünken verwenden können. Dann läßt sich sogar eine Armee aufstellen, die getrennt operieren könnte, ohne auf einen Gegner zu stoßen, der ihren Unternehmungen entgegentreten könnte. Das aber ist die größte<150> Überlegenheit, die man sich über einen Feind verschaffen kann. Dann muß ein groß angelegter Plan, wie der vorbeschriebene, gelingen, wenn die Heerführer nicht aus Trägheit oder strafwürdiger Fahrlässigkeit ihre Pflicht versäumen, wenn sie nicht, unbekümmert um ihren eigenen Ruhm, um Ehre und Wohl des Vaterlandes, eher als Verräter denn als Staatsbürger handeln.

Die Preußen müssen stets an den Krieg denken; denn sie haben einen unruhigen, rührigen Nachbar, der seinen ganzen Ehrgeiz entfalten wird, sobald er durch den Tod seiner Mutter, der Kaiserin, volle Freiheit erhält und seiner eigenen Neigung folgen kann. Auf dies Ereignis muß man sich im voraus rüsten, da es wahrscheinlich, ja gewiß ist. Wer nicht jetzt überlegt, was am besten zu tun sein wird, der wird keine Zeit haben, es reiflich zu bedenken, wenn der Augenblick zum Handeln gekommen ist. Überdies denkt man bei kaltem Blute folgerichtig, erwägt alle Schwierigkeiten, findet Mittel und Wege zur Beseitigung der Hindernisse, die sich voraussichtlich den Operationen entgegenstellen werden. Verschiebt man dagegen das Plänemachen auf den Augenblick, wo man handeln soll, so können die Dinge unmöglich reiflich durchdacht werden, und man läßt aus Mangel an Zeit wichtige Faktoren außer acht, die, da sie nicht vorgesehen sind, zum Mißlingen der Feldzugspläne führen und zum eigenen Verderben ausschlagen können. Einzig aus Vaterlandsliebe habe ich diese Gedanken zu Papier gebracht. Lassen sie sich durch die Kenntnis des Geländes, in dem man operieren muß, berichtigen und verbessern, so wird man gut tun, das zu ändern, was zum Besten der Sache nötig ist.

NB. Ich vergaß, von der Stellung bei Zuckmantel zu sprechen, die die Österreicher während der ersten Winterquartiere sicherlich einnehmen werden. Man muß wissen, daß sie sich über Altstadt umgehen läßt.


140-1 Der Krieg Englands mit den amerikanischen Kolonien und dem mit ihnen verbündeten Frankreich (vgl. S. 102) wurde erst 1783 durch den Frieden von Versailles beendet.

141-1 Der Antrag ging von dem Reis-Mendl Abdurrisak aus. König Friedrich, der ihn im September 1779 erhielt, befürwortete ihn eifrig in Petersburg, doch scheiterte die Allianz am Widerstände Katharinas II.

141-2 Vgl. S. 105.

149-1 Vgl. Bd. VI, S. 2O2. 219. 246 f.; VII, S. 215.