<92> zur Verteidigung rüsten kann. Da all das ganz öffentlich geschah, wurde es überall ruchbar und trug, wie sich leicht denken läßt, nicht zur Erhöhung der Freundschaft zwischen beiden Höfen bei. Der Öffentlichkeit erschien diese Szene um so lachhafter, als der König von Preußen nur die gewöhnliche Gicht hatte und bereits geheilt war, ehe die österreichische Armee sich versammelt hatte. Nun ließ der Kaiser alle seine Truppen wieder in ihre Quartiere abrücken, und der Wiener Hof war für sein unkluges Benehmen an den Pranger gestellt.

Im folgenden Jahre, 1777, unternahm der Kaiser inkognito eine Reise nach Frankreich. Sein Aufenthalt in Paris und Versailles trug nicht dazu bei, die Bande zwischen beiden Völkern enger zu knüpfen. Er hatte weit mehr Lebensart und Schliff als Ludwig XVI. Der französische Monarch konnte seine Eifersucht auf diese Vorzüge kaum verhehlen. Nun wollte Joseph auch die französischen Provinzen bereisen. Er ließ sich dort wohl mehr gehen als in der Hauptstadt und zeigte unverhohlenen Neid auf die guten Fabriken, Handelseinrichtungen und ähnliche Schöpfungen des französischen Gewerbefleißes. Manchmal sogar, wenn er schlechter Laune war, nahm er die Ehrungen und Aufmerksamkeiten, mit denen man ihm entgegenkam, in unwirscher und hochfahrender Weise entgegen. Diese Kleinigkeiten entgingen dem französischen Scharfblick nicht. Bei Hofe hatte der Kaiser sich durch Höflichkeit hervorgetan; in der Provinz erlegte er sich weniger Zwang auf und erschien mchr als Neider denn als Freund der Nation, bei der er zu Gaste war. So verlor er alles Ansehen, das er sich durch seine Liebenswürdigkeit erworben hatte.

AufIoseph hingegen machte diese Reise einen ganz anderen Eindruck. Er hatte die Normandie bereist, die Bretagne, Provence, das Languedoc, Burgund und die Franche-Comté — lauter Provinzen, die früher von eigenen Vasallenfürsten beherrscht, allmählich aber der Monarchie einverleibt worden waren. Diese Tatsache machte ihm tiefen Eindruck und regte ihn zu dem, wie ihm schien, demütigenden Vergleich zwischen der zu einer Einheit zusammengefaßten Ländermaffe Frankreichs und dem Zustand in Deutschland an. Er war zwar das Oberhaupt des Reiches, aber unter den Reichsfürsten waren so mächtige Könige und Herrscher, daß sie ihm Widerstand leisten, ja ihn bekriegen konnten. Hätte er die Macht besessen, er hätte flugs alle deutschen Lande unter seine Herrschaft gebracht, sich selbst zum Gebieter des weiten Reiches aufgeworfen und sich dadurch mächtiger gemacht als alle Monarchen Europas. Dieser Plan beschäftigte ihn unausgesetzt. Nach seiner Meinung durfte ihn das Haus Österreich nie aus den Augen verlieren.

Diese ehrsüchtigen Pläne erweckten in ihm die Leidenschaft, sich Bayerns zu bemächtigen. Obwohl der Tod des bayrischen Kurfürsten keineswegs nahe schien, sparte der Kaiser weder Intrigen noch Bestechung, um den Kurfürsten von der Pfalz und dessen Minister auf seine Seite zu ziehen. Aber wer sollte denken, daß so abstoßende und empörende Dinge in Mannheim mit solcher Offenheit und solchem Mangel an Zurückhaltung behandelt wurden, daß nicht nur Deutschland, nein, ganz Europa Be-