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Um nicht zu weitschweifig zu werden, will ich mich mit kurzer Wiedergabe seines Inhalts begnügen. Der Vertrag war begrenzt und sollte nur acht Jahre dauern. Beide Mächte garantierten sich darin ihren Besitzstand. Ohne gegenseitige Zustimmung sollte weder ein Waffenstillstand noch ein Friede abgeschlossen werden. Beide Mächte sagten sich gegenseitig ein Hilfskorps von 10 000 Mann Infanterie und 2 000 Reitern zu. In einem Geheimartikel ward ausgemacht, daß, falls der König am Rhein oder die Zarin in der Krim angegriffen würde, an Stelle dieser Truppen eine jährliche Subsidienzahlung von 400 000 Rubeln oder 480 000 Talern preußischer Währung treten sollte. Was Polen betraf, so verpflichteten sich beide Kontrahenten, nicht zu dulden, daß die Krone erblich würde, und allen Versuchen entgegenzutreten, durch Änderung der Verfassung die Monarchie in Polen einzuführen. Ferner versprach man die Dissidenten1 gegen Bedrückungen der herrschenden Kirche zu beschützen. Schließlich verpflichtete man sich durch eine am gleichen Tag unterzeichnete geheime Konvention, dafür zu sorgen, daß die Wahl auf einen Piasten fiele.

Dieser Piast war Stanislaus Poniatowski, Stolnik von Litauen, der der Zarin seit lange bekannt und dessen Person ihr angenehm war2. Alsbald rückten 10 000 Russen auf Warschau, während preußische Truppen an der polnischen Grenze Demonstrationen machten, die den Republikanern wie den fremden Mächten zeigten, daß jeder, der sich gegen Rußlands und Preußens Willen in die Königswahl einmischen wollte, es mit ihnen zu tun bekäme und daher gut täte, sich die Sache zweimal zu überlegen.

Die Zeit zum Zusammentritt des Konvokationsreichstages rückte heran3. Die Würde beider Mächte erforderte, einen Gesandten ersten Ranges hinzuschicken. Der König bestimmte dazu den Fürsten Schönaich,Carolath4, der sich sofort nach War, schau begab. Die Form des Reichstages wurde verändert: er tagte in den Formen eines Konföderationsreichstags, um das liberum veto, das niepozwalam der Gegenpartei auszuschalten, sodaß die Stimmenmehrheit zur Gültigkeit der Beschlüsse der von den Woiwodschaften entsandten Landboten hinreichte5. Auf diesen Reichstag folgte im August ein zweiter, der gleichfalls die Form einer Konföderation annahm. Dieser Reichstag wählte dank der Unterstützung und der nachdrücklichen Empfehlungen der preußischen und russischen Gesandten am 7. September ein-


1 Unter dem Namen der Dissidenten wurden die Evangelischen und die Griechisch-katholischen zusammengefaßt.

2 Poniatowski hatte von 1755 bls 1759 in Petersburg gewellt, seit 1757 als polnischer Gesandter. Dort war auch ein Liebesbund zwischen ihm und Katharina entstanden.

3 Der Konvokationsreichstag trat zur Vorbereitung der Wahl am 7. Mai 1764 zusammen, der Wahlreichstag selbst am 27. August und der Krönungsreichstag am 3. Dezember.

4 Friedrich Hans Karl Fürst von Carolath-Beuthen, Graf von Schönaich.

5 Die Konföderation, ein Bund der polnischen Edelleute, wurde geschlossen, sobald die Staatsmaschine versagte, um bestimmte Forderungen zu gesetzmäßigen Beschlüssen zu erheben. Nur auf den sub vinculo confoederationis abgehaltenen Reichstagen galt Stimmenmehrheit, wahrend sonst, dank dem liberum veto, jeder Landbote das Recht besaß, durch seinen Einspruch den Reichstag zu sprengen.