<52> Finanzreform arbeiten, aber mit welchen Mitteln? Durch Verminderung der Ausgaben? Dadurch hätte er sich bei allen Großen des Reiches verhaßt gemacht. Durch Erschließung neuer Hilfsquellen? Alle Mittel waren erschöpft. Es blieb also kein verständiges Mittel übrig als ein wohlüberlegter Staatsbankrott, durch den man einem völligen Zusammenbruche vorbeugte; aber er fürchtete seine Verwaltung zu beflecken, wenn dies zu seinen Lebzeiten geschähe. Das einzige, was seinen Wiedereintritt ins Ministerium auszeichnete, war die Rückberufung des alten Parlaments und die Verbannung von Maupeou1, wofür er von den Juristen gelobt, von den Staatsmännern aber gescholten ward.

Frankreich fürchtete damals einen Bruch zwischen Spanien und Portugal wegen des Forts San Sacramento in Amerika2. Auch England fürchtete ein gleiches; denn es hatte selbst Truppen nach Amerika gesandt, nach Boston und anderen Kolonien, um die Unzufriedenheit dieser Provinzen gegen die Regierung ihres Mutterlandes zu unterdrücken3. Kam es zwischen Portugal und Spanien zum Kriege, so war der König von England vertragsmäßig verpflichtet, Portugal beizustehen, wodurch er unfehlbar mit den Spaniern in Konflikt geraten wäre. Um sich zu rächen, hätten diese den englischen Kolonien Beistand geleistet und somit die Nation in Gefahr gebracht, die wichtigen Besitzungen in Amerika zu verlieren. Um sich aus dieser Verlegenheit zu ziehen, gewann der Londoner Hof den Kaiser von Marokko und bestimmte ihn, sofort an Spanien den Krieg zu erklären. Indem die Engländer dem Madrider Hofe so ernstliche Sorgen bereiteten, hofften sie, die Feindseligkeiten zwischen Spanien und Portugal hinauszuschieben und zugleich Zeit zu gewinnen, ihre eigenen Kolonien wieder botmäßig zu machen. Infolge so vieler bedeutender Interessen verloren die Engländer damals Europa ganz aus den Augen.

Diese Umstände begünstigten die Interessen des Königs. Während die Engländer und die anderen Mächte sich in schwieriger Lage befanden und an ihren eigenen Vorteil dachten, also weniger auf das achteten, was im übrigen Europa vorging, hatte der König nicht mehr so sehr unter der lästigen Eifersucht der Engländer zu leiden, die sich sonst sicher in die Angelegenheiten des Teilungsvertrages eingemischt hätten. Man versuchte also, mit Hilfe des russischen Hofes die Streitigkeiten mit den Danzigern zu schlichten4; der preußische und russische Gesandte5 verhandelten, wenn auch erfolglos, mit den Bürgermeistern und Schöffen der Stadt. Diese bestanden so störrisch auf dem Handelsdespotismus, den sie sich über alle anderen Städte an der Weichsel angemaßt hatten, daß sie ihrer Würde etwas zu vergeben glaubten, wenn sie in der geringsten Kleinigkeit nachgaben. Der russische Gesandte merkte, daß er die Unterhandlung mit Güte nicht förderte. Er erklärte ihnen also, da sie die Vorstellungen der Zarin durchaus nicht berücksichtigen wollten, werde er sie ihrem Schicksal überlassen.


1 Vgl. S.24.

2 Es Handelte sich um Grenzstreitigkeiten in Südamerika. -

3 Für den amerikanischen Unabhängikeitskampf vgl. unten S. 85 f.

4 Vgl. S. 42.

5 Heinrich Wilhelm Reichardt und Graf Iwan Golowkin (vgl. S. 43).