<50> Jenem Pugatschew, der die Rebellen anführte, gelang es, alles Volk von den Ufern des Jaik bis in die Umgegend von Moskau auf seine Seite zu bringen. Selbst der Adel begann sich verführen zu lassen. Es fehlte diesem Parteiführer nichts als der Beistand des Glückes, um die Revolution, die er in Rußland anstiften wollte, zum Ausbruch zu bringen. Allein der soeben geschlossene Friede mit den Türken brachte alle seine Unternehmungen zum Scheitern. Die Truppen, die die Zarin aus Rumelien zurückkommen ließ, wurden gegen den Rebellen geschickt, schlossen ihn von allen Seiten ein, zersprengten seine Partei und schnitten ihm den Rückzug ab. Schließlich ward er von einem seiner Anhänger verraten und an die Russen ausgeliefert, die ihn verdientermaßen hinrichten ließen1.

Während dieser ganzen Zeit arbeiteten der polnische Reichstag und die Delegation an der sogenannten Verfassungsreform. Alles, was den ständigen Staatsrat betraf, ward geregelt. Auch wurden Fonds im Betrage von 1 Million 200 000 Talern für die Apanage des Königs angewiesen, andere für den Unterhalt der Armee bestimmt. Der Artikel über die Dissidenten, den man für den Heikelsten hielt, ward aus Furcht vor der Gärung, die er in den Gemütern hervorrufen konnte, für den Schluß des Reichstages aufgespart.

Da verbreitete sich neuer Lärm in Polen. Die Nation zeterte darüber, daß die Österreicher und Preußen ihre Grenzen angeblich unbeschränkt ausdehnten. Diese Klagen waren nicht ganz grundlos; denn die Österreicher, die eine der sämtlich ungenauen Karten von Polen mißbrauchten, hatten die Namen zweier Flüsse, des Sbrucz und des Podhorce, verwechselt und unter diesem Vorwand ihre Grenzen viel weiter gezogen, als es ihnen nach dem Teilungsvertrage zustand. Nun war aber ausgemacht worden, daß die drei Anteile so völlig gleich sein sollten, daß keine der drei Mächte mehr als die anderen erhielte. Da die Österreicher diese Bedingung verletzt hatten, glaubte der König es ebenso machen zu dürfen. Er dehnte also seine Grenzen aus und schloß die Alte und Neue Netze in den Teil von Pomerellen ein, den er schon besaß2. Der Petersburger Hof legte sich ins Mittel, und der König versprach, seine Grenzen wieder einzuschränken, wenn der Wiener Hof ein gleiches täte.

Die Polen hatten von dem Streit zwischen den drei Höfen erfahren und hielten den Augenblick für gekommen, um durch ihre Umtriebe Zwist, Erbitterung und Neid zwischen ihnen stiften zu können. Zu dem Zweck ward der polnische Kronfeldherr, Graf Branicki, nach Petersburg geschickt3, angeblich um die Sache der Republik zu vertreten, mehr aber, um die Zarin gegen Preußen und Österreicher zu erbittern, die sich in Polen als Herren ausspielten. Dieser Mann hatte, bevor er Kronfeldherr ward, Poniatowski nach Petersburg begleitet, als dieser noch nicht König war4. Damals hatte er Gelegenheit gehabt, Katharina und Poniatowski kleine Dienste zu


1 Am 14. September 1774 wurde Pugatschew gefangen und am 10. Januar 1775 hingerichtet.

2 Vgl. S.43.

3 Graf Franz Xaver Branicki traf Ende April 1774 in Petersburg ein.

4 Vgl. S. 9, Anm. 2