<48>letzt habe, indem er sie wie reguläre Truppen in Regimenter steckte, daß 20 000 ihrer Leute ausgehoben und gegen die Türken geschickt worden seien, und daß man ihre Provinz erschöpfe, indem man sie mehr Leute und Pferde stellen ließe, als sie liefern könne. Ein Landstreicher stellte sich an ihre Spitze. Er redete ihnen vor, daß er den Zaren Peter III. mit sich führe1, der seine Frau, die Zarin, absetzen wolle, um seinen Sohn, den Großfürsten, auf den Thron zu erheben. Einige Nachbarprovinzen schlossen sich den Rebellen an. Ihre täglich zunehmende Zahl zwang die Zarin, soviel Truppen wie möglich aus Esthland, Ingermanland und Polen gegen die Aufständischen herbeizuziehen. General Bibikow übernahm die Führung dieses hastig zusammengerafften Korps; aber so sehr er sich auch beeilte, er konnte nicht vor März 1774 in das Gouvernement Kasan dringen.

Soviel Mißgeschick machte den an beständiges Glück gewöhnten Hof stutzig und stimmte die Zarin friedlicher als bisher. Mit Recht fürchtete sie, die große Anzahl der von den Provinzen verlangten Rekruten, die schon Murren hervorrief, möchte die Erbitterung der Russen zu offener Empörung steigern. Hinzu kam, daß die Waffenerfolge, die bei Beginn des Krieges Europa geblendet, im Laufe des letzten Kriegsjahres viel von ihrem Glanze verloren hatten. Da der Hof jetzt aufrichtig den Frieden wünschte, ersuchte Graf Panin den Grafen Solms (November 1773), den preußischen Gesandten bei der Pforte, Zegelin, zu bitten, er möchte in seinem eigenen Namen dem Kadileskier, der in Abwesenheit des Großwesirs die Geschäfte leitete, folgende Vorschläge machen:

1. die Pforte solle Kertsch und Ienikala abtreten2;

2. die Krim solle von ihrem Khan ohne Einmischung der Russen oder Türken regiert werden;

3. die freie Schiffahrt auf dem Schwarzen Meer solle sich auf Handelsschiffe beschränken, deren keines mehr als 4 bis 5 Kanonen führen dürfe, und allen russischen Kriegsschiffen solle die Einfahrt in die unter türkischer Herrschaft stehenden Häfen verwehrt sein;

4. statt Kinburn solle Oczakow den Russen verbleiben, damit sie wenigstens einen festen Platz mit einem Hafen am Schwarzen Meer hätten3;

5. aus Rücksicht auf dies Zugeständnis würden die Russen Bender und alle übrigen Eroberungen an die Türkei zurückgeben.

Um das Zartgefühl der Zarin Katharina zu schonen, der es widerstrebte, ihren Feinden zuerst Friedensvorschlage zu machen, übernahm es der König, die obigen Bedingungen nach Konsiantinopel zu schicken. Er tat dies um so lieber, als ihm selber an der Beendigung des Krieges lag, der durch seine Fortdauer ebenso unangenehme wie Verdrießliche Ereignisse herbeiführen konnte. Dieser neue Friedensversuch


1 Der Kosak Jemelian Pugatschew gab sich vielmehr selbst für Peter III. aus.

2 Die Russen forderten die Abtretung von Kinburn statt Kertsch und Ienikala.

3 Diese Angabe beruht auf Irrtum.